Altena/Mossul. . 28-jähriger stammt aus dem von IS-Terrormilizen besetzten Mossul. Nachrichten von der Befreiung der Stadt nimmt der Mediziner skeptisch auf
- 28-jähriger Iraker stammt aus dem von IS-Terrormilizen besetzten Mossul
- Nachrichten von der Befreiung der Stadt nimmt der Mediziner skeptisch auf
- Sein Traum ist eine eigene Praxis in Altena
Akute Pankreatitis. Klingt nicht gut. Ist es auch nicht. Trotzdem, Fahad Al Azzawi schmunzelt: „Es handelt sich um eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse.“ Und wiederholt: „Bauchspeicheldrüse. Ein komisches Wort.“ Für ihn besonders.
Auf Latein und Englisch hat der 28-Jährige aus Mossul die medizinischen Fachbegriffe im Kopf. „Jetzt fehlt noch Deutsch.“ Der Arzt für Innere Medizin kämpft um die Anerkennung seiner Qualifikation und braucht die Deutschkenntnisse, um hier arbeiten zu können. „Jetzt gehe ich für sechs Monate nach Frankfurt, um sechs Stunden am Tag zu lernen.“
Der junge Mann, der älter aussieht, hat Ehrgeiz. Am Ufer der Lenne lässt sich bei herrlichem Sonnenschein gut reden. Hinter dem Iraker liegt die Hölle. Im August 2015 hat er Mossul verlassen.
„Die Flucht war mein Geheimnis. Meinen Eltern habe ich erst eine Stunde, bevor ich gegangen bin, von meinen Plänen erzählt.“ So spät? „Um uns alle zu schützen. Wenn die Flucht vorher bekannt geworden wäre, hätte man mich getötet.“ Er arbeitet als Assistenzarzt in der Notaufnahme im Kinderkrankenhaus Al-Khansa, bis ihn die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) rekrutieren will. „Sie haben gesagt, sie brauchen Chirurgen. Ich wollte ihre Soldaten nicht behandeln. Außerdem hatte ich kaum Erfahrung mit Operationen. Sie sagten, besser als nichts.“
Kein Wasser und kein Strom
Für ihn ist es der Zeitpunkt, die Stadt zu verlassen. „Der Schlepper bis in die Türkei hat 700 US-Dollar gekostet. Von der Türkei nach Griechenland, der schwierigste Abschnitt, waren es 2000 Euro.“
Vor der griechischen Insel Kos sinkt das Boot, er schwimmt zurück, flieht über das Festland und macht sich ohne Pass über die Balkan-Route auf nach Deutschland.
Woher das Geld kommt? „Ich hatte gespart. 44 Tage war ich unterwegs.“ Warum Deutschland? „Ich hatte gehört und gelesen, dass ich in Deutschland bessere Chancen habe, in einem Krankenhaus zu arbeiten als in anderen EU-Ländern.“ Außerdem hätten ihm Freunde, die bereits in Deutschland waren, viel Positives erzählt. Er lächelt: „Ich war in Griechenland, als Frau Merkel ,wir schaffen das’ gesagt hat. Das war für mich eine zusätzliche Motivation.“
Dass Mossul vom IS befreit ist, mag er nicht glauben. Freunde melden ihm aus der Stadt, in der die Dschihadisten Tausende getötet, vertrieben und als Schutzschild missbraucht hätten, andere Nachrichten. „Es ist immer noch sehr gefährlich.“ Selbstmordattentäter und Scharfschützen hielten sich in Verstecken auf. Wasser und Strom gebe es nicht. Überall seien Minen versenkt worden. Und die Jubelfeiern für den Sieg über den IS sollen von der irakischen Regierung angeordnet worden sein.
Stadt liegt in Schutt und Asche
Die Bilder, die ihn erreichen, lassen ihn mit den Schultern zucken. Mossul liegt in Schutt und Asche. „Der Westen mit der Altstadt ist zerstört.“ Heimweh? „Nein“, sagt Fahad Al Azzawi und holt Luft. „Es ist aber schwer, ein neues Leben in einem Land mit einer anderen Kultur und Mentalität anzufangen.“ Aber, das versichert er, „ich will nicht aufgeben“. Sein Traum? „Ich will in Frieden leben und in meiner Praxis arbeiten.“ Seine Aufenthaltsgenehmigung ist für drei Jahre verlängert worden. „Endlich.“ Eine Last fällt von ihm ab. Er kann befreit lernen. Wieder so ein seltsames Wort. „Gallenblasentzündung. Kenne ich als Cholezystitis.“