Meschede/Essen. . In Niedersachsen wurden in Badeseen multiresistente Erreger entdeckt. Das dürfte auch für die Talsperren im Sauerland gelten. Erkenntnisse fehlen

Der Himmel: wolkenlos blau. Die Sonne: strahlt. Das Wasser: klar. Es gibt diese Tage, die zum Schwimmen an den Badestellen der Talsperren im Sauerland geradezu einladen.

Gefährliche Keime – Wie Resistenzen entstehen

  • Resistente Bakterien sind etwas Natürliches. Dahinter steht die Darwinsche Evolutionstheorie „Survival of the Fittest“: Die am besten angepassten Individuen überleben.
  • Setzt man Bakterien oder Pilze einer Bedrohung aus, etwa einem Antibiotikum, wird ein Teil der Erreger nach und nach immer bessere Abwehrmechanismen entwickeln.
  • Diese vermehren sich, während die anderen sterben.
  • Auch Antibiotika kommen in der Natur vor. Sie werden von Pilzen oder Bakterien gebildet, um andere Mikroorganismen am Wachstum zu hindern. So ist auch das Penicillin ursprünglich ein in der Natur vorkommender antimikrobieller Stoff, der von Schimmelpilzen gebildet wird.

Resistenzen treten besonders dort auf, wo viele Antibiotika verabreicht werden – etwa in Krankenhäusern oder auch in der Massentierhaltung.

  • Sind Bakterien gegen viele Antibiotika widerstandsfähig, spricht man von Multiresistenz.

  • Bekannt ist hier der Keim MRSA, Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus. MRSA siedeln etwa in der Nase, im Rachen oder in der Achsel.

  • Erst jedoch wenn sie über eine Wunde in den Körper gelangen, machen sie krank. Dann aber wirkt kaum ein Antibiotikum.

  • In der Entwicklung neuer Antibiotika stellen resistente gramnegative Bakterien (MRGN) die größte Herausforderung dar. Sie unterscheiden sich von grampositiven durch eine doppelte Zellwand. Gegen sie können nur wenige Antibiotika etwas ausrichten. Außerdem tragen viele gramnegative Erreger oft ein ESBL-Gen. Es ermöglicht die Produktion eines Enzyms, das Antibiotika auflösen kann.

  • Die Freude könnte in dieser Saison allerdings getrübt sein: Im benachbarten Niedersachsen sind jetzt in Wasserproben aus Badeseen und Flüssen multiresistente Keime, also Erreger, gegen die kaum noch ein Antibiotikum wirkt, nachgewiesen worden.

    Droht die Badesaison auszufallen?

    Droht die Badesaison 2018 an Bigge, Lister, Sorpe und Henne damit auszufallen? Die erschreckende Erkenntnis aus Niedersachsen wirft Fragen auf:

    Sin d die Flüsse, Bäche, Talsperren und Stauseen im Sauerland und entlang der Ruhr auch mit multiresistenten Keimen belastet?

    „Dem Ruhrverband liegen keine Erkenntnisse dazu vor, weil wir ein Vorkommen dieser Keime nicht messen und auch nicht messen können. Unser Labor ist dafür nicht ausgelegt, da diese Analytik nicht zu unseren gesetzlichen Aufgaben gehört“, erklärt Markus Rüdel, Sprecher des Essener Wasserwirtschaftsunternehmen, das die Talsperren betreibt.

    Rüdel kündigte im Gespräch mit der WESTFALENPOST an, dass der Ruhrverband jetzt „Kontakt zu den Landesbehörden aufnehmen“ werde.

    "Ernstzunehmende Sache"

    Das Thema sei von so grundlegender Bedeutung, dass es eine Festlegung auf Landesebene brauche. – „Ich halte das für eine ernstzunehmende Sache, der man sich wissenschaftlich annehmen muss“, urteilt Dr. Peter Kleeschulte, Leitender Medizinalrat des Hochsauerlandkreises, dessen Gesundheitsamt die Badestellen an Sorpe- und Hennesee kontrolliert.

    Die Erkenntnisse aus Niedersachsen seien neu: „Flächendeckend ist eine Belastung von Gewässern mit multiresistenten Keimen erstmalig festgestellt worden“, begründet der HSK-Mediziner seine Forderung nach einer wissenschaftlichen Untersuchung.

    Verband betreibt 65 Kläranlagen

    Der Ruhrverband hat seinen Sitz in Essen, betreibt die Talsperren im Sauerland und die Stauseen an der Ruhr. Das Wasserwirtschaftsunternehmen sorgt damit für das Trinkwasser für rund 4,5 Millionen Menschen.

    Mit seinen 65 Kläranlagen entlang der Ruhr reinigt der Verband nach eigenen Angaben das Abwasser von 2,3 Millionen Menschen.

    Wie wahrscheinlich ist es, dass auch Gewässer im Sauerland belastet sind?

    Ruhrverbandssprecher Rüdel macht zwei Quellen für die gefährlichen Erreger im Gewässer aus: „Es gibt mutmaßlich zwei wesentliche Eintragpfade: Das sind die Landwirtschaft und Krankenhäuser.“

    Zwar wird Landwirtschaft im Sauerland nicht so intensiv betrieben wie in großen Teilen Niedersachsens. Mast- und Zuchtbetriebe gibt es aber eben auch dort. Erste wissenschaftlich fundierte Aussagen erhofft sich der Ruhrverband vom Forschungsprojekt „HyReKA“ der Universität Bonn, das bis 2019 Aussagen zur hygienisch-medizinischen Relevanz von Antibiotika-resistenten Erregern in Gewässern liefern soll.

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    Was bedeutet das für die Badestellen an den Talsperren?

    „Das Baden ist sicher nicht gefährlicher geworden. Die Vorgaben der EU-Richtlinien werden an den Badestellen eingehalten. Die Wasserqualität ist ausgezeichnet“, sagt der Ruhrverband. Das Wasser an den Badestellen wird dabei aber eben auch nur auf Darmbakterien und Algen hin untersucht.

    Für wen könnten multiresistente Keime gefährlich werden?

    Gefährliche Keime – Hintergründe und Fälle

    Ein gesunder Mensch hätte beim Baden wohl kaum etwas zu befürchten. Anders sieht es womöglich für Menschen mit einer Vorerkrankung, für ältere und junge Menschen aus, deren Immunsystem nicht mehr oder noch nicht vollständig aktiv ist.

    Allerdings gilt auch hier: Es gibt bislang keine Forschungsergebnisse, keine Erkenntnisse darüber, ab welcher Konzentration der Keime und für wen es tatsächliches gefährlich wird.

    Was sagt die NRW-Regierung?

    Sie bleibt allgemein: Für sie habe das Thema eine „hohe Priorität“, heißt es auf unsere Nachfrage aus dem Umweltministerium in Düsseldorf. Ziel der Landesregierung sei „der sachgerechte therapeutische Einsatz von Antibiotika bei Mensch und Tier, die Reduzierung des Eintrags von Antibiotika in die Umwelt sowie die generelle Bekämpfung von antimikrobiellen Resistenzen“, beschreibt das Ministerium von Christina Schulze Föcking (CDU) seine Haltung und stellt fest: Bisher lägen nur Untersuchungen zum Vorkommen von multiresistenten Keimen im Rhein vor; daher setzt auch die Düsseldorfer Behörde auf Ergebnisse des Bonner Forschungsprojekts „HyReKA“.