Hagen. . Gleich zwei Kliniken in Südwestfalen haben Kreißsäle geschlossen. Das NRW-Gesundheitsministerium sieht die Versorgung aber ausreichend gesichert.

  • Gleich zwei Kliniken in Südwestfalen haben Kreißsäle geschlossen
  • Das NRW-Gesundheitsministerium sieht die Versorgung gesichert
  • 45 Minuten Fahrtzeit gelten als zumutbar

Schwedens Eltern sind vorbereitet. Weil es im dünn besiedelten Norden des Landes mancherorts mehr als 100 Kilometer bis zum nächsten Kreißsaal sind, bieten dort zwei Hebammen neue Kurse an: Sie trainieren mit den werdenden Müttern, wie sie notfalls unterwegs im Auto entbinden können. Ein Modell für das ländliche Südwestfalen?

Das Problem

Zwar ist man in der Region von schwedischen Verhältnissen noch meilenweit entfernt – doch auch in Südwestfalen müssen Frauen zunehmend weitere Wege bis zum Kreißsaal zurücklegen. Zum 30. März dieses Jahres ist am St.-Vincenz-Krankenhaus in Menden die Geburtshilfe und Gynäkologie aufgegeben worden. Anfang April hat das St.-Walburga-Krankenhaus in Meschede seinen Kreißsaal geschlossen. Werdende Mütter müssen künftig ins Klinikum Arnsberg nach Neheim fahren. Von Menden aus sind es 16 Kilometer bis Iserlohn, 19 bis Arnsberg.

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    Kein Einzelfälle. Längst geschlossen sind zum Beispiel die Geburtsstationen in Wickede-Wimbern und Winterberg. Gab es im Jahr 2000 in NRW noch 232 Kliniken mit Geburtshilfestationen, so waren es Ende 2015 nur 143. „Schwierig ist es nun im Raum Schmallenberg“, sagt Melina Kramer, Vorsitzende des Hebammenverbandes im Hochsauerlandkreis. Gut 50 Minuten Fahrtzeit würden Frauen benötigen, um von dort nach Neheim zu kommen. Oder 30 Minuten, wenn sie sich auf den Weg nach Lennestadt machen.

    Die Ursachen

    Die kleinen Geburtsstationen sind defizitär. Seit Jahren verzeichne man ein Minus von gut 500 000 Euro, heißt es aus Menden. Trotzdem habe man die Abteilung über Jahre gestützt. Doch seit Januar dieses Jahres wäre die Klinik eigentlich verpflichtet, einen Kinderarzt vorzuhalten, um Risikoschwangerschaften zu betreuen. 500 Geburten hat man am Krankenhaus in Menden – zu wenig, um die Kosten zu decken, die ein solche personalintensive Abteilung mit sich bringt. Dazu die hohen Haftpflichtprämien, nennt man bei der Krankenhausgesellschaft NRW einen weiteren Grund für Schließungen. Nur mit großen Einheiten lässt sich rentabel arbeiten. Mehr als 800 müssten es sein, rechnet man in Menden vor. Zahlen, die andere Kliniken bestätigen.

    Die Zukunft

    Zahlen, die auch die weitere Häuser in Südwestfalen nicht verzeichnen können. 260 Geburten hat man am Krankenhaus Maria Hilf in Warstein im vergangenen Jahr begleitet. „Wir machen keinen großen Gewinn“, sagt Pflegedienstleiter Klaus Wohlmeier. Leisten kann sich die Klinik die kleine Station, weil man mit Belegärzten arbeitet, somit keine Personalkosten hat. Wie lange das noch so gehen kann, ist ungewiss: Die beiden Belegärzte sind über 60 Jahre alt. „Wir sind in Gesprächen für eine Nachfolgeregelung“, so Wohlmeier. Man wolle die Abteilung halten.

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    270 Kinder sind im vergangenen Jahr am Helios-Klinikum in Bad Berleburg zur Welt gekommen. Auch nicht viel. Man habe sich aber entschlossen, in die Geburtshilfe „zu investieren“, so eine Sprecherin der Klinik, „und die Versorgung gerade in unserer ländlichen Umgebung aufrechtzuerhalten, wo die Wege in die umliegenden Städte 40 Minuten und mehr in Anspruch nehmen.“ Im Übrigen sei die Geburtshilfe ein Teil der ganzen Klinik, die sich wirtschaftlich trage.

    Dennoch: Bei der Krankenhausgesellschaft NRW rechnet man damit, dass es landesweit in den kommenden Jahren zu weiteren Schließungen kommen wird.

    Die Lösung

    „Es fehlt noch eine Definition, was in der Geburtshilfe eine flächendeckende und wohnortnahe Versorgung ist“, sagt Professor Nicola Bauer, Leitung des Studienganges Hebammenwissenschaft der Hochschule für Gesundheit in Bochum. So sieht die Landesregierung bisher keinen Grund einzugreifen. Die Versorgung in Südwestfalen sei gesichert, teilt das Gesundheitsministerium mit. Für werdende Mütter sei ein Fahrtzeit von 45 Minuten bis zur nächsten Klinik mit Geburtsstation zumutbar – mit dem Pkw bei normalen Verkehrs- und Wetterverhältnissen. Wenn durch weitere Schließungen die Zeit „relevant überschritten würde, bestünde auf jeden Fall der Bedarf einer detaillierteren Überprüfung“, teilt das Ministerium mit. Sollte dabei eine Versorgungslücke festgestellt werden, müsse man alle Optionen prüfen - zum Beispiel Versorgungszuschläge für die Kliniken.