Hagen. . Fähren und Züge sind häufig die einzigen Verbindungen der Inseln zum Festland. Berufspendler klagen über Bahn-Chaos in Richtung Sylt.

  • Abgeschnitten vom Festland: Fähren und Züge sind häufig die einzigen Verbindungen zu den Inseln
  • Berufspendler nach Sylt klagen seit Monaten über Zugverspätungen und -ausfälle
  • Bürgermeister von Baltrum schlägt Seilbahn zwischen Neßmersiel und der ostfriesischen Insel

Es hört sich wie ein schlechter Ostfriesen-Witz an, ist aber eine Geschichte, die das Leben schrieb. Zwei Schulklassen aus Wiesbaden verpassten kürzlich die Fähre nach Juist, weil ein falsch eingestelltes Navigationsgerät den Bus nicht nach Norddeich in Niedersachsen lotsen wollte, sondern in das gleichnamige Dorf in Schleswig-Holstein. Den 54 Schülern und vier Lehrern blieb nur eine Schulturnhalle als Notunterkunft für eine Nacht. Eine solche Verwechslung auf dem Weg in den Nordsee-Urlaub ist offenbar kein Einzelfall. Und ein Beleg dafür, wie beschwerlich bisweilen die Anreise für Insel-Touristen sein kann: Denn es ist, wie es ist: Inseln sind abgeschnitten vom Festland. Eine Fähre (oder eine Bahn) ist oft die einzige Verbindung vom Fest- zum Eiland.

7000 Pendler in der Hauptsaison

Der Weg nach Sylt führt seit 90 Jahren über den Hindenburgdamm. Für Urlauber wie für Pendler. „Er ist unsere Lebensader“, sagt Achim Bonnichsen. Der Fliesenlegermeister aus Klixbüll („5 Kilometer von Niebüll entfernt“) gehört zu den 7000 Pendlern in der Hauptsaison, die auf der größten deutschen Nordseeinsel arbeiten. „Über 15 Minuten Zugverspätung regt sich keiner mehr auf“, sagt der Firmeninhaber, der die Facebook-Gruppe „NOB Pendler Husum-Westerland“ gegründet hat, „man arrangiert sich.“

Und doch: Menschen, die für 8,5 Stunden Arbeit bezahlt werden, sind an manchen Tagen 14 Stunden vom Wohn- zum Arbeitsort und zurück unterwegs. Das alles seit Ende Oktober 2016, als alle 90 Reisezugwagen der Nord-Ostsee-Bahn (NOB) wegen Kupplungsschäden aus dem Verkehr gezogen wurden. Auch der Nachfolgebetreiber der Strecke, die DB-Regio (Dezember 2016), muss trotz Ersatzkonzept Verspätungen, Ausfälle und veraltetes Bahn-Material erklären. „Die Wagen müssten H-Kennzeichen wie bei Autos für ein Alter über 25 Jahre haben“, sagt Bonnichsen mit Galgenhumor. Wiewohl: „Hier fahren 40 Jahre alte Züge.“

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Ausrangierte Loks und Wagen

Es sind überwiegend ausrangierte Wagen und Loks, die derzeit auf der Regionalbahn-Strecke zwischen Hamburg und Westerland eingesetzt werden. Zusammengesucht aus der ganzen Republik - was seltsame Blüten treibt, wenn der Zug im hohen Norden die Aufschrift „Regionalbahn Südbayern“ trägt. „Bei den Loks herrscht eine so große Artenvielfalt, dass sie aufgrund der unzureichend geschulten Lokführer sehr störungsanfällig sind“, sagt Bonnichsen. Auch wenn die Zeiten weitgehend vorbei sind, dass Passagiere wegen überfüllter Züge am Bahnhof nicht zusteigen können, ist die Platznot - neben kaputter Sitze und defekter Toiletten - weiter ein Thema: „Wir nutzen zu den Hauptverkehrszeiten jeden Quadratzentimeter aus.“

Bei Fernreisezügen - und das ist die gute Nachricht für Urlauber aus NRW - ist die Situation anders. „Im IC“, sagt Achim Bonnichsen, „haben Sie reservierte Sitzplätze - und Klimaanlagen...“

Ablehnung im Baltrumer Rat

Apropos Klima und Ökologie: Einen aus seiner Sicht „ökologisch wertvollen und keinesfalls scherzhaft gemeinten Vorschlag“ hatte Baltrums Bürgermeister und Kurdirektor Berthold Tuitjer im vergangenen Jahr.

Um den Nationalpark Wattenmeer von den Abgasen der Schiffs­diesel zu entlasten, sollte anstelle einer Fähre eine von Windenergie angetriebene Seilbahn zwischen Neßmersiel und der kleinsten ostfriesischen Insel verkehren. Im Baltrumer Rat ging Tuitjer mit fliegenden Fahnen unter. Aber: Der Verwaltungschef sieht sich mit einem langen Atem: „Das Thema ist in der Welt. Und wenn schon Städte über Seilbahnen nachdenken, warum nicht auch eine Insel, die dadurch einen Ganzjahrestourismus sicher stellen könnte?“

Insel nicht immer erreichbar

Baltrum leide darunter, dass sie nicht immer erreichbar ist, so Tuitjer weiter. „Für Urlauber mag ja eine von den Gezeiten abhängige Anreise per Fähre entschleunigend wirken, für Pendler ist es alles andere als erbaulich.“ Dies erschwere die Suche nach Fachkräften.

Tuitjers Planungen sahen eine Pendelbahn mit zwei großen Kabinen vor, die in acht Minuten den Weg vom Festland zur Insel bewältigen. „Wir haben ausgerechnet, dass mit einem Preis von 2 Euro alle Fixkosten abgedeckt sind“, sagt der Bürgermeister. Eine Hin- und Rückfahrt mit der Fähre kostet für Erwachsene 29 Euro.