Hagen/Attendorn. . Engpass im geschlossenen Vollzug in NRW. Das Ministerium spricht von einer Belegungsquote von 87 Prozent – Kritiker sagen: Die Knäste sind voll.

  • Engpass im geschlossenen Vollzug in NRW
  • Gefängnis in Attendorn voll belegt
  • Justizministerium bewertet aktuelle Lage anders

Beängstigend. Für verurteilte Verbrecher sind im Land keine Zellen mehr frei?

Der NRW-Landesverband der Strafbediensteten schlägt Alarm: „Im geschlossenen Vollzug ballt es sich mächtig“, sagt Sprecher Friedhelm Sanker der WESTFALENPOST. „Und die Enge erhöht in den Gefängnissen das Konfliktpotential.“

Sanker bezweifelt die vom Justizministerium genannte Auslastungsquote von derzeit 87 Prozent. „Trau’ keiner Zahl, die nicht erklärt wird“, sagt er. Die Quote sei auf der Grundlage aller Haftplätze berechnet worden, „deren Aussagekraft ist gleich null“.

Aussagekraft gleich null

Warum? „Weil es nicht für jeden Häftling die passende Zelle gibt.“ So seien beispielsweise Trennungsvorschriften zwischen den Geschlechtern sowie der Untersuchungs- und Strafhaft zu beachten. Auch wenn es im offenen Vollzug noch freie Zellen gebe, stünden sie aus vorgenannten Gründen für den geschlossenen nicht zur Verfügung. Und NRW habe im Vertrauen auf sinkende Gefangenenzahlen den Grundsatz der Einzelunterbringung gesetzlich verankert.

„Eine gemeinschaftliche Unterbringung darf nur noch aufgrund bestimmter Indikationen erfolgen“, so Sanker. „In der Praxis führt das dazu, dass die Kollegen auf die Gefangenen mit der Bitte zugehen, doch die gemeinsame Unterbringung zu beantragen.“ In der Folge müsse eine umfängliche Verträglichkeitsprüfung vorgenommen werden, „um möglichen Konflikten und Übergriffen vorzubeugen“. Das binde Arbeitskraft in erheblichem Umfang. In 16 von 22 Gefängnissen im Land sei die Belegung im geschlossenen Vollzug längst am Limit.

Wer vor Ort nachfragt, kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Beispiel: Justizvollzugsanstalt Attendorn. Das Ministerium gibt eine Quote von 73,83 Prozent an, von 428 Plätzen seien nur 316 belegt. So weit die Statistik aus Düsseldorf.

Keine gesicherte Prognose möglich

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Anstaltsleiter Ulf Bormann klärt auf. „Wir haben in der Geschlossenen 126 Plätze. Alle sind belegt. Erste Notschlafplätze sind eingerichtet“, sagt er auf Anfrage der WESTFALENPOST. „Wir haben keinen Spielraum mehr.“ Im Vergleich zu früher, so Bormann, „geht es auch baulich nicht mehr, einfach ein Bett mehr in der Zelle aufzustellen“. Im offenen Vollzug seien hingegen von den 302 Plätzen gerade einmal 200 belegt. Seine Erklärung für den Engpass? „Fakt ist, es gibt bei der Belegung im Justizvollzug keine gesicherte Prognose“, sagt Bormann. „Es gibt zu viele Faktoren.“ Das fängt seiner Ansicht nach bei der Verweildauer an, ist abhängig von der Praxis der Strafgerichte und hört bei schwierigen Sozialprognosen nicht auf.

Das Justizministerium beschreibt die aktuelle Lage anders. „Die Belegung der letzten Jahre ist durch eine deutlich sinkende Tendenz geprägt“, sagt Sprecher Detlef Feige. Von den insgesamt 18 910 Haftplätzen seien 17 605 belegbar.

Die nicht belegbaren Räume würden entweder renoviert oder stünden aufgrund großer Baumaßnahmen derzeit nicht zur Verfügung. „Stand 2. Mai 2017 haben wir insgesamt 16 438 Gefangene. Die Belegungsquote beträgt damit gegenwärtig 87 Prozent.“