Münster/Hagen. Hagener Kunsthistorikerin Eva Pieper-Rapp-Frick erforscht in einem Buch die Spuren von 40 Jahren Skulptur Projekte Münster

Was macht Kunst mit einer Stadt? Diese Frage lässt sich beispielhaft an den Skulptur Projekten in Münster stellen. Am 10. Juni wird die fünfte Staffel der Ausstellung eröffnet, die alle zehn Jahre parallel zur Documenta in Kassel den öffentlichen Raum in Münster bespielt. Die Hagener Kunsthistorikerin Eva Pieper-Rapp-Frick und der Schriftsteller Burkhard Spinnen machen sich in dem opulenten Band „Geprägt“ auf eine Suche nach den Spuren und Erinnerungssplittern, die 40 Jahre Skulptur Projekte hinterlassen haben. Das Buch geht jetzt bereits in die zweite Auflage und wird derzeit ins Englische übersetzt.

Identität schaffen

„Wenn man Kultur auf einem sehr hohen Level und auch mit einer Idee ermöglicht, schafft man Identität für eine Stadt“, so lautet die Bilanz, die Eva Pieper-Rapp-Frick zieht. Denn anfangs höchst umstritten, sind die Kunstwerke heute aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken.

Die Hagener Kunsthistorikerin Eva Pieper-Rapp-Frick
Die Hagener Kunsthistorikerin Eva Pieper-Rapp-Frick

Seit 1977 werden die Künstler in Münster mit einem Fahrrad und einem Stadtplan ausgerüstet, und dann schauen die Kuratoren, was machbar ist. Eigentlich sollte die Ausstellung am Ende immer wieder komplett abgebaut werden, aber viele Kunstwerke haben sich - manchmal über Umwege - in die Herzen der Münsteraner geschlichen und sind geblieben. „Die Skulptur Projekte haben öffentliche Orte oft erst bewusst gemacht“, so Eva Pieper-Rapp-Frick, „Orte, die man benutzt, aber nicht wahrnimmt.“ So stand die Kirschensäule Thomas Schüttes ursprünglich auf einem Parkplatz, der aber inzwischen zu einem Park geworden ist, einem Wohlfühlort. „Die Frage stellt sich nun, ob das noch ein Kunstwerk ist, wenn der Ort sich so verändert hat.“

Das Zusammenspiel zwischen öffentlichem Raum und Kunst hat Münster verändert, hat das Image der traditionsverhafteten Ackerbürgerstadt zu einer modernen und weltoffenen Kommune gewandelt. Das ging nicht ohne Konflikt: Der Bankier Ludwig Poullain wollte Münster eine 130 000 DM teure Plastik von George Rickey schenken, aber die Bürgerschaft revoltierte gegen die abstrakte Installation. Klaus Bußmann, der langjährige Leiter des LWL-Museums für Kunst und Kultur in Münster, und Kasper König, der langjährige Leiter des Museums Ludwig in Köln, waren damals noch junge Kunsthistoriker und reagierten auf die Empörung mit der Idee, moderne Kunst in den Außenraum zu tragen. König ist bis heute Kurator der Projekte.

Die Skulpturen im öffentlichen Raum haben interessante Schicksale erfahren, sie werden diskutiert, geliebt, gehasst, gestohlen und zerstört. So machte sich in den frühen Morgenstunden des 1. 7. 1977 eine Hundertschaft links-avantgardistischer Studenten auf, um Claes Oldenburgs Kugeln für immer in den Aasee zu rollen, die, obwohl auch von der konservativen Bürgerschaft angefeindet, sinnbildlich für einen dekadenten Kapitalismus stünden. Heute fehlen die „Pool Balls“ in keiner Marketingbroschüre der Stadt.

„Die Wirkung der Skulptur Projekte kann man gar nicht hoch genug ansetzen, auch über Münster hinaus“, bilanziert Eva Pieper-Rapp-Frick, die Vorsitzende des Hagener Osthaus-Bundes ist und stellvertretende Vorsitzende der Freunde des Museums für Kunst und Kultur in Münster. Wobei allerdings der Zehnjahresrhythmus entscheidend sei, um immer wieder neue Spannung zu generieren, vor allem, weil heute nicht mehr die Ablehnung von moderner Kunst im Mittelpunkt stehe, sondern umgekehrt die Kunst selbst im Event vereinnahmt zu werden droht.

Wie soll man da noch Reibungshitze erzeugen? „Wir brauchen dieses Experimentierfeld der Moderne, das hat eine unglaubliche Signalwirkung“, wirbt Eva Pieper-Rapp-Frick dafür, dass auch Städte wie Hagen ihren Reichtum an Kunst bewusst zur Identitätsstiftung einsetzen.


Eva Pieper-Rapp-Frick, Burkhard Spinnen: Geprägt. Skulptur Projekte Münster. Coppenrath,
217 Seiten, 28 Euro.