Hagen. Exotische Tiere bedrohen Lebensräume, Arten und Ökosysteme. Die Europäische Union hat eine Liste mit 23 zu bekämpfenden Exemplaren erstellt.
Ihre Namen lassen auf possierliche Tierchen schließen: kleiner Mungo oder gestreiftes Backenhörnchen. Und sogar ein Heiliger Ibis ist dabei. Doch der Schein trügt. Dahinter verbirgt sich die Invasion von exotischen Tieren aus aller Welt, die hiesige Lebensräume, Arten oder Ökosysteme beeinträchtigen und daher der ökologischen Vielfalt schaden können. Sie setzen sich gegen heimische Arten durch. Zudem steigen wirtschaftliche Schäden und gesundheitliche Bedrohungen. Die EU hat im August 2016 eine Liste mit zu bekämpfenden 23 „invasiven Arten“ erstellt, zu denen auch die anfangs genannten drei Tiere gehören.
Globale Transportwege überwinden natürliche Grenzen. Zudem begünstigt der Klimawandel die Ausbreitung. Die Mitgliedsstaaten der EU verpflichten sich, zu verhindern, dass die Arten auf der Liste eingeführt, gehandelt, gehalten, gezüchtet oder freigelassen werden. Das gilt besonders für Zoos.
Allerdings gibt es regionale Unterschiede über das Auftreten der invasiven Tiere. Nordrhein-Westfalen sei nicht Deutschland, sagt Peter Schütz, Sprecher des Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) und erklärt: „Die EU hat sich nach langer Debatte dazu durchgerungen, bestimmte Arten als invasiv einzustufen. Die EU-Liste ist eine Art Anwenderempfehlung. Es sind rechtliche Vorgaben, welche Arten in der EU bekämpft werden sollen. Aber in den Mitgliedsstaaten ist es geografisch unterschiedlich.“ Schon in NRW ändere sich die aktuelle Lage laufend.
Naturschutzbund warnt vor flächendeckenden Ausrottung des Waschbärs
Ein Dauerbrenner ist der Waschbär. Beutetiere des Allesfressers sind Fische und Amphibien wie Frösche, Kröten und Salamander. „Der Waschbär kann negative Auswirkungen auf die heimische Tierwelt haben“, so Carla Michels vom Lanuv: „Waschbären ernähren sich von koloniebildenden Vogelarten. Sie töten viel mehr, als sie fressen können. In NRW sind sie besonders negativ aufgefallen bei der Amphibienpopulation im Naturschutzgebiet Nieheimer Tongrube bei Höxter.“
Der Naturschutzbund (Nabu) warnt aber vor einer flächendeckenden Ausrottung des Waschbärs. „Das ist aus Tierschutzgründen nicht gerechtfertigt. Man muss ihn nur da schießen, wo er gefährdet“, so Birgit Königs, Pressesprecherin beim Nabu-Landesverband. Das gilt auch für den auf der Liste stehenden Marderhund: „Als Höhlenbewohner ist er eine potenzielle Gefahr. Aber es gibt auch Marderhunde, die hier nur ihre Nischen suchen, ohne andere Tiere zu gefährden. Da muss man im Einzelfall schauen, ob und wie man sie bekämpfen muss.“
Aquarienflüchtlinge bringen heimische Arten in Gefahr
Übeltäter sind nach Meinung der Expertinnen die Aquarienflüchtlinge Kamberkrebs und Signalkrebs. „Beim Kamberkrebs ist die Auswirkung auf biologischer Ebene am krassesten. Er hat die Krebspest auf heimische Bestände wie den Edelkrebs übertragen. In der Folge ist dieser nahezu ausgestorben“, so Carla Michels. „Kamberkrebs und Signalkrebs haben dazu geführt, dass neben den Edelkrebsen auch die Steinkrebse an den Rand der Ausrottung gebracht worden sind“, ergänzt Birgit Königs.
Sie glaubt, dass es zu spät ist, um das Problem in den Griff zu bekommen: „Es ist unwahrscheinlich, dass man invasive Krebsarten hier noch herausbekommt.“ Gleiches gelte für den asiatischen Marienkäfer: „Den werden Sie hier nicht mehr los."
Heiliger Ibis und Ochsenfrosch haben einen riesigen Appetit
Auf der Liste steht auch der nordamerikanische Ochsenfrosch. Er schläft nie und frisst alles, was ihm in die Quere kommt. „Er gefährdet heimische Amphibien“, so Birgit Königs. Da er keine Feinde hat, vermehrt er sich immer weiter. Hobbygärtner brachten den nicht quakenden, sondern wie ein Ochse brüllenden Riesenfrosch nach Deutschland zur Zierde am Teich.
Der anfangs erwähnte Heilige Ibis, der einst in Ägypten als heiliger Vogel verehrt wurde, kann übrigens mit seinem Namen nicht über seinen wahren Charakter hinwegtäuschen. Er hat gewaltigen Appetit und frisst fast alles, was in den Schnabel passt. Da der aus Afrika stammende Vogel aus Zoos und Vogelparks den Weg in die freie Natur gefunden hat und sich stark ausbreitet, hat ihn die EU auf die Liste gesetzt. Auch Biologin Michels hat ihn vor einigen Tagen, genauso wie die Schwarzkopf-Ruderente, ins Neobiota-Portal gestellt: „Sie tauchen nur sporadisch auf in NRW und richten hier noch keinen Schaden an, aber in anderen Ländern wie Frankreich bedrängen sie die Wasservögel. Man muss frühzeitig handeln und dafür sorgen, dass sie sich erst gar nicht vermehren. Es ist Pflicht, jedes Exemplar sofort aus der Natur zu entnehmen.“