Lennestadt. Der EHEC-Erreger kostete eine Neunjährige aus Lennestadt das Leben. Die Mutter möchte nun Eltern warnen, rechtzeitig auf Symptome zu achten.
- Neunjährige aus Lennestadt starb im November 2016 an den Folgen einer EHEC-Infektion.
- Miriam Knoche blieben nur zehn Tage, um sich von ihrer Tochter zu verabschieden.
- Mutter möchte auf die Symptome hinweisen, damit Eltern rechtszeitig reagieren.
Ronja wurde nur neun Jahre alt. Sie starb am 23. November 2016 an HUS, einer Superinfektion, die sich aus den gefährlichen EHEC-Erregern entwickelt hat. Es ging alles sehr schnell. Miriam Knoche (33) aus Lennestadt blieben nur zehn Tage, um sich von ihrer Tochter zu verabschieden. Woher die Keime kamen, weiß bis heute niemand.
„Andere sollen nicht das durchmachen müssen, was wir erlebt haben“, erklärt Miriam Knoche, warum sie Ronjas Fall erzählt. Frau Knoche möchte Eltern warnen, auf die Symptome zu achten und sofort zu handeln. Auslöser für den Schritt an die Öffentlichkeit war eine weitere Infektion im Freundeskreis. Anfang März erkrankte der zweijährige Sohn einer Freundin, ebenfalls aus Lennestadt. Das Kleinkind lag sieben Wochen im Krankenhaus. „Hätte die Mutter unsere Geschichte nicht gekannt, wäre die Familie nicht sofort ins Krankenhaus gefahren.“
EHEC (enterohämorrhagische Escherichia coli) sind Bakterien, die sich im Darm von Wiederkäuern wie Rindern, Schafen, Ziegen, Rehen oder Hirschen befinden. Die Erreger können schweren Durchfall und Erbrechen verursachen.
- Anfang April starb in Erwitte eine 16-Jährige an den Folgen einer EHEC-Infektion. Wie bei der Neunjährigen aus Lennestadt, die im November starb, entwickelte sich das Hämolytisch-urämische Syndrom (HUS). Dabei treten Blutgerinnungsstörungen auf, rote Blutkörperchen werden zerstört. Kinder und Menschen mit Vorerkrankungen sind gefährdet.
- In NRW wurden 2015 den Behörden 268 EHEC-Erkrankungen, ein Jahr später 352 gemeldet. In jeweils neun Fällen registrierten die Mediziner das HUS.
Das Protokoll eines Alptraums:
14. November. Am Morgen steht Schwimmen auf dem Stundenplan der 3. Klasse. Ronja springt vom Dreimeterbrett. Später holt Miriam Knoche ihre Tochter früher von der Schule ab, das Mädchen klagt über Bauchweh. Frau Knoche legt ihre Tochter ins Bett. „Mit Zwieback und Hühnersuppe, wie Mütter das so machen“, erzählt Miriam Knoche fünf Monate später. Ronja bekommt Durchfall, sie muss sich mehrfach übergeben. „Es war sofort Blut dabei.“ Die Mutter ruft einen Rettungswagen. Der kommt um 21.30 Uhr in der Siegener Kinderklinik an. In der Nacht stellen die Ärzte beim Ultraschall einen vergrößerten Darm fest. Ronja wird auf ein Quarantäne-Zimmer verlegt.
15. November. Ronja ist schwach, aber ansprechbar. Am Nachmittag erhält sie eine Blutplasmaspende. Das Kind wird auf eine Darmspiegelung vorbereitet.
16. November. Bei der Darmspiegelung stellen die Ärzte fest, dass Ronjas Darm hochbefallen ist mit dem EHEC-Erreger. Die Nierenwerte sinken ab, das Kind soll am nächsten Tag nach Gießen verlegt werden, um den Darm zu entnehmen.
17. November. Erst gegen Mittag ist Ronja transportfähig. Sie fragt: „Mama, hast du Angst?“ In der Gießener Uniklinik wird Ronja gegen 15 Uhr untersucht. CT, Ultraschall. Die Darm-OP ist jedoch nicht mehr möglich, weil es durch das gebildete HUS zu Blutgerinnungsstörungen gekommen ist. Ronjas Zustand verschlechtert sich, gegen 23 Uhr versagen ihre Nieren.
18. November. Die Nierenwerte sind kritisch. Die Ärzte ordnen eine Verlegung in die Uniklinik Marburg an. Dort ist eine spezielle Dialyse möglich. Da Ronja nicht transportfähig ist, überlegen die Mediziner, die Dialyse nach Gießen zu holen. Um 9 Uhr erleidet das Mädchen einen Hirninfarkt, krampft, ist zehn Minuten ohnmächtig. Ein Arzt kneift Ronja ins Bein. „Aua“, sagt sie. Ein gutes Zeichen. Der Hirnschaden, so die Ärzte, scheint gering zu sein. Mittags wird das Mädchen nach Marburg gefahren. Während die Ärzte einen Zugang für die Dialyse legen, folgen weitere Hirninfarkte. Gegen 18 Uhr versetzen die Ärzte Ronja ins Koma.
19. November. Das Mädchen liegt weiter im Koma. Maschinen waschen täglich die Giftstoffe aus ihrem Blut. Die Neunjährige erhält Blutplasmaspenden und Bluttransfusionen.
20. November. Die Ärzte reduzieren die Narkosemittel, weil Ronja versucht, wieder selbst zu atmen. Erneut schöpft Miriam Knoche Hoffnung. Am Nachmittag schlägt Ronja die Augen auf und schaut ihre Mutter an. Frau Knoche ruft sofort ihren Mann. Gleichzeitig fällt der Puls ab. Das Gehirn des Mädchens schwillt an. Die Ärzte kämpfen um Ronjas Leben. Vergeblich. Der Familie bleiben 72 Stunden, um sich von Ronja zu verabschieden.
23. November. Am Nachmittag wird die Beatmungsmaschine abgestellt. Ronjas Herz hört auf zu schlagen. Die EHEC-Keime waren stärker.