Wuppertal. . Ein Forschungsprojekt der Unis Wuppertal und Bochum sowie des DRK will herausfinden, wie sich die Widerstandskraft der Bevölkerung stärken lässt.

Zwölf Jahre ist es her, dass nach heftigen Schneefällen 25 000 Menschen im Münsterland tagelang von der Stromversorgung abgeschnitten waren. Das war unangenehm, aber keine Katastrophe. Weil es Hilfe gab. Weil viele Häuser noch Holz- oder Kohleöfen hatten. Und weil die Leute sich gegenseitig unterstützten.

Aber wäre das immer so? Und überall? Welche Folgen haben eventuelle Unterschiede für die Arbeit im Katastrophenschutz? Und wie lässt sich der soziale Zusammenhalt überall stärken, damit die Bevölkerung besser gegen Krisen gewappnet ist? Mit diesen Fragen befasst sich ein Forschungsprojekt unter Leitung der Uni Wuppertal. Beteiligt sind auch die Ruhr-Uni Bochum und das Deutsche Rote Kreuz (DRK).

Selbstorganisation

Das Interesse der Hilfsorganisation erklärt der Wuppertaler Soziologe Dr. Tim Lukas (kleines Foto) vom Lehrstuhl für Bevölkerungsschutz, Katastrophenhilfe und Objektsicherheit: „Da geht es darum, welcher Stadtteil bei einer Katastrophe dringender versorgt werden muss, weil in einem anderen die Selbstorganisation der Bürger besser funktioniert. Das ist auch ökonomisch wichtig.“

Das lässt sich auch in einem dreijährigen Projekt nicht flächendeckend feststellen. Untersucht werden deshalb je ein städtisches und ein ländliches Gebiet und West- und Ostdeutschland: Münster und Ostbevern im Kreis Warendorf, Potsdam und Bad Belzig in Brandenburg. Aus der Analyse sollen konkrete Empfehlungen entstehen – auch für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Katastrophenschutz, Wohlfahrtsorganisationen und Kommunen.

Doch auch am Anfang der Forschung gibt es bereits Erkenntnisse und Erwartungen: „In einem früheren Projekt haben wir festgestellt, dass der soziale Zusammenhalt in der Mittelschicht stärker ausgeprägt ist“, sagt Lukas. Die Erwartung ist auch, dass das in kleineren Gemeinden eher der Fall ist. Wenn man sich kennt, kooperiert man eben leichter.

Und wenn man sich ähnlich ist. In seinen Untersuchungen über soziales Vertrauen und Gemeinsinn hat der US-Soziologe Robert Putnam festgestellt, dass ethnische Homogenität eine Rolle spielt. Also: Weiße vertrauen und helfen eher Weißen, Schwarze eher Schwarzen, Latinos eher Latinos. Das leuchtet spontan ein, wirft aber angesichts der Migrationsentwicklungen Probleme auf. Und Putnam wurde kritisiert, weil er ganze Städte im Blick hatte und nicht kleinteiligere Nachbarschaften. Das ist die Hauptfrage für Tim Lukas: „Wie können wir Nachbarschaften erzeugen?“

Die Dörfer sind dabei nicht in jedem Fall im Vorteil: „Wenn die Ursprungsbevölkerung wegzieht und Pendler aus der Stadt wegen des billigeren Wohnraums hinziehen, wird es auch schwierig. Sozialer Zusammenhalt braucht Zeit. Eine hohe Fluktuation beschädigt das. Und Neuankömmlinge müssen Möglichkeiten bekommen, sich zu integrieren.“ Auch in gentrifizierten Stadtvierteln lösen sich soziale Netzwerke auf, in reichen Villenvierteln leben Menschen hinter Mauern, die Straßen wirken ausgestorben. Ob sich hier Nachbarn beim Stromausfall zusammentäten, wenn einer über einen Campingkocher verfügte und der andere über Konserven?

Vertrauen durch Kontakt

„Vertrauen entsteht durch Kontakt“, weiß Lukas. Dass der zwischen verschiedenen Gruppen kaum stattfinde, dass sie sich nicht mischten, liege auch am Versagen des sozialen Wohnungsbaus. Also müssten andere Foren her: Stadtteilfeste, Einsatz für gemeinsame Ziele im Wohnumfeld, in Vereinen. „Sozialer Zusammenhalt ist im Krisenfall ein entscheidender Faktor; das haben viele Studien national und international gezeigt.“