Drolshagen. . Matthias Grütz aus Drolshagen baut Ställe für Maria, Josef und das Jesuskind – und profitiert von der Liebe der Deutschen zu Krippen.
Wohnzimmer im Hochparterre, zwei Balkone, großer Vorgarten, Stall und Tenne. Keine Zentralheizung, aber modernste LED-Beleuchtung. Kaufpreis für die Immobilie: 499 Euro. Gesamtfläche: 0,5 Quadratmeter.
Modell „Allgäu“ mag historisch nicht ganz korrekt sein, denn in einem Voralpen-Bauernhof hat Maria das Jesuskind gewiss nicht zur Welt gebracht. Aber Modell Allgäu ist dennoch gefragt. Es ist das meistverkaufte Häuschen aus der Werkstatt von Matthias Grütz. Seit etwa sechs Jahren baut der 59-Jährige Weihnachtskrippen.
Denn vom Fotofachgeschäft, das Matthias Grütz in Drolshagen führt, kann er kaum noch leben. Vor allem der Preisdruck der Online-Konkurrenz macht dem Fotohandel seit Jahren zu schaffen. Gerade einmal zwei Kunden kommen an diesem Vormittag in das kleine Geschäft in Drolshagen. 31,80 Euro hat Matthias Grütz bis zur Mittagspause eingenommen.
Stundenlohn 1,70 Euro
Weil das gelernte Handwerk also von der Modernisierung überrollt wird, rettet er sich mit einem viel älteren. Ein ganz besonderer Strukturwandel. Geplant hat er das nicht. Das neue Geschäftsfeld hat er mehr zufällig entdeckt. Er verdankt es der Liebe der Deutschen zu Krippen und seiner eigenen Liebe zum Holz. So stark ist die, dass er vor 24 Jahren ein eigenes Holzhaus errichtete, 200 Quadratmeter groß. Eine Krippe im Großen.
Später dann, als die eigenen Kinder längst erwachsen waren, baute er nur zum Spaß einen Schaukel-Trecker. 100 Stunden arbeitete er an dem Spielzeug. Als das Werk fertig war, stellte er es stolz ins Schaufenster – und verkaufte es bald für 250 Euro. 80 Euro hatte ihn das Material gekostet, macht einen Gewinn von 170 Euro. Oder einen Stundenlohn von 1,70 Euro.
Aber er machte weiter. Zu den Schaukel-Treckern kamen Liegestühle aus Holz. Dann, als der Herbst näher kam, mahnte ihn seine Frau, dass Gartenmöbel bald nicht mehr zu verkaufen wären. Da erinnerte sich Matthias Grütz an die eigene Krippe zu Hause in Kindertagen, die der Vater gebaut hatte: Schafe auf Streichholzbeinchen, ein Brunnen mit fließendem Wasser, ein Karussell, auf dem sich Hirten und Könige drehten. Eigentümlich, aber „sehr schön“.
Ein Dach über dem Kopf für Maria und Josef
Matthias Grütz tüftelte seine eigene Krippe aus, nur das Häuschen, ein Dach über den Kopf für Maria und Josef. Figuren schnitzt er nicht. Zwei Monate lang arbeitete er an dem Erstling. Als das Stück fertig war, kam zufällig Grütz’ Sohn vorbei. Er knipste ein Foto mit dem Handy, zeigte abends auf einer Party das Werk seines Vaters – und verkaufte es für 300 Euro.
Seitdem hat Grütz etwa 200 Krippen gebaut. Alle zwei Wochen wird eine fertig. Noch immer kein großer Stundenlohn. Abends arbeitet er zu Hause und tagsüber in der Werkstatt, die er sich im Hinterzimmer seines Fotogeschäfts eingerichtet hat. Mit Fotos macht er in der Vorweihnachtszeit ein Drittel seines Umsatzes – den Rest mit Krippen. Mit der Krippe will er sich ins Trockene retten.
Ein bisschen ist er selbst von dem Erfolg überrascht. Denn ein Viertel seiner Krippen hat er im Umkreis von Drolshagen verkauft, in einer Region also, in der der Markt gesättigt ist: „Jeder hat doch eine Krippe“, sagt Matthias Grütz verwundert. Es sind nicht nur junge Familien, die in den Laden kommen, sondern auch 84-Jährige. In die Krippen wird offenbar ein Leben lang investiert.
Export nach Schweden
Mittlerweile verkauft Matthias Grütz deutschland- und europaweit. Bis in den Bayrischen Wald, nach Südtirol und Schweden hat er seine Alpenhäuser verschickt. Jedes ein Einzelstück voller Details: mit Nistkasten am Giebel und Heiligenhäuschen vor der Tür. Mit Brunnen im Vorgarten und Ruhebänkchen neben dem Eingang. Mit Schwalbennest unterm Giebel und Blumenkästen auf dem Balkon. Eine Weihnachtsgeschichte auf einem halben Quadratmeter.