Hagen/Düsseldorf. . Mehr Polizisten auf der Straße? Das Versprechen der neuen Landesregierung sehen Gewerkschafter nicht erfüllt. Landräte bleiben aber gelassen.
- Streit um Polizeistellen: SPD wirft Regierung Wortbruch vor
- Gewerkschafter kritisieren Abbau von Stellen im Streifendienst
- Landräte sehen die Einsatzlage nicht gefährdet
Weil in diesem Jahr in zahlreichen Polizeibehörden nicht mehr, sondern weniger Beamte eingesetzt werden, wirft die SPD-Opposition der Landesregierung Wortbruch vor. „Schon nach drei Wochen bricht Schwarz-Gelb das zentrale Wahlversprechen, für mehr Polizei zu sorgen. Das ist ein Skandal“, sagte der frühere NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) dieser Zeitung.
Keine Einbußen?
Die Polizeigewerkschaft GdP hatte sich darüber beklagt, dass bei der Verteilung der Polizeistellen im Land zum 1. September 29 von 47 Behörden weniger Beamte bekommen sollen. Laut Kutschaty sind die Steuerkassen im Land „prall gefüllt“. Es sei also kein Problem, die für 2018 angekündigten 500 zusätzlichen Polizeiverwaltungsassistenten alle schon im laufenden Jahr einzustellen und so die personellen Lücken zu stopfen.
Das Innenministerium machte eine andere Rechnung auf: 2017 würden zunächst 100 Verwaltungsassistenten eingestellt, damit gebe es bei den meisten Polizeibehörden keine Einbußen beim Personal.
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„Tatsächlich aber haben wir ein Minus“, sagt Bodo Gleiß, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Kreisgruppe Hagen. Zwar gehört Hagen zu den Behörden, die der Planung zufolge sogar ein Plus bei den Polizeistellen haben (+ 3,9). Diese Stellen würden aber im Bereich Staatsschutz geschaffen, sagt Gleiß. Bei den Polizisten, die draußen in der Stadt unterwegs sein, habe man hingegen zwei Stellen weniger, rechnet Gleiß vor, der auch Personalratsvorsitzender ist. Das schwarz-gelbe Versprechen im Wahlkampf lautete aber: „Mehr Polizisten auf die Straße“.
Von den Verwaltungsassistenten, die den Polizisten künftig die Bürokratie abnehmen sollen, verspricht sich Bodo Gleiß auch wenig: „Auf einer Innenstadtwache mit Dreischichtbetrieb fallen keine Aufgaben an, die ein Assistent übernehmen könnte“, so Bodo Gleiß. „Das ist etwas für die Kriminalpolizei.“
Minus zu verschmerzen
„Wir sind enttäuscht“, sagt Michael Kaufhold von der GdP im Märkischen Kreis. 3,9 Stellen büßt man dort dem Planungsentwurf zufolge ein. Am Ende werden es noch mehr Stellen sein, weiß Kaufhold aus Erfahrung. Denn angesichts der Sicherheitslage würden die Polizisten, die ihre Ausbildung beendeten, zunächst in Landesoberbehörden und Brennpunktgebiete geschickt, bestätigt sein Kollege Achim Henkel aus dem Kreis Olpe. „Der Rest wird dann verteilt“, so Henkel. Und weil das Tischtuch nun einmal zu kurz sei, kämen auf dem Land noch weniger Kräfte an als zunächst vorgesehen, so seine Befürchtung. Dass man jeden Kollegen ersetzen kann, der in diesem Jahr in den Ruhestand tritt, daran glaubt Henkel nicht.
„Die Ankündigungen haben anders geklungen“, wundert sich auch der Olper Landrat Frank Beckehoff (CDU) ein wenig über den Planungsentwurf, fügt dann aber hinzu: „Das ist kein großes Problem.“ Man habe im Kreis in den vergangenen Jahren beim Polizeipersonal nur wenig Abschläge hinnehmen müssen im Vergleich zu anderen Kreisen. „Wir sind immer ganz gut weggekommen.“ Da könne man ein Minus von nicht einmal einer halben Stelle verschmerzen, so der Landrat.
Zehn Prozent Verlust
Das sieht man in benachbarten Kreisen anders. Zehn Prozent der Stellen habe man seit der Jahrtausendwende eingebüßt, so Michael Kaufhold. Diese 60 Posten hätte er gern angesichts neuer Entwicklungen, Herausforderungen und Aufgaben wieder zurück – und nennt den G20-Gipfel als Beispiel, für den auch der Märkische Kreis Kollegen abstellen musste.
Zehn bis 15 Kollegen mehr statt einer halben Stelle weniger – das wünscht sich Stefan Didam von der GdP im Hochsauerlandkreis. Aber gerechnet hatte er mit einem Zuwachs ohnehin nicht. Zwar bildet das Land nun mehr Polizeianwärter als bisher geplant. „Aber bis die fertig sind, das dauert eben mindestens drei Jahre.“
Hohe Abbrecherquote
Die neue Landesregierung könne eben nur die Stellen verteilen, die von der Vorgängerregierung bewilligt worden seien, nimmt Karl Schneider (CDU), Landrat im HSK Schwarz-Gelb in Schutz. Die Einsatzlage im Hochsauerland sei derzeit zu bewältigen und die Wachen in ihrem Bestand nicht gefährdet, so der Landrat.
Der aktuelle Ausbildungsjahrgang hatte vor drei Jahren mit 1500 Kommissaranwärtern begonnen. Einer der Gründe, warum nun gerade das Personal knapp wird, ist offenbar eine ungewöhnlich hohe Abbrecher- und Durchfallquote bei Polizisten in der Ausbildung. Sie liegt derzeit bei zwölf Prozent, sagt das Innenministerium. Üblich ist eine Abbrecherquote von weniger als neun Prozent.