Hagen. . Zu große Klassen, marode Räume, zu wenig Lehrer und zu viel Unterrichtsausfall: Schüler lesen der rot-grünen Landesregierung die Leviten

Wer Kinder hat, wer Lehrer kennt, und wer eins und eins zusammenrechnen kann, weiß: In der Schule, in der die nachfolgenden Generationen fürs Leben lernen sollen, läuft viel schief. So viel, dass die Schüler auf die Straße gehen, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Das war nicht immer so. Dass die Demonstration eine Woche vor der Landtagswahl stattfindet, kann kein Fehler sein.

Die Liste der Mängel ist lang. „Wir brauchen eine groß angelegte Sanierung, die Beseitigung baulicher Mängel auf Schulhöfen, in Turnhallen, Aulen und Schulgebäuden“, sagt Luca Samlidis.

Der 17-Jährige besucht das Reichenbach-Gymnasium in Ennepetal, ist Bezirksschülersprecher im Ennepe-Ruhr-Kreis und im Vorstand der Landesschülervertretung. „Auch ist der Unterrichtsausfall viel höher, als er vom Ministerium angegeben wird.“

Mehr Geld für Kommunen vom Land

Seiner Ansicht nach müssen die finanzschwachen Kommunen als Träger der Schulen „vom Land mit mehr Geld unterstützt werden, um die wirklich dringend notwendigen Renovierungen zu bewerkstelligen“. An allen Ecken und Enden fehlten außerdem Sozialarbeiter. „Zwei für 1000 Schüler, das ist keine Lösung, genauso wenig wie die befristete Beschäftigung von Sozialarbeitern.“

Die 18-jährige Abiturientin Dilara Karmen Yam vom Geschwister-Scholl-Gymnasium in Lüdenscheid kritisiert die fehlende Durchlässigkeit im Schulsystem. „Bildung hängt noch immer viel zu sehr vom Elternhaus ab. Ich bin für ein längeres und individuelles Lernen für alle, bin aber auch gegen die Bürgerinitiative G9-jetzt. Dahinter steckt eine Schulzeitverkürzung.“

Bildungsauftrag verfehlt

Die baulichen Mängel in den Schulen seien auffällig, lebenswertere Räumlichkeiten sähen anders aus: „Schule muss mehr als ein Ort zum Pauken sein.“ Angesichts der Finanzüberschüsse in NRW müssten die Kommunen finanziell viel stärker entlastet werden. „Und es muss einfach mehr in Bildung investiert werden.“

Nicht zuletzt missfällt ihr die „viel zu frühe Selektion im Schulsystem“. Nach vier Jahren Grundschule könne noch keine Entscheidung für die weiterführende Schule getroffen werden, meint Dilara Karmen Yaman, die auch Vorstandsmitglied der Bezirksschülervertretung im Märkischen Kreis ist.

„Mich stört aktuell am meisten, dass an Lehrern und Sozialarbeitern gespart wird“, sagt Franziska Heinisch aus Hagen. Die gegenwärtige Situation an den Schulen werde dem Bildungsauftrag nicht gerecht. „Unterrichtsausfall wird durch sogenanntes eigenverantwortliches Arbeiten ersetzt, taucht deshalb in keiner Statistik auf, aber das hilft niemandem.“ Und vor dem Hintergrund des Zentralabiturs werde so der Druck auf die Schüler verschärft. Die Abiturientin vom Albrecht-Dürer-Gymnasium hält wenig vom Gerede, kein Kind werde zurückgelassen. „Wie soll ein Lehrer in einer Klasse mit 35 Schülern die viel zitierte individuelle Förderung leisten? Das ist nicht lustig und kann so nicht weitergehen.“ Der Wunsch der Hagener Bezirksschülersprecherin: „Dass heute viele zur Demonstration kommen. Nicht nur diejenigen, die sich auch sonst stark engagieren.“