Meschede. . Der neue Deutsche Meister über die 400-Meter-Distanz spricht englisch. Doch die Wiege des aufstrebenden Deutsch-Amerikaners stand mitten im Sauerland.
- Luke Campbell lief bei der Deutschen Meisterschaft über 400 Meter Hürden allen davon
- Der Deutsch-Amerikaner wechselte aus den USA zu Eintracht Frankfurt
- Seine Wurzeln hat der aufstrebende Leichtathlet jedoch in Meschede im HSK
Manchmal braucht es keine Worte. Was die Goldmedaille bei den Deutschen Meisterschaften in Erfurt bei Luke Campbell auslöste, ließ sich in seinem Gesicht ablesen: Der in Meschede im Sauerland geborene Hürdenläufer wurde von seinen Emotionen regelrecht überwältigt. „It was kind of surreal. I was pretty shocked“, sagt der Deutsch-Amerikaner am Tag nach seinem Triumph – es fühlte sich unwirklich an für den „etwas geschockten“ Leichtathleten, der sich in sensationeller Manier den Titel über die 400-Meter-Strecke geholt hatte.
Der 22-Jährige war auf Bahn sechs im Steigerwaldstadion ins Finale gegangen und das als Favorit. Zumindest für alle jene Experten, die schon am Samstag die Vorläufe genau beobachtet hatten. Da hatte der in der breiten Öffentlichkeit noch unbekannte Newcomer bereits einen bärenstarken Eindruck hinterlassen.
Eine Demonstration der Stärke
Doch als es an die Entscheidung ging, packte Campbell den besten Hürdenlauf seines Lebens aus: 49,40 Sekunden bedeuten eine neue persönliche Bestzeit, fast eine Sekunde betrug Campbells Vorsprung auf seinen Frankfurter Mannschaftskollegen Georg Fleischhauer auf Platz zwei. Es war eine Demonstration der Stärke gegenüber der Konkurrenz, die im Finale trotz mehrerer Saison-Bestleistungen und persönlichen Rekordzeiten etliche Meter hinter Campbell ins Ziel gekommen war.
Und doch war das Rennen nur fast perfekt: Um fünf Hundertstelsekunden verfehlte Campbell die Norm für die Weltmeisterschaften im August in London. „Ein bisschen traurig macht mich das schon“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung, „im internationalen Vergleich würde meine Zeit reichen. Der deutsche Verband ist da aber streng.“
Im Gefühlsgemisch überwiegen die positiven Empfindungen jedoch klar. „Es ist ein unglaublich, dass ich jetzt Deutscher Meister bin. Das bedeutet mir unheimlich viel.“ Gleiches gilt für seine fabelhafte Zeit. Oder um Campbell im Wortlaut zu zitieren: „I appreciate that very much.“ Lucky Luke, ein glücklicher Campbell.
Doch warum spricht der Deutsche Meister englisch? Und was hat es mit seiner Herkunft auf sich? Gemeinsam mit seiner Mutter Anne erzählt Campbell uns seine Geschichte. Sein Vater Patrick war als amerikanischer Soldat in Deutschland stationiert, und als der kleine Luke etwa anderthalb Jahre alt war, zog die Familie in die amerikanische Heimat des Papas – genauer: nach Maryland an der mittleren Ostküste. „Schon als Schulkind hat Luke sehr gerne Sport getrieben. Fußball, Basketball, Leichtathletik, das hat ihn alles interessiert“, sagt Anne Campbell.
Erst relativ spät hat sich Campbell dann auf die technisch durchaus anspruchsvolle Hürden-Disziplin spezialisiert. „Das war im zehnten Schuljahr auf der Highschool“, berichtet der Läufer. Später, als Student am College von Salisbury, nahm die sportliche Karriere richtig Fahrt auf: Elf nationale Titel sammelte Campbell über 60, 110 und 400 Meter Hürden ein.
Verbindung in die Heimat
Die Verbindung in die Heimat blieb. Weniger, weil Brunswick, Campbells Heimatstädtchen nach der amerikanischen Version von Braunschweig klingt, sondern wegen der familiären Bande. Über die Agentur „World Express Management“ wurde in diesem Frühjahr der konkrete Kontakt zu zwei deutschen Leichtathletikklubs hergestellt: „Ich wollte immer zurück in die deutsche Heimat. Jeweils eine Woche lang habe ich mir dann bei Bayer Leverkusen und Eintracht Frankfurt alles angeschaut“, erzählt der junge Mann mit der doppelten Staatsbürgerschaft.
Die Eindrücke gaben schließlich den Ausschlag für die Hessen, seit Mai ist Campbell nun ein Frankfurter. „Ich bin toll aufgenommen worden, alles ist sehr familiär. Deshalb ist es mir nicht schwergefallen, mich zurechtzufinden.“ Nur mit seinen – allemal manierlichen – Deutschkenntnissen ist Campbell noch nicht ganz so zufrieden. „Die Sprache zu beherrschen ist ja unabdingbar“, sagt der ehrgeizige Sportler, der nun „kräftig trainiert“ – sowohl auf der Laufbahn als auch abseits der Sportstätten – deutsche Vokabeln.
Ein bisschen gefeiert hat Campbell seinen Meistertitel aber auch. „Ganz ruhig, mit der Familie“ – und das heißt: im Sauerland. Dort hat er nach der DM bei seinem Onkel Andreas Thiele Station gemacht, bevor es wieder nach Frankfurt geht. In Meschede wird deutsch und englisch munter durcheinander gesprochen, wenn die Verwandtschaft darüber diskutiert, ob nicht doch noch eine kleine Möglichkeit besteht, sich kurzfristig für die WM in London zu qualifizieren. Sollte es nicht klappen, gibt es aber auch schon ein reizvolles Fernziel: Die Olympischen Spiele 2020 in Tokio.