Siegen. . In der Technik jagt eine Revolution die andere. Ganz vorne mit dabei ist eine Siegener Chip-Schmiede, die den Weltmarkt erobern will.
- Siegener Ingenieure haben einen 3-D-Chip für Smartphones entwickelt
- Autonomes Fahren und räumlich sehende Roboter sollen möglich werden
- Reale und virtuelle Räume sollen verschmelzen
20 Jahre ist das Smartphone alt – und wird gerade wieder neu erfunden. Telefonieren geht immer noch, aber mittlerweile halten wir kleine Computerwunderwerke in den Händen. Die nächste Revolution hat bereits begonnen, und das Siegener Unternehmen „pmd technologies“ ist daran beteiligt. Siegener Ingenieure haben einen 3-D-Chip entwickelt, der beinahe unglaubliche Möglichkeiten eröffnet, im Smartphone, beim Thema autonomes Autofahren, für räumlich sehende Roboter. „Das Besondere an unserem Bildsensor ist, dass er in Lichtgeschwindigkeit Entfernungsinformationen liefert“, erklärt Firmengründer Bernd Buxbaum. Was sich vielleicht unspektakulär anhört, verändert tatsächlich unsere Wahrnehmung der Welt.
Mit der Technologie von pmd können in reale Räume auch virtuelle Wesen oder Gegenstände projiziert werden. Reale und virtuelle Welt verschmelzen so. Das ist höchst reizvoll für Spiele-Entwickler, für alle Arten von „Pokemon Go 2.0“. Es ist auch durchaus amüsant, wenn damit eine virtuelle Welt mit Einhörnern und anderen Fabelwesen auf dem Handy entsteht, in der sich dann Menschen bewegen können und sich plötzlich neben diesen Wesen wiederfinden. Spielereien? Sicherlich, „aber auch ein Megamarkt“, weiß Buxbaum.
pmd- Chip spielt beim autonomen Fahren eine Rolle
Im Lenovo Phab 2 Pro, das er in seiner Hand hält, steckt der Chip bereits drin. Ins Topmodell von Asus wird er ebenso eingebaut. Apple entwickelt eigenständig, ist direkter Konkurrent. Pmd arbeitet gemeinsam mit Google an dem Projekt, das sie „Tango“ nennen – Mobiltelefone sollen Wände, Natur, Autos und Flugzeuge so dreidimensional wahrnehmen wie wir Menschen selbst.
Das führt nicht nur zu spielerischen Ergebnissen. Es ist eine Möglichkeit. Darüber hinaus gibt es viele nützliche Anwendungsbereiche, die sich wirtschaftlich nutzen lassen. Ein Innenarchitekt etwa könnte mit einem 3-D-Smartphone leicht zeigen, wo welche Möbel gestellt werden sollten, welche Vorhangfarbe am besten passt.
Auch bei der Digitalisierung der Arbeitswelt dürfte pmd-Technologie eine erhebliche Rolle spielen. Als im vergangenen Jahr der damalige US-Präsident Barack Obama mit Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Virtual Reality Brillen begeistert über den Stand des Essener Sensorenspezialisten IFM auf der Hannover Messe liefen, hatten sie pmd-Chips vor dem Kopf. Die 3-D-Technolgie aus Siegen wird beim Thema autonomes Fahren eine wichtige Rolle spielen. Ein pmd-Chip im Innenraum eines Pkw angebracht, kann wichtige Informationen liefern, weil er eben dreidimensional erfasst, was vor sich geht. Wo sitzt der Fahrer? Was tut er? Zeitung lesen oder muss er bereits geweckt werden? Intelligente Airbags werden möglich. Im Falle eines Unfalls erkennt der Chip genau, wo sich d er Kopf befindet. Entsprechend könnte das Sicherheitssystem optimal ausgelöst werden. Nicht nur Entertainment also.
Unternehmen will auch in Zukunft auf Südwestfalen als Standort setzten
„Es geht immer darum, die echte Welt zu ergänzen“, sagt Buxbaum, der an der Universität Siegen studiert hat. Vor 15 Jahren (!) sucht der frischgebackene Ingenieur keine Anstellung bei einem renommierten Unternehmen, sondern macht sich mit seiner Idee selbstständig. Ein langer, erfolgreicher Weg, den er nicht allein geht. Buxbaum sucht sich Partner und findet das Unternehmen IFM aus Essen, das sich zunächst mit 25 Prozent an pmd beteiligt. Heute ist pmd technologies eine hundertprozentige Tochtergesellschaft und seit Januar AG, um schnelleres Wachstum zu ermöglichen.
Buxbaum ist weiter der Chef von rund 200 offenkundig Begeisterten: „In unserem Chip stecken ungefähr 700 Mannjahre Entwicklung.“ Bis auf eine Handvoll Mitarbeiter sind sämtliche pmd-Beschäftigte höchst qualifizierte Ingenieure wie Buxbaum selbst. 80 von ihnen sitzen noch dort, wo 2002 alles begann. In einem Gebäude der Universität Siegen. Mit dem zuletzt rasanten Wachstum auch personell, wird sich dies in Kürze ändern. Pmd wird neu bauen und umziehen, nicht nach Kalifornien, wo Mitte des Jahres in San Jose ein kleiner Standort eröffnet wird, sondern innerhalb von Siegen. „Wir wollen damit einen Hochtechnologie-Standort für Südwestfalen auf Dauer sichern“, erklären Bernd und Sandra Buxbaum, die für Marketing zuständig ist. 500 Arbeitsplätze soll dieses Zentrum bieten. Raum für weiteres Wachstum von pmd, aber auch Anlaufstelle für Startups wie vor 15 Jahren für Buxbaum selbst. Das Niveau bei pmd-technologies sei „schon relativ hoch“, sagen Buxbaum und Buxbaum. Mitarbeiter, die von der Technolgie fasziniert sind und daran mitarbeiten möchten, kommen zunehmend aus dem Ausland nach Südwestfalen. Der Bedarf an klugen Köpfen ist enorm hoch. „Aber, wir haben auch weiter Absolventen von der Uni Siegen“, macht Bernd Buxbaum angehenden Akademikern aus der Region Mut, die an dem Besonderem mitarbeiten möchten.
So groß wie eine kleine Briefmarke
- Der 3-D-Chip von pmd-technologies ist etwa so groß wie eine kleine Briefmarke und extrem flach.
- Pmd lässt die Chips bei Infineon in Dresden fertigen, laut Bernd Buxbaum handelt es sich um „einige Millionen Chips“.
- Die Prognosen für die Zukunft: Die Ausstattung von Topsmartphones mit 3-D-Kameras hat begonnen. In Kürze werden Überwachungskameras mit dieser Technik auf den Markt kommen.
- 2019 oder 2020 werden die Chips im Automobilbereich für autonomes Fahren eingesetzt.
- In fünf Jahren werden Roboter mit 3-D-Technolgie in Haushalten Einzug halten.