Hagen. . Ab dem 1. Juli haben mehr Alleinerziehende Anspruch auf einen Unterhaltsvorschuss. Das Bedeutet für Kommunen Bürokratie und Mehrkosten.

  • Staat schießt ab 1. Juli Unterhalts- Leistungen bis zum 18. Lebensjahr vor
  • Wenn die Alleinerziehenden Hartz IV für die Kinder beziehen, wird der Unterhaltsvorschuss vom Arbeitslosengeld II abgezogen
  • In Hagen beträgt die Rückholquote knapp zehn Prozent

Vater Staat hat viele Söhne und Töchter – zum 1. Juli werden es noch mehr. Wenn der Ex-Partner keine Alimente für die Kinder zahlt, dann schießt der Staat den Alleinerziehenden den Unterhalt vor. Bislang allerdings höchstens sechs Jahre lang und nur, bis die Kinder zwölf Jahre alt sind. Das ändert sich nun zum Monatswechsel.

Die Leistungen

Jetzt gibt es Leistungen bis zum 18. Lebensjahr. Monatlich 150 Euro für Kinder bis zu fünf Jahren. 201 Euro für Kinder von 6 bis 11 Jahren. 268 Euro vom 12. bis zum 18. Geburtstag. Allerdings: Wenn die Alleinerziehenden Hartz IV für die Kinder beziehen, wird der Unterhaltsvorschuss für unter 12-Jährige vom Arbeitslosengeld II abgezogen. Unterm Strich bleibt nichts. Wer Kinder über 12 Jahre hat und für sie Hartz IV bekommt, erhält keinen Unterhaltsvorschuss. Nur Aufstocker, die mindestens 600 Euro pro Monat brutto verdienen, können das Geld beantragen.


Die Bürokratie

Kein Vorschuss für einen Teil der Hartz IV-Bezieher – diese Einschränkun g begrüßen Kreise und Kommunen in der Region. Wenn nämlich erst die Kommune den Unterhalt gewährt und dann das Jobcenter die Leistung mit dem Arbeitslosengeld verrechnet, sind gleich zwei Behörden befasst. „Für Alleinerziehende mit jüngeren Kinder aber bleibt die Doppelstruktur“, ärgert sich Michael Färber vom Kreis Olpe über den bürokratischen Aufwand.

Die Kosten

1,75 neue Stellen hat er deshalb zum ersten Juli schaffen müssen, um die zusätzlichen Anträge zu bearbeiten. Das sind zusätzliche Personal- und Sachkosten von 120 000 Euro pro Jahr. Wie sich die Fallzahlen nach dem 1. Juli entwickeln, ist ungewiss. In Menden rechnet man mit einem Zuwachs von 33 Prozent: „Uns allen ist aber klar, dass diese Prognose in die Hose gehen kann“, heißt es aus der Stadtverwaltung. Andere Kommunen rechnen nämlich mindestens mit der Verdopplung der Anträge. Entsprechend steigen die Auszahlungen: 3 Millionen Euro hat zum Beispiel die Stadt Hagen bisher bezahlt, künftig rechnet man mit etwa 6 Millionen Euro. Iserlohn erwartet einen Anstieg von 1,2 auf 2,2 Millionen Euro. Arnsberg von 1,03 auf 2,2 Millionen.

Die Erstattung

Einen Teil des Geldes bekommen die Kommunen wieder. Sie versuchen, es sich von den säumigen Vätern und Müttern zurückzuholen – mit unterschiedlichen Erfolgen. Hagen verzeichnet eine Rückholquote von 10 Prozent. Der Landesdurchschnitt beträgt 21 Prozent. In Olpe sind es 48 Prozent – der Spitzenwert im Regierungsbezirk. „Das liegt an der niedrigen Arbeitslosenquote“, sagt Michael Färber.

52 Prozent der Leistungen bekommen die Kommunen und Kreise nach Angaben des Hochsauerlandkreises ab Juli zudem von Bund und Land wieder. 48 Prozent tragen sie selbst. Wobei die neue Landesregierung im Koalitionsvertrag versprochen hat, die Kommunen stärker zu entlasten.

Die Menschen

Thomas Pieper ist alleinerziehend, hat ein kleine Teilzeitstelle bei der Diakonie Mark-Ruhr in Hagen. Damit verdient er zu wenig, um davon leben zu können. Seine Ex-Frau zahlt den Unterhalt für die gemeinsame zwölfjährige Tochter nicht. Also stockt Thomas Pieper mit Arbeitslosengeld II auf.

Eigentlich ist er davon ausgegangen, dass er unterm Strich vom Unterhaltsvorschuss nichts hat, weil es ihm vom Arbeitslosengeld wieder abgezogen werde. Doch dann, auf die Nachfrage der Zeitung hin, hat er sich doch noch einmal erkundigt. Und er stellt lächelnd fest: „Damit komme ich nach Jahren wieder raus aus Hartz IV.“ Thomas Pieper verdient mehr als 600 Euro brutto – somit kann er die Leistung beantragen. Wenn er zum Unterhaltsvorschuss noch Wohngeld erhält, muss er nicht weiter aufstocken, kalkuliert er. „Das ist sehr, sehr erfreulich“, fügt er hinzu. „Die Abhängigkeit vom Jobcenter und das Gefühl dort betteln zu müssen, ist sehr belastend.“ Der Unterhaltsvorschuss stehe ihm dagegen zu, betont er.

„Raus aus Hartz IV – das ist für viele Alleinerziehende ein Traum!“, sagt Nicola Berkhoff vom Verband der Alleinerziehenden Väter und Mütter in NRW. Sie rechnet vor: 40 Prozent der Alleinerziehenden bundesweit beziehen Hartz IV. Davon wiederum stocken 30 Prozent auf.

30 Prozent, denen es vielleicht so ergehen könnte wie Thomas Pieper.

Diese Rechte haben Väter

Begriffsklärung: Wer gilt überhaupt als "Vater"?

Vater ist der Mann, der 1. zum Zeitpunkt der Kindesgeburt mit der Mutter verheiratet ist, 2. die Vaterschaft anerkannt hat, 3. das Kind adoptiert, 4. dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist.

Umgangsrecht

Ohne das Vorliegen schwerwiegender Gründe (z.B. Gewalt oder Drogenmissbrauch) darf die Mutter dem Vater nicht verwehren, das Kind zu sehen oder auf anderen Wegen mit ihm zu kommunizieren. Streitereien sind allerdings gängig, da der Gesetzgeber zu diesem Punkt keine exakten Vorschriften formuliert hat. Ausnahme: Der leibliche Vater ist nicht der rechtliche. Dann wird dem leiblichen Vater vom Gesetzgeber ein Umgangsrecht eingeräumt, wenn er "ernsthaftes Interesse" am Kind zeigt.

Auskunftsrecht

Sollte das Kind ausdrücklich keinen Kontakt zum Vater wünschen, gilt ein Auskunftsrecht. Der Vater darf wichtige Dokumente wie Zeugniskopien und Fotos einfordern.

Besuchskosten

Besucht das Kind seinen Vater oder wird von diesem abgeholt, trägt der Vater die Fahrtkosten. Und diese können auch nicht vom monatlichen Unterhalt abgezogen werden. Das Gleiche gilt für längere Ferienbesuche beim Papa - auch in einem solchen Falle darf nichts vom monatlichen Unterhalt abgezogen werden.

Entscheidungen

Gibt es ein gemeinsames Sorgerecht, darf der Vater in zentralen Punkten über das Leben des Kindes mitbestimmen. So z. B. bei einem Schulwechsel oder Operationen. In vergleichsweise banale Alltagsdinge (u.a. Freizeitgestaltung des Kindes) darf sich der Vater allerdings nicht einmischen. Hat die Mutter das alleinige Sorgerecht, entscheidet sie im Alleingang.

Vaterschaftsanfechtung

Wer nach einer zerbrochenen Beziehung Zweifel hat, überhaupt der Kindesvater zu sein, kann die Vaterschaft anfechten. Dies ist in der Regel aber nur innerhalb der ersten zwei Lebensjahre des Kindes möglich und steht im Zweifelsfall auch der Mutter frei. Sobald das Kind volljährig ist, kann es diese Prüfung ebenfalls einfordern.

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