Hagen. . Wer baut, baut auch vor – für das Alter etwa. Doch gerade im ländlichen Raum taugen Wohn-Immobilien nicht mehr unbedingt als Altersovorsorge.
Von sterbenden Orten im ländlichen Raum will er nicht sprechen. Das hört sich aus seiner Sicht zu hart an. Er formuliert es anders: „Je tiefer das 40 bis 60 Jahre alte Haus in der Provinz liegt, desto schwieriger wird seine Vermarktung“, sagt Joerg Utecht. Der Sprecher vom Immobilienverband West muss es wissen. Einfamilienhäuser aus den 1950er bis 1970er Jahren fernab von einem Autobahnanschluss, dem Arbeitsplatz und ausgestattet mit einem leistungsarmen Internetanschluss sind bundesweit für Makler ein schweres Geschäft. Ladenhüter, Verfall inklusive.
Früher ein Zeichen von Wohlstand ist das Einfamilienhaus aus alten Zeiten im Grünen heute für Eigentümer und Kommunen ein großes Problem. Die Gebäude genügen den heutigen Ansprüchen nicht mehr, und die Besitzer überschätzen in der Regel den Verkaufswert ihres Eigenheims.
Nachfrage geschrumpft
„Wenn es überhaupt gelingt, zieht sich der Verkauf nicht selten über ein Jahr hin.“ Utecht stellt die Frage aller Fragen, die sich vermeintliche Kaufinteressenten auch stellen: Was will ich hier? In einem Ort ohne Geschäft, ohne Arzt, ohne Schule. ohne Kneipe? „Da lockt auch der niedrige Kaufpreis nicht.“
Dr. Christian Krajewski, Geograph an der Universität in Münster, bestätigt die schleichende Entwicklung. Intensiv hat sich der Wissenschaftler mit dem Wandel des Wohnungsmarktes im Hochsauerland und in Altena beschäftigt. „Mit dem Rückgang der Bevölkerung schrumpft naturgemäß auch die Nachfrage.“
Fehler der Kommunen
Zu den typischen Schwierigkeiten, einen Nachfolger für das eigene Häuschen zu finden, gehöre das „fehlende Gespür dafür, welcher Preis auf dem Wohnungsmarkt möglich ist. Die Preisvorstellungen sind völlig übertrieben.“
Ein Grund dafür sei die enge emotionale Bindung der Eigentümer, die, auch wenn eine Sanierung des Hauses notwendig sei, dies ausblenden würden. „Wer glaubt, er könne sein Haus mit 120 Quadratmetern Wohnfläche im ländlichen Raum gegen eine adäquate Wohnung nahe an der Innenstadt, barrierefrei und mit Betreuung, eintauschen, der irrt sich. Das ist nicht darstellbar.“
Die Folge? Das ältere Ehepaar sitze gefangen in den eigenen vier Wänden auf dem Land, wenn der Partner sterbe, verwandelten sich die Einfamilienhäuser in Single-Haushalte betagter Frauen und Männer. Vielfach machten sich Kommunen selbst Konkurrenz, in dem sie neue Baugebiete ausweisen würden, um junge Familien als Neubürger zu gewinnen. „Ich denke da beispielsweise an Hallenberg vor zehn Jahren. Die Nachfrage war überschaubar, dafür ist aber der Wiederverkaufswert alter Häuser weiter gesunken.“ Nicht zuletzt habe sich die Struktur der Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend gewandelt. „Es gibt viel mehr Single-Haushalte und Patchwork-Familien als früher. Da ist der Traum vom Eigenheim kein Thema.“
Quartiersmanager
Möglichkeiten, der Entwicklung gegenzusteuern, sieht Krajewski trotzdem. Patenschaften hingegen für leerstehende Häuser, in denen die Gardinen auf- und zugezogen und der Rasen gemäht werden würde, seien keine Perspektive. „Das ist ein Kaschieren des Dauerzustands. mehr nicht.“ Wichtiger sei es für die Kommunen, so genannte Quartiersmanager, „einen Kümmerer“, in diesen Dörfer zu installieren, der Defizite benenne, der bei der Sanierung der Häuser helfe und der öffentliche Fördermittel generiere. „Ein Schlüssel für die Zukunft ist der Breitband-Ausbau. Mit ihm wird Home-Office auch auf dem Land möglich. Das ist eine denkbare Alternative und macht es auch für junge Familien interessant.“ Ob es schon bald völlig verwaiste Dörfer gibt, wenn die Entwicklung anhält? „Nicht sofort, aber in 30 Jahren ist das durchaus denkbar.“