Hagen. . Kliniken in Südwestfalen haben Nachwuchssorgen. Es kommen zwar mehr Babys zur Welt, doch es gibt zu wenig Hebammen. Das führt zu Schließungen.

  • Kliniken in Südwestfalen haben Nachwuchssorgen
  • Babys sind nicht das Problem, sondern fehlende Hebammen
  • Hagener Klinik musste Kreißsaal schließen, weil Hebamme schwanger wurde

Die Kliniken in Südwestfalen haben Nachwuchssorgen. Babys kommen immer mehr zur Welt. Hebammen aber, die dabei helfen, sind schwer zu finden. Mit der Folge, dass das evangelische Krankenhaus in Hagen-Haspe im Sommer dieses Jahres den Kreißsaal vorübergehend schließen musste, nachdem Kolleginnen krank oder schwanger geworden waren.

„Wir bitten alle Frauen zur Geburt in die umliegenden Krankenhäuser zu gehen“, teilte Chefarzt Jacek Kociszewski damals mit. Doch dort sieht es offenbar nicht viel besser aus. Auch das benachbarte Allgemeine Krankenhausin Hagen sucht derzeit nach Hebammen.

Headhunter unterwegs

Die ersten Headhunter aus Hagen haben bereits in Meschede bei Melina Kramer angerufen. Sie ist im Hochsauerlandkreis Vorsitzende des Hebammenverbandes und am Klinikum Arnsberg angestellt. Zumindest dort hat man derzeit keinen Personalengpass nach der Schließung der Kreißsäle in Menden und Meschede, wo auch Melina Kramer zuvor beschäftigt war.

Dagegen fehlt am Helios-Klinikum in Bad Berleburg derzeit eine Hebamme. „Die Suche gestaltet sich in der Tat schwieriger als zu früheren Zeiten, es kann durchaus von einem Mangel gesprochen werden“, so Dörthe Bremer, Pressesprecherin des Hauses. Am Klinikum in Soest waren in diesem Jahr 1,5 von insgesamt 9,75 Posten mehrere Monate vakant. „Früher wurden die Stellen innerhalb weniger Wochen nachbesetzt“, heißt es aus dem Haus. Auch am Gemeinschaftskrankenhaus in Herdecke gibt es immer wieder vakante Stellen für Hebammen. Passende Bewerberinnen zu finden, sei tatsächlich nicht einfach. Mitunter dauert die Suche länger, heißt es aus der Klinik. „Ich würde von einem Mangel sprechen“, so Anette Voigt, Leiterin der Frauenklinik.

Die Statistik der Arbeitsagentur, Regionaldirektion NRW, bestätigt die Eindrücke aus den Kliniken Südwestfalens. In ganz NRW waren im September dieses Jahres 62 Hebammen arbeitslos gemeldet – und 75 freie Arbeitsstellen bei der Agentur verzeichnet. Ein Verhältnis von 0,82 Hebammen auf eine freie Stelle; bei anderen Berufen mit ähnlicher Spezialisierung – wie zum Beispiel Handwerksmeistern – liege die Relation derzeit bei 2,2 Arbeitslosen auf eine der Arbeitsagentur gemeldete Position, heißt es aus der Regionaldirektion.

Personaldecke knapp

Zwar versichert man an den betroffenen Häusern in Südwestfalen, vorübergehende Vakanzen kurzfristig überbrücken zu können. Ein Vergleich der Hebammenstellen an den Kliniken mit den Geburtenzahlen (siehe Grafik) zeigt aber, dass ohnehin bereits „mit enger Personaldecke gefahren wird“, sagt Barbara Blomeier, Vorsitzende des Hebammenverbandes in NRW. Sie fordert eigentlich eine 1:1-Betreuung: eine Hebamme für eine Gebärende, zumindest zum Ende des Geburtsvorganges.

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„In einem der reichsten Länder der Erde müssen sich oft mehrere Frauen und ihre ungeborenen Kinder bei der Geburt eine Hebamme teilen“, so Anette Voigt in Herdecke. „Dies führt auch dazu, dass der Beruf unattraktiv ist, weil die Hebammen die Frauen manchmal nicht adäquat betreuen können. Eine Frau in den Wehen allein zu lassen, ist für Hebammen, die ihren Beruf lieben, sehr belastend.“

Hebammen müssen beim Stillen unterstützen

Tatsächlich müssten sich die Hebammen mancherorts nicht nur um mehrere Frauen in den Wehen kümmern, sondern noch die jungen Mütter auf der Station beim Stillen unterstützen, in der Chefarztsprechstunde aushelfen oder in der Ambulanz, kritisiert Barbara Blomeier. Ein Personalschlüssel ist den Kliniken nicht vorgeschrieben.

Die Fallpauschalen, die die Krankenkassen für eine Geburt zahlten, seien zu niedrig, kritisiert Blomeier, Geburtshilfe sei unterfinanziert. 1200 Euro gibt es nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes für eine normale Geburt mit dreitägigem Krankenhausaufenthalt. Eine Hebamme an der Seite zu haben, müsse „zum Menschenrecht werden, sagt Frauenärztin Voigt. „Die dafür erforderliche deutliche Aufstockung der Stellen in den Geburtskliniken müsste aber auch finanziert werden.“

"Irgendwann geht man auf dem Zahnfleisch"

Viele Hebammen wollten sich die Arbeit an den Kliniken nicht mehr antun, sagt Barbara Blomeier. „Wenn man es in acht Stunden Arbeit nicht einmal schafft, etwas zu trinken, dann geht man irgendwann auf dem Zahnfleisch“, schildert Melina Kramer die Situation mancher Kollegin.

Die Kliniken reagieren mit einer Ausbildungsoffensive auf die Personalengpässe. So bauen drei Kliniken in Siegen derzeit ein gemeinsames Bildungsinstitut für Gesundheitsberufe, an dem in Zukunft auch Hebammen ausgebildet werden. Auch die Helios-Kliniken in NRW, zu denen die Häuser in Attendorn, Schwelm und Bad Berleburg gehören, betreiben in Wuppertal eine eigene Hebammenschule – um so das Nachwuchsproblem zu lösen.