Sundern. . Kein Handynetz, kein brauchbares Internet: In einem kleinen Dort im Sauerland kämpfen die Bürger seit 15 Jahren um den Anschluss.
Zwei Kilometer vor dem Ortsschild gibt es noch LTE, danach taucht man aus der digitalen Welt hinein ins Funkloch: Im Sunderner Ortsteil Brenschede kämpfen Bürger seit 15 Jahren um Anschluss. Mit Unterschriftenaktionen und offenen Briefen an Telekom und Stadt. Nach wie vor gibt es im Tal mit 14 Häusern kein Handynetz und auch kein brauchbares Internet. ISDN - sonst nichts. 8 Kilobyte pro Sekunde werden hier übertragen. Bei Ballerspielen baut sich die Seite so langsam auf, dass die Kugel auf dem PC im 700 Jahre alten Dorf den Lauf noch nicht verlassen hat, aber der Mitspieler in der Nachbargemeinde schon weiß, dass sein Gegner Geschichte ist. Immerhin, der Breitbandausbau für das schnelle Internet soll noch in diesem Sommer erfolgen.
Brenschedes 60 Einwohner behelfen sich mit dem teuren (50 Euro pro Monat für 25 Gigabyte), aber je nach Wetterlage holprigen Sky-DSL (Internet via Satellit). „Wenn es mittelstark regnet, fällt die Verbindung von der Schüssel zum Satelliten aus“, berichtet CDU-Ratsherr Holger Hengesbach. Zurzeit lebe er im Tal der Hoffnung. Der angekündigte Termin für den Breitbandanschluss sei um zwei Monate verschoben worden. Ein Mobilfunk-Anschluss ist weiterhin nicht in Sicht.
Zugezogene verlassen Dorf nach wenigen Monaten
„Die Landflucht“, so Hengesbach, „hat auch mit der digitalen Abgeschiedenheit zu tun.“ Kürzlich, erzählt er, habe eine zugezogene Familie mit drei Kindern nach einigen Monaten das idyllisch gelegene Dorf wegen der schlechten Handy- und Internetverbindung wieder verlassen. Im Nachbarort Obersalwey gibt es LTE. „Warum dort und nicht bei uns?“, schrieb Hengesbach dem Bürgermeister. Obersalwey sei auch klein und abgelegen.
Hengesbach ist ironischerweise IT-Spezialist und für den Konzern Uniwheels in Werdohl tätig. Sein Chef erwartet von ihm, dass er auch am Wochenende erreichbar ist. Gibt es ein Problem auf der Datenbank der Firma, kann der Sauerländer nicht von Zuhause aus eingreifen. Sein Firmen-I-Phone liegt in der Schreibtischschublade. Wenn der 34-Jährige damit telefonieren will, muss er den Berg hinauf. „Ohne den Hof wäre ich eigentlich prädestiniert gewesen für eine Landflucht.“ Er bleibt. Aus Liebe zur Heimat - und weil er seine Eltern auf dem Forstgut nicht allein lassen will.
Zurück zur Bakelit-Wählscheibe
Als die Filiale der Sparkasse in Endorf schloss, empfand es Hengesbach als zynisch, dass die Sparkasse damit warb, dass die Kunden nun eine tolle App nutzen könnten. Ein Vertreter der Volksbank verzweifelte später bei dem Versuch, Onlinebanking einzurichten. „Es scheiterte an dem Punkt, als der Server eine SMS losschickte, in der der PIN für die Freischaltung enthalten ist“, erzählt der 34-Jährige. Die Idee, loszufahren und die SMS in ein paar Kilometern Entfernung zu empfangen, wurde verworfen: „Aus Sicherheitsgründen ist der PIN nur fünf Minuten gültig.“
Hengesbach ärgert sich, dass die Telekom genug Geld hat, um die Netzneutralität bei Musikstreaming aufzugeben, aber keines ausgibt, um den Grundbedarf zu sichern. Die Unterversorgten in ländlichen Gebieten würden sozial abgehängt.
Geschäftsschädigende Praxis
Für Anette Hill ist der Zustand „geschäftsschädigend“. Sie betreibt mit ihrem Mann Richard in Brenschede eine Ferienhausvermietung. Seit die Telekom den ISDN-Anschluss abgeschaltet hat, sind sie wieder in den 1960er Jahren angekommen. Die E-Mail-Adresse existiert nicht mehr. Erreichbar sind sie unter den Nummern, die Bekannte vor 50 Jahren an der Bakelit-Wählscheibe drehten.