Lippstadt. . Der Licht- und Elektronikkonzern Hella aus Lippstadt ist führend bei Entwicklung von Autoscheinwerfern und nutzt dazu einen eigenen Lichtkanal.
Von Lichtgeschwindigkeit bei der Entwicklung der Autoscheinwerfer zu sprechen, wäre gar nicht einmal so übertrieben. Jedenfalls: „In den letzten zehn Jahren ging die Post ab“, sagt Michael Kleinkes, Chef-Lichtentwickler bei Hella. Der Konzern aus Lippstadt ist führender Anbieter auf diesem Gebiet und hat mit dem Multibeam-LED-Scheinwerfer aktuell die intelligenteste Lichtquelle am Pkw auf dem Markt, verbaut in der Mercedes-E-Klasse.
3072 einzeln ansteuerbare Lichtpunkte
Allerdings ist der Multibeam bereits seit über einem Jahr in Serie – was gewissermaßen eine Ewigkeit her ist. Hella wäre nicht Marktführer, würde sich der Konzern auf einmal Erreichtem ausruhen. In der Zwischenzeit ist ein Projekt mit Osram, Mercedes, Infineon und dem Fraunhofer-Institut weiter fortgeschritten, mit dem die Leistungsfähigkeit des Multibeams vervielfacht werden wird. Statt der bisher 84 LED, die auf einem Kühlkörper in drei Reihen im Designkörper des Scheinwerfers sitzen, sind es dann 3072 einzeln ansteuerbare Lichtpunkte. Dabei geht es weniger um mehr Helligkeit, als Funktionalität.
Halogen wirkt wie Kaminbeleuchtung
Der gute alte Halogenscheinwerfer läuft mit 55 bis 65 Watt bei 13,2 Volt, also der normalen Autobatteriespannung und sorgt für eine Helligkeit von etwa 2800 Kelvin – die Sonne wird mit 6000 Kelvin gemessen. Der „Halo“ strahlt dieses typische gelblich warme Licht auf die Straße. Schon im Vergleich zum Nachfolger Xenon erscheint es eher wie eine Kaminbeleuchtung.
Xenon verschwindet vom Markt
Ein Xenonscheinwerfer liegt bei 4200 Kelvin, produziert ein viel weißeres Licht und verbraucht nur noch 35 Watt. Für Hellaexperte Kleinkes ist er dennoch Geschichte: „Xenon wird die erste Technologie, die komplett verschwindet.“ Zu teuer und anfällig im Vergleich zu den beschränkten Möglichkeiten gegenüber LED.
Halogen dagegen habe weiter seine Berechtigung am Markt als preiswerte Grundausstattung. Wenngleich es auch aus Sicherheitsgründen beinahe irrsinnig erscheint, spätestens, wenn man den 140 Meter langen Hella-Lichtkanal beeindruckt verlässt. Hier wird getestet, was mit Licht heutzutage alles möglich ist – und alles, was nicht noch geheim bleiben soll, zeigt Kleinkes mit Begeisterung: „Der Multibeam ist der erste Scheinwerfer, mit wir in der Digitalisierung des Lichts angekommen sind.“
Lichtleisten weisen die Spur
Mit der Beleuchtung der Vergangenheit hat das nichts mehr zu tun. An den Scheinwerfern dieser Generation ist absolut nichts mehr mechanisch. Vielmehr spielen Güte und Bauart der Matrix-LED eine Rolle, die richtige Software ist entscheidend, die jede LED einzeln so ansteuern kann, dass Gegenverkehr und vorausfahrende Fahrzeuge nicht mehr geblendet, Fußgänger und Verkehrszeichen optimal ausgeleuchtet werden und demnächst sogar zwei Lichtstrahlen exakt auf Fahrzeugbreite in einer engen Baustelle anzeigen, ob’s passt zwischen Lkw und Leitplanke – oder nicht.
LCD-Projekt mit Porsche
In Zukunft wird es auch möglich sein, Warnhinweise auf die Fahrbahn zu projizieren, etwa wenn ein Stauende naht, und sie an das Navigationsgerät weiterzuleiten.
Es gibt einen Wettlauf der Unternehmen darum, bei den Megatrends ganz vorne zu sein. „Entscheidend ist, welche Funktion kann man auf die Straße bringen“, erklärt Kleinkes. Eine Möglichkeit an der Spitze zu bleiben ist die Weiterentwicklung des LED-Matrixscheinwerfers wie im Gemeinschaftsprojekt mit Osram, Infineon, Daimler und Co.
623 Millionen Euro für Forschung & Entwicklung
Hella beschäftigt rund 34 000 Menschen, davon 6000 in Forschung und Entwicklung (F&E).
Im Geschäftsjahr 2015/2016 erzielte Hella einen Umsatz von 6,352 Milliarden Euro. 623 Millionen Euro flossen in F&E.
Neben Licht ist ein Schwerpunkt Fahrzeugelektronik wie Energiemanagement und Fahrerassistenz-Systeme.
Oder andere Projekte mit anderen Partnern. Hella entwickelt gerade einen LCD-Scheinwerfer zusammen mit dem Sportwagenhersteller Porsche. Auch der gibt nicht mehr Licht ab, aber eine wesentlich höhere Auflösung von bis zu 50 000 Pixel her. Was extrem exakte Darstellungen zulässt. Das LCD-Display wird auch von LED beleuchtet. Im Sommer soll die Entwicklung bereits weitgehend abgeschlossen sein.
Bild-Spezialisten in Berlin
Eine entscheidende Rolle spielen bei den Scheinwerfern von morgen die Kameras im Auto, die bereits heute, kaum sichtbar, zwischen Windschutzscheibe und Innenspiegel angebracht sind. Bei HellaAglia in Berlin beschäftigen sich deshalb 200 Experten mit nichts anderem als Bildverarbeitungssoftware. Die Hauptstadt ist für diese Entwicklerszene offenbar attraktiver als Lippstadt. Von den 6000 Hella-Mitarbeitern in der Forschung und Entwicklung haben heute bereits ein Drittel mit Software zu tun. Je besser sie sind, desto besser ist am Ende auch der Hella-Scheinwerfer.