Lippstadt. . Das Geschäftsjahr ist für Hella gerade erst einen Monat alt, da gibt es schon eine Wachstumsprognose. Es hat viel mit den Innovationen zu tun.

  • Hella entwickelt „revolutionären“ LCD-Scheinwerfer mit und für Porsche
  • Erfolg nach Ungewissheit bei dreijährigem Projekt mit einem halben Dutzend Partnern
  • Entscheidenden Anteil hat Pharma- und Chemiekonzern Merck mit seinen Flüssigkristallen

Wenn es so weiter geht, dann wird die Nacht bald zum Tag gemacht. Es gibt etwas zu feiern: Unsere Ingenieure. Rund um des Deutschen liebstes Spielzeug, das Auto, laufen sie zu immer neuer Höchstform auf. Zum Beispiel beim Licht. Natürlich beim Licht- und Elektronikkonzern Hella, der mit acht bis zehn Prozent Wachstum in diesem Geschäftsjahr rechnet, getrieben von Innovationen. Jüngstes „Baby“ der Lippstädter sind LCD-Scheinwerfer, entwickelt mit und für Porsche mit blendenden Aussichten, selbst Nachtblinden einen grandiosen Durchblick auf der Straße zu verschaffen. In Serie ab 2020.

Kristalle vom Pharmariesen Merck

Vom Start des Projektes im Jahr 2013 bis heute war es ein spannender Weg, den Hella und Porsche gemeinsam mit einer Reihe von Partnern gingen. Einen kennt man eher aus der Pharmabranche: Merck. Das Darmstädter Unternehmen, gegründet 1668, kann nicht nur Pillen. Es ist weltweit das Maß der Dinge, wenn es um hochleistungsfähige Flüssigkristalle geht. Viele tragen im Smartphone längst Darmstädter Technik herum. Beim Thema LCD-Display war Merck mit einem Jahrhundert Erfahrung bei Flüssigkristallen erste Wahl.

Der Erfolg war keine Selbstverständlichkeit. Ingenieur Carsten Wilks, Leiter der Licht-Vorentwicklung bei Hella, strahlt mit dem Panamera-Scheinwerfer um die Wette.
Der Erfolg war keine Selbstverständlichkeit. Ingenieur Carsten Wilks, Leiter der Licht-Vorentwicklung bei Hella, strahlt mit dem Panamera-Scheinwerfer um die Wette. © Ralf Rottmann

Wie wichtig dieses Know-how für den jetzt vorgestellten Scheinwerfer ist, haben die Hella-Ingenieure sehr schnell begriffen. „Die ersten Versuche haben wir mit einer Kunststoffstreuscheibe gemacht. Die ist ruckzuck geschmolzen“, sagt Carsten Wilks, Leiter der Licht-Vorentwicklung bei Hella. Basis des neuen LCD-Scheinwerfers sind LED - und die werden eben ziemlich warm, wenn sie leuchten. „Wir haben das Thema LCD nach 15 Jahren neu entdeckt. Die Basis ist der Matrix-LED-Scheinwerfer“, sagt Hella-Entwicklungschef Michael Kleinkes. Ein voll elektronisch gesteuerter LED-Scheinwerfer wird beispielsweise in der Mercedes-E-Klasse verbaut, und er kann viel.

Was den Scheinwerfer noch besser macht

Was den Porsche-Scheinwerfer besser macht? Der LCD-Scheinwerfer schafft 30 000 Bildpunkte, der Matrix-Scheinwerfer verfügt über 84 ansteuerbare LED. Wenn Hellasprecher Markus Richter die Prognose wagt, dass „LCD das Zeug hat, die Scheinwerfer zu revolutionieren“, könnte man PR vermuten. Aber, das Porsche-Licht kann bis 765 Millionen verschiedene Bilder projizieren, und zwar in ungeheurer Geschwindigkeit. 45,9 Milliarden Einzelbilder pro Sekunde sind laut Hersteller möglich. Die Ausleuchtung der Straße und alle weiteren Funktionen laufen so viel geschmeidiger als bei LED-Scheinwerfern heutigen Standards.

Im Lichtkanal zeigt Hella die Unterschiede zwischen Matrix-LED- und LCD-Scheinwerfer. Bei der Neuentwicklung läuft alles sehr geschmeidig ohne ruckeln.
Im Lichtkanal zeigt Hella die Unterschiede zwischen Matrix-LED- und LCD-Scheinwerfer. Bei der Neuentwicklung läuft alles sehr geschmeidig ohne ruckeln. © Ralf Rottmann

Scheinwerfer müssen heute mehr können als nur Licht. Sie zeigen den Straßenverlauf an, führen mit Lichtmarken durch Engpässe in Baustellen, sie lenken die Aufmerksamkeit auf Straßenschilder oder drohende Hindernisse, kommunizieren sogar mit Fußgängern. Vor allem müssen sie Informationen bei voll automatisierten Fahrzeugen dem „Gehirn“, einem Computer, zuverlässig in Echtzeit liefern. Das ist eine große Herausforderung. Wenn im TV das Bild beim Betrachter eine Sekunde später ankommt als beim Nachbarn, dann ist das ärgerlich, wenn bei einem Fußballspiel nebenan schon gejubelt wird. Es ist aber kein Beinbruch. „Beim Auto geht das nicht. Eine Sekunde sind bei 100 km/h 28 Meter Strecke. Eine Verzögerung können wir uns nicht erlauben“, sagt Wilks. Leuchtet ein.

2019 jedes vierte neue Auto mit LED

Was sich nach High-End anhört und ja zunächst mit Porsche auch im Premiumsegment beginnt, wird nicht lange bloß solventen Autokäufern vorbehalten bleiben, glaubt der Ingenieur: „Dass LCD in Zukunft auch mindestens in der Mittelklasse zu finden sein wird, da bin ich ziemlich sicher.“ Je schneller die Entwicklungen voranschreiten, ob bei LED, LCD oder Laserlicht, desto schneller wird die Technik billiger. Schon 2019 dürfte fast jedes vierte Neufahrzeug mit LED ausgestattet sein, davon nur fünf bis sechs Prozent im Highend-Segment. In Europa, schätzen die Experten, werde 2020 bereits die Hälfte der Autos mit dieser Technik ausgestattet sein.

Diskussion bei der Vorstellung im Lichtkanal bei Hella in Lippstadt.
Diskussion bei der Vorstellung im Lichtkanal bei Hella in Lippstadt. © Ralf Rottmann

Das Thema LCD war sogar für d i e Lichtexperten aus Lippstadt keine gewöhnliche Innovation. „Vor drei Jahren wussten wir nicht, ob es tatsächlich klappt“, sagt Carsten Wilks ganz offen und ebenso gelöst bei der exklusiven Präsentation im Lichtkanal in Ostwestfalen.

Ein halbes Dutzend Projektpartner

Am Hella-Porsche-LCD-Scheinwerfer sind Merck (Chemie), Elmos (Chiphersteller aus Dortmund), Schweizer(Halbleiterhersteller aus dem Schwarzwald) und das Institut für Großflächige Mikroelektronik (IGM/Uni Stuttgart) beteiligt. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesforschungsministerium.

Die Uni Paderborn untersucht bis September, wie sich Probanden auf die Steuerung durch den LCD-Scheinwerfer beim Fahren beeinflussen lassen.