Hagen. . Um der Ausbreitung der afrikanischen Schweinepest vorzubeugen, legen Jäger in Südwestfalen vermehrt auf Wildschweine an. Ob das reicht?

Das Virus kommt näher. Kurz hinter den Grenzen, in Polen und Tschechien, sind erste Wildschweine befallen. Es sei daher keine Frage mehr, ob die afrikanische Schweinepest komme, heißt es. Es sei nur die Frage wann. Damit will sich Professor Wilfried Hopp, Leiter des Veterinärdienstes im Kreis Soest, nicht abfinden. Noch könne man handeln.

Diese Tierseuchen grassieren in Deutschland

Viel Wirbel

In Deutschland machen Tierseuchen regelmäßig Wirbel und sorgen für große Schlagzeilen. Unter anderem diese Krankheiten sind oder waren in aller Munde!

Vogelgrippe

Geflügelpest gibt es schon lange. Aber 2005 sorgte der Vogelgrippe-Erreger H5N1 für Panik: Jetzt sei er nur für Vögel tödlich und für den Menschen harmlos, hieß es – aber wenn der Erreger mutiere, sei die Gefahr einer Pandemie groß. Jeder tote Wildvogel wurde gemeldet – Millionen Zuchttiere wurden gekeult. Das Massensterben der Menschheit blieb aus. Aber: 2013 trat in China zum ersten mal die Variante H7N9 auf: Für Vögel ungefährlich – für Menschen mitunter tödlich.

BSE

1985 explodierte die Zahl der BSE-Infektionen in Großbritannien – 180.000 Fälle wurden diagnostiziert, vermutlich waren sogar drei Millionen Rinder betroffen. Zu schwach erhitztes Tiermehl wurde als Ausbreitungsursache vermutet. In Deutschland wurde BSE im Jahr 2000 erstmals diagnostiziert. Bis heute wurden hierzulande 414 Fälle bestätigt. 2001 wurde zur Pflicht, alle zum Verzehr getöteten Rinder zu untersuchen. 2015 wurde diese Verordnung aufgehoben – aber BSE gibt es auch weiterhin.

Afrikanische Schweinepest

Die Afrikanische Schweinepest grassiert seit 2014 im Baltikum und Polen. In angrenzenden Ländern kommt die Seuche seit Längerem gehäuft vor und verbreitet sich von dort – auch in Tschechien gab es schon Fälle. Die Befürchtung der Experten: Ein Ausbruch unter deutschen Wildschweinen ist schwer einzudämmen. Das Virus tötet ausschließlich Haus- und Wildschweine. Für den Menschen ist er ungefährlich.

Klassische Schweinepest

In Deutschland ist die Klassische Schweinepest zuletzt 2006 bei Hausschweinen und 2009 bei Wildschweinen aufgetreten. Wie die afrikanische ist auch die klassische Variante unheilbar. Im Seuchenfall muss der gesamte Tierbestand getötet werden. Hauptüberträger sind lebende Schweine, aber auch Transportfahrzeuge und Lebensmittel. Das Virus ist sehr widerstandsfähig und hält sich auch lange in gefrorenem, gepökeltem und geräuchertem Fleisch.

Blauzungenkrankheit

Die Blauzungenkrankheit trat 2006 erstmals bei Rindern und kleinen Wiederkäuern auf und breitete sich in auch Deutschland flächendeckend aus. Durch die schnelle Einführung einer Impfpflicht gelang es, die Seuche zu tilgen. Seit 2012 ist Deutschland wieder "blauzungenfrei".

Schmallenberg-Virus

In den Niederlanden wurde 2011 erstmals ein neuer Virus bei Rindern, Schafen und Ziegen entdeckt – in Deutschland trat er Monate später auch auf. Der Erreger wird als "Schmallenberg-Virus" bezeichnet, weil der erste Nachweis bei Tieren in Schmallenberg gelang. Das Virus wird allerdings nicht von Tier zu Tier übertragen, sondern über Insektenstiche.

Staupe

Die hochansteckende Krankheit verläuft bei vielen Tieren, insbesondere bei Hunden häufig tödlich. Die Übertragung erfolgt durch Speichel, Kot, Urin, Nasen- und Augensekret infizierter Tiere. Staupe ist eine Viruserkrankung, die nur bei Hunden und Hundeartigen wie Füchsen und Wölfen auftritt, Frettchen und Waschbären können sich ebenfalls anstecken.

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Der Landwirt

„Dass die Krankheit immer näher rückt, bereitet mir Sorge“, sagt Heiner Korte. 2000 Schweine hält der Landwirt in Menden. Damit sie sich nicht anstecken, hat er im vergangenen Sommer eine Reihe von Schutzmaßnahmen ergriffen. Seinen Hof hat er eingezäunt, damit Wildschweine, die das Virus möglicherweise in sich tragen, gar nicht erst in die Nähe seiner Ferkel und Mastschweine kommen. Das Futter stellt er selbst her, um nichts einzuschleppen. Auch transportiert er seine Tiere selbst, damit fremde Lkw, die die Krankheit mitbringen könnten, nicht in seinen Betrieb kommen.

Keine Gefahr für Menschen, Hunde, Katzen

Die Afrikanische Schweinepest befällt ausschließlich Wild- und Hausschweine.

  • Menschen und andere Tierarten können sich nicht anstecken.

  • Umweltschützer kritisieren die verstärkte Wildschweinjagd. Die Seuche werde von Jagdtouristen und Fleischkonsumenten verbreitet, heißt es beim BUND.

  • Für den Fall, dass die Krankheit doch eines Tages über die Grenze kommt: Heiner Korte hat bereits mobile Desinfektionswannen getestet, durch die seine Transporter dann fahren müssten, bevor sie auf den Hof dürften.

    Dass die Seuche seine Tiere treffen könnte, daran will er gar nicht denken. Doch allein ein Ausbruch in der Region oder Deutschland wäre schlimm genug: „Das Fleisch lässt sich dann schlechter vermarkten“, fürchtet Korte. Bereits der erste Pestfall unter Wildschweinen habe erhebliche Folgen für die Landwirte - ohne, dass überhaupt ein einziges Hausschwein erkrankt sei, heißt es beim Bauernverband: Deutschland würde von Drittländern für den Handel lange gesperrt.

    „Wenn jeder verantwortungsvoll handelt, können wir die Seuche vielleicht noch beherrschen“, hofft Heiner Korte – und setzt vor allem auf die Mithilfe der Jäger.

    Die Jäger

    In der vergangenen Woche hat das Land NRW die Schonfrist für die Wildschweine aufgehoben. Ziel sei es, den hohen Schwarzwildbestand zu dezimieren, so dass eine eventuelle Infektionskette schneller abreißen könne, erklärt Andreas Schneider vom Landesjagdverband NRW. Schon in den vergangenen Jahren ist die Zahl der erlegten Wildschweine deutlich gestiegen: In der Jagdsaison 2016/17 waren es 39 000; in der Saison 2014/15 dagegen nur 29 000. Für die aktuelle Saison liegen noch keine Zahlen vor, „aber die Tendenz geht zu deutlich mehr Abschüssen“, heißt es aus dem Kreisveterinäramt im Hochsauerland.

    Derzeit fänden nahezu an fast jedem Wochenende so genannte Bewegungsjagden statt, oft auch über die Reviergrenzen hinweg, sagt Nicole Heitzig, Vorsitzende der Kreisjägerschaft im Hochsauerland. Experten wie Wilfried Hopp sehen in solchen Drückjagden die beste Methode, dem Schwarzwild beizukommen, das gern über die Reviergrenzen flieht. Die schlauen Wildschweine ließen sich nur schwer erwischen, bestätigt Nicole Heitzig. Sie seien erst in der Dämmerung aktiv und nur in Mondnächten zu jagen. Also müssen sich mehrere Jäger verschiedener Reviere zusammentun, und von Treibern und Hunden die Tiere aufscheuchen lassen, fordern Experten.

    Das Problem: „Das ist sehr aufwendig zu organisieren“, sagt Nicole Heitzig. Meist brauche man ein Jahr Vorlauf, um viele Jäger und Hundemeuten zu koordinieren, bestätigt Andreas Schneider vom Landesjagdverband. Wenn die Drückjagd öffentlich werde, müsse man mit Protesten von Tierschützern rechnen, so Nicole Heitzig. Dennoch: „Es funktioniert mittlerweile gut“, verzeichnet Kreisveterinär Wilfried Hopp eine steigende Zahl von Drückjagden. Ob das ausreicht, sei aber derzeit noch nicht zu beurteilen.

    Die Behörden

    Am Ende sind es aber vielleicht gar nicht die Wildschweine, die die Seuche weitertragen, sondern die Menschen. Reisende und Lkw-Fahrer aus Polen und Tschechien bringen die Viren an Schuhen und Reifen mit – oder durch unbemerkt infizierte Lebensmittel wie Salamibrote. Achtlos an der Autobahnraststätte weggeworfen, könnten sich Wildschweine hier anstecken. Und so setzt Hopp darauf, Informationszettel an den Autobahnraststätten der A44 und A2 zu verteilen sowie die Plätze mit Zäunen von den Feldern und Wäldern abzutrennen. „Wir können etwas tun“, bleibt er zuversichtlich.