Altena/Berlin. Angela Merkel lobt das Engagement der Kleinstadt Altena in der Flüchtlingsarbeit. Die Stadt erhielt den ersten Nationalen Integrationspreis.

  • Flüchtlinge als Chance für die Kleinstadt mit sinkender Einwohnerzahl
  • 50 ehrenamtliche Helfer engagieren sich in Altena
  • Fünfköpfige Jury hat den Gewinner gekürt

Mit der Aussprache des Stadtnamens war sich Angela Merkel (CDU) dann doch nicht ganz sicher. „Da wo ich herkomme, könnte es auch Alteena heißen“, sagte die Bundeskanzlerin. Ansonsten ließ sie keine Zweifel aufkommen, erst recht nicht an der Entscheidung einer Jury, der Stadt Altena den Nationalen Integrationspreis zu verleihen.

Zu diesem Anlass hatte Merkel am Mittwoch ins Kanzleramt geladen. Gekommen waren Vertreter von elf nominierten Integrationsprojekten, darunter eine 30-köpfige Reisegruppe aus dem Märkischen Sauerland. Gemeinsam sorgten sie für großen Applaus, als Altenas Bürgermeister Andreas Hollstein (CDU) die Ehrung der Kanzlerin entgegen nahm.

Stadt hat zusätzlich Flüchtlinge aufgenommen

Zuvor hatte Merkel in ihrer Ansprache die Flüchtlingsarbeit in Altena gelobt: „Integration gelingt da am besten, wo sich Menschen aufeinander einlassen“, sagte sie. Dies habe in Altena hervorragend funktioniert. Der Stadt gelinge es vorbildlich, Integration in die Tat umzusetzen, so die Kanzlerin.

In der Kleinstadt im Märkischen Kreis sinkt seit Jahrzehnten die Zahl der Einwohner. Lebten 1969 noch 32 000 Menschen in Altena, sind es heute noch gut 17 000. Entsprechend hoch sind Leerstand und Fachkräftemangel. Die Flüchtlinge versteht die Stadt daher als Chance. Im September 2015 bot Bürgermeister Hollstein an, 100 zusätzliche Flüchtlinge aufzunehmen, die gute Aussichten hatten, in Deutschland bleiben zu dürfen – Wohnraum war ja vorhanden.

50 ehrenamtliche „Kümmerer“

Seither arbeiten Haupt- und Ehrenamtler eng zusammen, um den 450 Flüchtlingen bei der Integration zu helfen. 50 ehrenamtliche „Kümmerer“ betreuen die Familien nach dem Motto: „Vom Flüchtling zum Altenaer Mitbürger“. Ein besonderer Dank Merkels galt daher all den ehrenamtlichen Helfern. „Sie erweisen unserem Land einen ganz besonderen Dienst.“

Gekürt hat den Gewinner des ersten Nationalen Integrationspreises eine fünfköpfigen Jury unter Leitung von Frank-Jürgen Weise, Ex-Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge.

Der Schauspieler Elias M’Barek saß ebenfalls im Auswahlkomitee – und wurde am Rande der Verleihung bei den Integrationshelfern zum beliebten Selfie-Partner.

Die Ehrung ist verbunden mit einem Preisgeld von 10 000 Euro, die Merkel bei den Altenaern in guten Händen sieht. „Ich habe keine Zweifel, dass sie das Geld gut einsetzen werden.“

Die Stadt wächst zusammen

Bürgermeister Hollstein dankte Merkel für die Auszeichnung. Für die Stadt sei der Preis eine große Ehre. „Das zeigt, dass wir viel richtig gemacht haben.“ Zu Ende sei der eingeschlagene Weg noch nicht, betonte das Stadtoberhaupt. „Wer Integration in Monaten misst, der macht einen Fehler. Das wird sicherlich mehrere Jahre dauern.“ Davor ist er jedoch nicht bange. „Ich glaube, wir kriegen Deutschland in eine gute Zukunft geführt – und die ist bunt.“

Daran glauben auch die mitgereisten ehrenamtlichen Helferinnen Marion Van den Boogaard und Dorothee Isenbeck, die sich im Projekt „Stellwerk“ um Sprachkurse und Sozialberatung kümmern. Der Preis ist für sie eine schöne Anerkennung. Noch größer sei die Freude darüber, was sich in Altena entwickelt hat. „Wir sind zusammengewachsen in der Stadt“, sagt Isenbeck. Und Van den Boogaard ergänzt: „Es gibt jetzt viel mehr Gemeinschaft.“ Letztere wünscht sich deshalb noch mehr Flüchtlinge in Altena. Auch weil es mittlerweile fast zu wenig Arbeit geworden sei. „Es wäre schön, wenn noch neue Flüchtlinge zu uns kämen. Wir sind jedenfalls vorbereitet.“

>> Hintergrund: Prominente Jury kürte den Preisträger

In der „Meseberger Erklärung“ zur Flüchtlingspolitik rief die Bundesregierung im Mai 2016 den Nationalen Integrationspreis aus. Danach bat die Kanzlerin 33 Institutionen aus Gesellschaft, Kirche und Wirtschaft, je einen Preisträger zu nominieren.

  • Den Sieger kürte die Jury um den Schauspieler Elias M’Barek, den Diplom-Psychologen und Autor Ahmad Mansour, die Integrationsforscherin Naika Foroutan, Politikerin Petra Roth und den ehemaligen BAMF-Chef Frank-Jürgen Weise.

    Chronologie

    September 2015

    Altenas Bürgermeister Andreas Hollstein (CDU) gibt auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise bekannt, dass die Stadt im Märkischen Kreis freiwillig 100 Flüchtlinge mehr aufnimmt, als ihr vom Land NRW zugewiesen wurde (270 Menschen). Bundesweit berichten Medien über die Kommune im Lennetal. Die Bevölkerungszahl war in keiner westdeutschen Stadt so schnell geschrumpft wie in Altena.

    Oktober 2015

    In einer Flüchtlingsunterkunft in der Altenaer Brandstraße wird ein Feuer gelegt. Erst am Tag zuvor waren sieben syrische Flüchtlinge in das Mehrfamilienhaus im Südosten der sauerländischen Kleinstadt eingezogen. Sie bleiben glücklicherweise unverletzt. Nachbarn hatten sie rechtzeitig gewarnt. Das Feuer war im Dachstuhl gelegt worden - es entwickelte sich nur zu einem Schwelbrand.

    September 2016

    Zwei 24 und 26 Jahre alte Männer aus Altena sind nach Überzeugung des Landgerichts Hagen für den Brandanschlag auf die Flüchtlingsunterkunft verantwortlich. Sie werden wegen schwerer Brandstiftung zu Freiheitsstrafen von fünf und sechs Jahren verurteilt. Der 26 Jahre alte Haupttäter hatte zuvor als Feuerwehrmann gearbeitet. Das Schwurgericht ging von einer fremdenfeindlichen Tat aus.

    November 2016

    Mit großer Mehrheit stimmt die katholische syrisch-irakische Gemeinde für einen Umzug von Essen nach Altena. Von mehreren hundert Menschen ist zunächst die Rede. An einem Sonntag setzen sich fünf Reisebusse aus dem Ruhrgebiet in Richtung Sauerland in Bewegung - man will Altena besichtigen. Zehn Wochen später will keiner mehr Essen verlassen. „Die Kinder wollen nicht weg“, heißt es.

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