Herscheid/Dortmund. . Wenn Autos immer intelligenter werden, soll der Asphalt nicht dumm bleiben – daher entwickelt ein Team aus Herscheid und Dortmund kluge Straßen.

  • Firma aus Herscheid will Straßen fit für intelligente Autos machen
  • Kooperation mit Dortmunder Hochschulen trägt erste Früchte
  • System gegen Geisterfahrer soll bei München getestet werden

Irgendwann fahren Autos völlig selbstständig, total vernetzt und haben nur noch entspannte Passagiere. Vielleicht. Aber so lange können die heutigen Probleme nicht warten. Da wären Lkw-Fahrer, die ihre Lenkzeiten einhalten müssen, eine Pause brauchen, keinen Parkplatz finden, sich deshalb in die Einfahrt eines Rastplatzes stellen und Unfälle provozieren. Und da sind die oft tödlichen Unfälle, die Falschfahrer provozieren. Beides will die Wilhelm Schröder GmbH aus Herscheid zusammen mit der TU und der FH Dortmund künftig verhindern. Mit einem System, das Fahrzeugdaten über Sensoren in Leitpfosten aufnimmt und weiterverarbeitet.

Die Idee

Den Anstoß zu dem Projekt gibt ein schlimmer Unfall: Drei Mitarbeiter der Wilhelm Schröder GmbH werden im Jahr 2008 bei einem von einem Falschfahrer verursachten Unfall in der Nähe von Gießen schwer verletzt. (Inzwischen geht es allen wieder gut.) Das lenkt die Aktivitäten des Unternehmens, das in erster Linie Metall-Kunststoff-Hybride für Automobil- und Haushaltsgeräteindustrie produziert, auf ein neues Feld.

Man knüpft Kontakt zu einem Spezialisten für Funktechnologie an der TU Dortmund und entwickelt gemeinsam die Idee, Sensoren in Leitpfosten einzubauen – statt die aufwendigere Technik mit Induktionsschleifen im Straßenbelag einzusetzen. Dipl-Ing. Dennis Dorn arbeitet zu dem Zeitpunkt an der TU und wechselt 2011 als Projekt-Manager für MFDS, das MultiFunktionale DetektionsSystem, zur Wilhelm Schröder GmbH. 2015 bekam er einen Mitarbeiter, Anfang 2017 einen zweiten.

Der Falschfahr-Detektor

Mittlerweile ist das Falschfahrersystem, das an Autobahn-Auf- und -Abfahrten installiert werden soll, gründlich auf dem digitalen Testfeld der Bundesregierung an der A9 bei München erprobt worden. Sechs Pfosten bauen ein Funkfeld über einen Straßenabschnitt auf. Wenn ein Fahrzeug dies unterbricht, werden Fahrspur, Geschwindigkeit und Typ (Pkw oder Lkw) an eine Software-Plattform übermittelt. In Echtzeit. In Sekunden könnte dann eine Warnung an andere Autofahrer erfolgen. „Zugleich blinken die Leitpfosten rot, um den Falschfahrer selbst zu warnen“, ergänzt Dennis Dorn.

Die Parkplatzbilanzierung

Zusammen mit der FH Dortmund erweitert das Sauerländer Unternehmen das Einsatzgebiet der Technik: Die Funk-Pfosten registrieren, wie viele und welche Fahrzeuge auf einen Parkplatz auf- und abfahren. Das System wird zum Beispiel an den Westfalenhallen getestet. „Für den Betreiber ist es sehr interessant, statistische Daten darüber zu haben, wann es wie voll ist und wie viel Personal deshalb benötigt wird“, sagt Dorn. Getestet wird auch an der A9 und in Kürze an der Raststätte Sauerland West. Fabian Wackermann, Projektleiter für das Vorhaben an der FH, dort wird die Software geschrieben, nennt als Fernziel: „Ein Lkw-Fahrer könnte schon vor der Routenplanung eine Prognose über freie Parkplätze erhalten. Die Daten könnten an Radiostationen, Navigationsgeräte oder per App weitergegeben werden.“

Die Alternativen

Muss man überhaupt die Straßen schlau machen, wenn demnächst alle Autos digital vernetzt sind? „Demnächst kann dauern“, sagt Wackermann. „Die Bundesanstalt für Straßenwesen in Bergisch Gladbach hat uns versichert, dass sie sehr daran interessiert ist, eigene Daten zu erheben“, erklärt Dorn. Was spricht gegen Radar oder Kameras? Dennis Dorn: „Die Funktechnik funktioniert auch bei Nebel und Schnee und ist kostengünstig.“ Und wenn es keine Pfosten gibt, beispielsweise in der Stadt? Dann lassen sich Ampeln oder Straßenlaternen nutzen.

Die Zukunft

Falschfahrten zu verhindern und Parkplätze besser auszulasten, ist wichtig. Aber es ist viel mehr denkbar: die Analyse und Lenkung des Verkehrsflusses, die Vorhersage von Staus, die Optimierung von Routen in logistischen Prozessen, die Verknüpfung mit Messungen zur Feinstaubbelastung und einer Umleitung des Verkehrs. Der Straßenverkehr wird weiter wachsen, und bisher werden die für die Digitalisierung der Straße benötigten Daten nur sehr punktuell erfasst.

Die Finanzen

Der Mittelständler mit 150 Mitarbeitern, arbeitet nun seit sechs Jahren am System, die Vermarktung steht noch aus. Kann man sich das noch lange leisten? „Für solche Vorhaben braucht man einen langen Atem“, sagt Dennis Dorn. „Und wir haben auch Fördergeld eingeworben. Aber wir sind für die Zukunft sehr optimistisch.“ Und was würde so ein Falschfahrer-Warnsystem kosten? „Wir rechnen mit etwa 10 000 Euro pro Auffahrt. Die Falschfahrer-Schilder, die der frühere Verkehrsminister Ramsauer aufgestellt hat, waren auch nicht viel billiger.“