Menden. . Immer mehr Flüchtlinge lassen sich taufen. Die Behörden vermuten Taktik. Eine Pfarrerin und eine Christin zeigen, dass es oft der Glaube ist.
- Immer mehr Flüchtlinge lassen sich taufen
- Behörden prüfen, ob dahinter Taktik steckt
- Pfarrerin und Christin zeigen, dass es der Glaube ist
Immer mehr Asylbewerber lassen sich taufen. Von Muslimen werden sie in Deutschland dafür angefeindet und von Behörden verdächtigt, nur zum Christentum übergetreten zu sein, um ihre Asylchancen zu verbessern.
Sara Shahidirad kommt aus Teheran. 2014 ist sie geflohen. In der Heimat drohten ihr Gefängnis und Todesstrafe, fürchtete sie. Denn es war aufgeflogen, dass sich Sara Shahidirad vom Islam abgewendet hatte, heimlich Bibelkurse besuchte und innerlich zum Christentum konvertiert war. Zuerst, weil sie nur weg wollte vom Islam, von der Religion, die ihr von klein auf Angst gemacht hatte und mit grausamen Strafen in der Hölle drohte, falls sie ihr Haar nicht verhüllte oder im Ramadan nicht fastete.
Der zweite Geburtstag
„Aber ohne einen Gott kann man nicht leben“, ist sie überzeugt. Sie sprach mit einer Freundin in Teheran, die Christin war. Sie bekam Zugang zu den geheimen Bibelkursen dort. Und fand heraus: „Der christliche Gott, der verzeihende Gott ist der, den ich fühlen kann.“
Also floh sie. Im Spätsommer 2014 kam sie in der Erstaufnahmeeinrichtung in Burbach an. Sie besuchte die Gottesdienste, immer mittwochs und sonntags. Zwei Monate später ließ sie sich taufen, am 27. Oktober. „Das ist mein zweiter Geburtstag“, sagt sie lächelnd.
Mittlerweile lebt sie in Iserlohn und hält enge Kontakte zur evangelischen Kirche in Menden, wo sich die konvertierten Christen aus dem Iran willkommen fühlen – seit jenem Sonntag im Herbst 2015. Die Glocken läuteten, der Gottesdienst begann. Da öffneten sich nach wenigen Minuten die Kirchtüren, erinnert sich Pfarrerin Dorothea Goudefroy. Kurz darauf gingen sie erneut auf, dann wieder. „Es kamen immer neue Menschen herein. Menschen mit dunklen Haaren und brauner Haut“, so die Pfarrerin. Am Ende stellten die Flüchtlinge ein Drittel der Gottesdienstbesucher. „Das war der Anfang.“
Die Flüchtlinge kamen immer wieder. Zum Gottesdienst. Zum Kirchcafé danach. Die Gemeinde beschloss, die Lesung auch auf Farsi zu halten, weil das Verstehen so wichtig sei im protestantischen Gottesdienst, so Pfarrerin Goudefroy. Mittlerweile hat die Pfarrerin mindestens 30 Flüchtlinge getauft. Und jede Taufe ist auch für Dorothea Goudefroy ein bewegender, intimer Moment. Wenn sie danach den Menschen in die Augen sehe, erkenne sie an den Blicken: „Die wissen genau, was sie tun.“
Die gründliche Prüfung
Wie genau – davon überzeugt sich die Pfarrerin lange vor der Taufe. Etwa in den Gottesdiensten: „Ein Besuch reicht nicht“, sagt die Pfarrerin. Sie lässt sich nicht unter Druck setzen – etwa weil ein Anhörungstermin vor dem Bundesamt für Migration ansteht. Natürlich könne sie den Leuten nur vor den Kopf gucken. Doch wenn sie die Lebensgeschichten der Flüchtlinge höre, wenn ein junger Mann mit Tränen in den Augen erzähle, wie in seiner Heimat die Geheimpolizei seine Kirche entdeckte und den Pfarrer verhaftete, „dann habe ich keinen Grund, daran zu zweifeln“.
Dass die Entscheider beim Bundesamt für Migration es tun, ärgert sie umso mehr. Es gebe eine steigende Zahl von abgelehnten Asylanträgen von Getauften „mit äußerst problematischen Begründungen“, hat auch der Beauftragte für Zuwanderungsarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen vor Kurzem kritisiert. Dorothea Goudefroy hat mehrere ihrer Schützlinge zur Anhörung begleitet: „Die Entscheider fragen sehr kritisch nach“, erzählt sie. Dass man ihr damit unterstellt, „die Taufanwärter nicht selbst gründlich zu prüfen“, ärgert sie. „Das tun wir sehr wohl – mit offenem und weitem Herzen.“
Sara Shahidirad hat die Taufe nichts genutzt. Ihr Asylantrag ist abgelehnt worden. Gegen den Entscheid hat sie geklagt. Von manchen Muslimen in Deutschland spürt sie Ablehnung, weil sie konvertiert ist: „Wenn ich erzähle, dass ich Christin bin, verändern sich die Gespräche.“ Sie lächelt gelassen trotz dieser Schwierigkeiten: „Ich habe meinen Glauben.“