Siegen. . Das MGK Siegen konnte aus einer Privatsammlung ein weiteres Gemälde von Francis Bacon erwerben. Wie zeigen auf, warum der Maler bei Sammlern so begehrt ist

  • Um die Bilder des Malers Francis Bacon reißen sich die Sammler, er gehört nach wie vor zu den teuersten Künstlern der Welt
  • Jetzt konnte das Museum für Gegenwartskunst in Siegen ein sechstes Gemälde von Bacon erwerben
  • Das Werk aus einer Privatsammlung und weitere Höhepunkte der Sammlung werden in einer Ausstellung gezeigt

Das Frühwerk des irischen Malers war im Museum für Gegenwartskunst vertreten, das Spätwerk ebenso. „Uns war aber immer klar: In unserer Francis-Bacon-Sammlung gibt es eine große Lücke“, sagt Prof. Dr. Christian Spies, Kurator der Sammlung Lambrecht-Schadeberg, „und diese zu schließen wird alles andere als einfach.“ Nun sei dies aber gelungen, und „Portrait“ aus dem Jahr 1962 sei „nicht irgendein Stück aus den 1960ern – sondern genau das, das wir uns gewünscht haben.“

Gewalt und Zerstörung

Der Maler Francis Bacon (1909 - 1992), ein Autodidakt ohne nennenswerte Schulbildung, galt bereits zu Lebzeiten als der teuerste zeitgenössische Künstler. Seine Bilder von deformierten menschlichen Körpern wirken bis heute rätselhaft und verstörend.

Gewalt, Alkohol, Glücksspiel und Exzesse prägen das Leben des Künstlers, der 1909 als Sohn eines englischen Pferdetrainers in Dublin geboren wurde. Als 15-Jähriger wurde er durch einen Stallburschen in Dublin verführt; während des Zweiten Weltkrieges karrte er nach Bombenangriffen Tote weg. Gewalt, Zerstörung und Verfall, denen der menschliche Körper ausgesetzt ist, prägen seine Bilder.

Bacons Privatleben ist von tragischen Ereignissen überschattet. Am Abend seiner großen Retrospektive in London 1962, also im Augenblick seines Durchbruchs, starb sein Freund, der Barpianist Peter Lacy, infolge schweren Alkohol- und Drogenmissbrauchs. 1971, am Vorabend seiner großen Retrospektive im Pariser Grand Palais, brachte sich sein Geliebter, der Kleinkriminelle George Dyer, in seinem Hotelzimmer um.

Die Kehrseite des Abgründigen bildet der belesene Intellektuelle Bacon, der trotz der nächtlichen Sauftouren morgen für morgen mit ungewöhnlicher Arbeits- und Selbstdisziplin in seinem Atelier malte. -mwi-

Mit dem sechsten Gemälde hat das MGK nun nach eigenen Angaben „eine der wichtigsten Bacon-Sammlungen in Europa“, ab Sonntag, 7. Mai, 12 Uhr, wird es diese unter dem Titel „6 x Francis Bacon... und andere Höhepunkte der Sammlung Lambrecht-Schadeberg“ präsentieren. Letztere besteht seit 25 Jahren, der Zeitpunkt für ihre Würdigung mit einer Ausstellung von rund 90 Werken der Rubenspreisträger im großen Rahmen passt also ideal.

Langwierige Suche

Das „Portrait“ ist der jüngste Zuwachs, zu sehen sind aber auch andere Neuerwerbungen aus den vergangenen anderthalb Jahren: vier Radierungen von Lucian Freud, je zwei Arbeiten von Emil Schumacher und Fritz Winter sowie eine von Bridget Riley. Aber „die Neuerwerbung eines Bacon-Gemäldes ist in jeder Hinsicht spektakulär“, betont MGK-Leiterin Dr. Eva Schmidt.

Einer der Gründe seien die Kosten, sagt Kurator Christian Spies. Wieviel man für das großformatige Bild bezahlt hat, darüber schweigt sich das Museum aus. Werke des dritten Rubenspreisträgers sind enorm teuer, doch das Geld allein ist es nicht, was die Auswahl schwierig macht. „Es muss in die Sammlung passen“, erläutert Spies. Es sei „ein bisschen wie bei einer Familie“, da jedes neue Bild mit den vorhandenen korrespondiert, da sich Wechselwirkungen ergeben. „Deshalb haben wir lange geschaut und mit vielen Leuten gesprochen.“

Letztlich muss natürlich überhaupt die Gelegenheit zum Kauf bestehen. Die ergab sich hier – das „Portrait“ stammt direkt aus einer englischen Privatsammlung „und wird nun zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren wieder öffentlich präsentiert“. Übrigens gab es einen prominenten Namen in der Liste der Vorbesitzer, der italienische Regisseur Michelangelo Antonioni.

Die teuersten Gemälde der Welt

179,411Millionen Dollar: Les femmes d’Alger (Version „O“), Pablo Picasso (2015).

170,4Millionen Dollar: Nu couché, Amedeo Modigliani (2015).

142,4Millionen Dollar: Three Studies of Lucian Freud, Francis Bacon (2013).

140Millionen Dollar: No. 5, 1948, Jackson Pollock (2006).

137,5Millionen Dollar, Woman III, Willem de Kooning (2006).

135Millionen Dollar, Adele Bloch-Bauer, Gustav Klimt (2006).

119,9Millionen Dollar: Der Schrei (Pastellversion von 1895), Edvard Munch (2012).

106,5Mio. Dollar: Akt mit grünen Blättern und Büste, Pablo Picasso (2010).

Bei Betrachtung des Werks wird klar, wieso Bacon als „einer der provozierendsten Maler der Nachkriegszeit“ (Spies) gilt. Die rohe Körperlichkeit, die für das Schaffen des irischen Künstlers so prägend ist, ist zeitlos verstörend. Der Körper des dargestellten Mannes - und überbetonte anatomische Details lassen keinen Zweifel daran, dass es sich um einen solchen handelt - scheint verdreht, verkrümmt, teilweise zerfließend. Er ist vage, gleichzeitig aber überaus präsent und konkret, weil er fassbar macht, was über reine Materie hinausgeht. Bacons Fähigkeit, die menschliche Physis auf Fleisch zu reduzieren, geht hier mit seiner anderen großen Fähigkeit Hand in Hand: gerade dadurch das Menschliche, das Verletzliche herauszustellen.

Um wen es sich bei dem Modell handelt, war lange unbekannt, wie Christian Spies sagt. Erst 2016 sei im Nachlass des Malers eine Zeichnung mit einem handschriftlichen Vermerk aufgetaucht, demnach es „a portrait of Peter“ ist; also von Peter Lacy, „Bacons erster großer Liebe“, so Spies. Lacy starb 1962. Die Beziehung der beiden Männer war schwierig, für Bacon aber von großer emotionaler Bedeutung.

Lucian Freud und Emil Schumacher

Das Museum für Gegenwartskunst zeigt seine sechs Bacons aktuell in einem Raum, im Raum daneben die Arbeiten des mit Bacon befreundeten Lucian Freud. Auch sein Thema war der menschliche Körper, auch sein Ansatz war der ungeschönte Blick. Was beide unterscheidet, ist ihre Arbeitsweise. Bacon malte oft nach Fotos, Freud nach lebenden Modellen.

In Sichtweite zueinander wird das Gemeinsame der künstlerischen Positionen ebenso deutlich wie die Unterschiede. „Je mehr Rubenspreisträger dazukommen“, sagt Eva Schmidt, „desto mehr erfüllt die Sammlung den Anspruch, eine Geschichte der Malerei des 20. Jahrhunderts zu schreiben.“ Dass diese auch noch gänzlich andere Kapitel enthält, zeigt der Rundgang durch die übrigen Räume des MGK – mit der Op-Art einer Bridget Riley, den extremen Farben eines Rupprecht Geiger oder der expressiven Abstraktion eines Emil Schumacher.