Siegen. . Der Direktor der Inneren Medizin am Diakonie-Klinikum Jung-Stilling Siegen erklärt die Bedeutung vom Mikrobiom für Gesundheit und Krankheit.
Sie bringen es auf zehnmal mehr Zellen als der Mensch selbst, tragen hundertmal so viel Erbinformation und wiegen zusammen bis zu zwei Kilogramm. Gemeint sind die Billionen mikroskopisch kleiner Mitbewohner auf und in unserem Körper. In ihrer Gesamtheit bezeichnen Mediziner sie als Mikrobiom. Welche Bedeutung sie für Gesundheit und Krankheit haben, hat jetzt Prof. Joachim Labenz im Diakonie-Klinikum Jung-Stilling erklärt.
Der Direktor der Inneren Medizin machte deutlich: „Ohne unsere Mitbewohner könnten wir nicht leben.“ Sie wirkten beispielsweise bei Immunabwehr und Verdauung mit, bilden Vitamine, lassen uns bei Kälte nicht erfrieren und beeinflussen das Zellwachstum.
Das Mikrobiom
Nur ein kleiner Teil des Mikrobioms werde durch Vererbung festgelegt, der überwiegende Anteil entwickelt sich unter dem Einfluss von Ernährung, Lebensumfeld, Impfungen, Medikamenten oder Hygiene bei jedem anders. „Ein normales Mikrobiom gibt es nicht, es ist bei gesunden Menschen sehr unterschiedlich“, sagte Labenz. Gemeinsam haben alle Variationen, dass sie sich auf den gesamten Organismus auswirken. Menschen mit starkem Übergewicht hätten oft ein verändertes Mikrobiom.
Aber auch viele andere Krankheitsgruppen sind eng mit dem Mikrobiom verbunden. Als Beispiel nannte Labenz einige den Magen-Darm-Trakt betreffende Beschwerden.
Hier treibt oft das Bakterium Helicobacter pylori sein Unwesen. „80 Prozent der Menschen mit diesem Keim bemerken ihn gar nicht, obwohl sie eine chronische Magenschleimhautentzündung haben, 20 Prozent entwickeln ernsthafte Komplikationen wie Geschwüre und bösartige Tumore“, erklärte Labenz. Behandelt werden Patienten dann meist mit Antibiotika, die gegen Helicobacter pylori wirken.
Ebenfalls häufig tritt das Reizdarmsyndrom auf. Etwa 15 Prozent der Erwachsenen leiden darunter und leben mit Bauchschmerzen, Durchfall, Verstopfung oder Blähungen, für die sich keine anderen körperlichen Ursachen finden lassen. Ihnen rät der Mediziner zu der sogenannten FODMAP-Diät, bei der auf spezielle Kohlenhydrate verzichtet wird, die durch Gärungsprozesse den Darm belasten.
Gut für das Mikrobiom im Darm sind hingegen probiotische Joghurts, die in den Kühlregalen vieler Supermärkte stehen. Probiotika mindern das Risiko von Darminfektionen und können deren Verlauf verbessern.
Aber auch darüber hinaus hat jeder selbst die Möglichkeit, etwas Gutes für sein Mikrobiom zu tun. Eine vielfältige Ernährung mit regionalen Produkten, Balaststoffen, stressfreien Mahlzeiten, Bewegung und eine ausreichende Nachtruhe wirkten sich positiv aus, schlecht seien stark verarbeitete, hochkalorische und fette Nahrungsmittel, radikale Diäten und einseitige Ernährung. „Das Mikrobiom hat ein gutes Gedächtnis. Es erinnert sich lange an Phasen mit schlechtem Lebensstil“, betonte Labenz.
Neue Therapien
Künftig könnte einigen Menschen mit schlechtem Mikrobiom eine Therapie helfen, die im ersten Moment befremdlich klingt. „Es ist möglich, mit einer Stuhltransplantation das Mikrobiom eines gesunden Menschen auf einen kranken zu übertragen“, schilderte der Chefarzt.
„Damit sind bei einer Darminfektion durch Clostridium difficile bereits große Erfolge erzielt worden.“ In Deutschland sei diese Behandlung aufgrund bürokratischer Hürden aber noch sehr schwierig, weil der zu transplantierende Stuhl als Arzneimittel gilt und als solches zugelassen werden müsste. „Wenn wir im Einzelfall eine Stuhltransplantation durchführen möchten, müssen wir uns diesen individuellen Heilversuch rechtlich absichern lassen“, erklärte Labenz. „Deshalb ist das bislang nur in Einzelfällen machbar.“
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