Büsum. . Weil die alternden Mediziner keine Nachfolger finden, richtet die Nordsee-Gemeinde selbst ein Praxiszentrum her und stellt die Ärzte ein.

  • Die alternden Mediziner der Nordsee-Gemeinde fanden keine Nachfolger
  • Deshalb richtete die Stadt selbst ein Praxiszentrum her und stellt die Ärzte ein
  • Der ärztliche Nachwuchs scheut die Selbstständigkeit und möchte auch Teilzeit arbeiten

Die beiden Damen an der Rezeption lächeln einladend, das Gebäude wirkt freundlich und beherbergt neben fünf Ärzten eine Apotheke, eine Praxis für Physiotherapie, eine Heilpraktikerin und ein Pflegebüro. Geplant ist noch ein Schulungszentrum für Gesundheitsprävention. Doch das alles ist nicht der Grund, aus dem Verantwortliche für die ärztliche Versorgung aus ganz Deutschland auf das Ärztezentrum Büsum schauen. Was Interesse erregt und als „Büsumer Modell“ firmiert ist die Organisation hinter den Kulissen: Erstmals in Deutschland hat eine Gemeinde die Ärzte angestellt.

„Das war die Reaktion auf eine Notlage“, sagt Harald Stender. Er ist der hausärztliche Koordinator des Kreises Dithmarschen, zu dem Büsum gehört. Der 5000-Einwohner-Stadt drohten die Ärzte auszugehen. Der Altersschnitt der Hausärzte lag bei 63 Jahren, die Suche nach Nachfolgern gestaltete sich schwierig - wie vielerorts auf dem Land, auch in Südwestfalen. „Bei uns kommt noch etwas hinzu“, sagt Bürgermeister Hans-Jürgen Lütje: „Wir sind ein Heilbad. Diesen Status zu erhalten, ist wichtig.“ Und ohne Badearzt geht das nicht.

Der Druck war hoch

Der Druck war also hoch. Und die Lage speziell: Vier der fünf Ärzte hatten ihre Praxis in einem Haus am Markt. Einzelpraxen. Und die wollte keiner übernehmen. „Junge Ärzte scheuen die Selbstständigkeit“, hat Thomas Rampoldt, Geschäftsführer des 2015 eröffneten Ärztezentrums, erfahren. Also entschloss sich die Gemeinde, das Gebäude zu kaufen, umzubauen und junge Ärzte anzustellen. Investitionssumme: 5 Millionen Euro. „Unsere einzige Alternative wäre gewesen, den Kopf in den Sand zu stecken“, meint der Bürgermeister.

Finanziell soll sich d as rechnen. 2015 und 2016 gab es geringe Verluste, für dieses Jahr wird eine schwarze Null erwartet und für 2018 ein Überschuss, der in Investitionen fließen soll. „Inzwischen gibt es noch weitere gemeindeeigene medizinische Versorgungszentren“, sagt Rampoldt. „Das Modell passt sicher nicht überall, aber wir können es guten Gewissens weiterempfehlen“, betont Lütje.

Und die bislang selbstständigen Ärzte finden das gut? „Sie haben sich um ihre Patienten gesorgt“, berichtet der Geschäftsführer. „Einer hat noch mit 72 gearbeitet.“ Und ohne Nachfolger wäre es auch schwierig gewesen, die Immobilie zu verkaufen. Finanziell seien keine Einbußen zu erwarten: „In den Verträgen ist ein Festgehalt vereinbart und eine erfolgsabhängige Komponente“, sagt Rampoldt. „Bei gleichem Umsatz führt das zum gleichen Verdienst.“

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Ganz wichtig auch: „Die Ärzte können nur Ärzte sein, wir kümmern uns um den Rest.“ Normalerweise nehme der bürokratische Aufwand 20 Prozent der Arbeitszeit ein. Und speziell Einsteiger haben Angst vor Aufgaben wie Personalführung und Finanzplanung.

Inzwischen arbeiten im Büsumer Zentrum zwei Ärztinnen in Teilzeit, die sich auch intensiv um ihre Kinder kümmern wollen. Früher haben die Ehefrauen der männlichen Ärzte die Praxis organisiert. Aber so ist die Welt nicht mehr.

Und die Patienten? Sie können weiter zu „ihrem“ Arzt – wenn er da ist. Die Praxis ist anders als zuvor auch mittwochs und freitags am Nachmittag geöffnet, es gibt keine Urlaubs-Schließung. Thomas Rampoldt ist überzeugt: „Die Menschen sind zufrieden. Auch weil sie wissen, dass die Versorgung für die Zukunft gesichert ist.“

60 Prozent der Bürger über 60

Und in der werden eher noch mehr Ärzte gebraucht: „60 Prozent der Büsumer sind über 60“, weiß der Bürgermeister. „Und wir haben viele Zuzügler im Rentenalter.“ Aber auch für die jüngeren gelte: „Die entscheidenden Faktoren für die Infrastruktur sind Schulen und die ärztliche Versorgung.“

Für die Ärzte selbst sind Schulen und Kitas ebenfalls wichtig. „Es stimmt nicht, dass junge Leute nicht aufs Land wollen“, sagt Rampoldt. „Es kommt aufs Umfeld an.“ Auch auf der Insel Pellworm sei es gelungen, die Versorgung sicherzustellen: „Es gibt solche Leute.“ Man müsse sie eben beim Management unterstützen. Dann arbeiten angestellte Ärzte genau so gut? „Die Selbstausbeutung ist nicht so intensiv“, sagt Stenger. „Aber Arzt für 24 Stunden an sieben Tagen die Woche gibt es eben nicht mehr.“