Unna. . NWL-Geschäftsführer Burkhard Bastisch spricht offen über die Schwierigkeiten im Sauerlandnetz – und verteidigt die Deutsche Bahn.
Der Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) organisiert den Schienennahverkehr in Westfalen. Wir sprachen mit NWL-Geschäftsführer Burkhard Bastisch (Jahrgang 1952) über fehlende Züge und Lokführer.
Herr Bastisch, es gibt seit Monaten Probleme im Sauerlandnetz. Die zugesagten neuen Züge vom Typ Pesa sind nicht einsatzfähig.
Bu rkhard Bastisch: Die Fahrzeuge kommen zum Fahrplanwechsel im Dezember 2019. Nicht alle auf einen Schlag, sie werden zeitlich versetzt über ein halbes Jahr in das Netz eingespeist. Deshalb müssen wir uns mit den Fahrzeugen, die überwiegend aus dem Kölner Dieselnetz kommen, weiter beschäftigen. Die haben leider nicht die Qualität, die unsere Fahrgäste erwarten: Zum einen passt die Bahnsteighöhe nicht zum Einstieg, und dann sind sie sehr intensiv genutzt worden, so dass noch einige Werkstattbesuche anstehen. Bis zu den Sommerferien hoffen wir aber, dass sich eine stabile Situation einstellt. Dazu gibt es noch die Neigetechnikzüge und die alten Dieseltriebwagen VT 628 aus den 90er Jahren. Von den 12 Neigetechnikfahrzeugen sind gerade mal die Hälfte einsatzbereit. Von daher können wir derzeit noch einigermaßen froh sein, dass dieser Altbestand überhaupt verfügbar ist.
Bereuen Sie die Vergabe an die Deutsche Bahn?
Erste RRX-Züge fahren ab Ende 2018
Während der Ausbau der Schienen-Infrastruktur für den Regionalschnellzug RRX noch mindestens bis 2030 benötigen wird, starten die Züge im RRX-Vorlaufbetrieb Ende 2018. Auf der Strecke des RE11 (Düsseldorf-Kassel) werden dabei auch Soest und Lippstadt angefahren. Auf der RE4-Strecke (Aachen- Düsseldorf- Schwelm-Hagen-Dortmund) fahren die RRX-Züge ab Ende 2020.
Bastisch: Nein. Die Probleme haben mit dem Betreiber gar nichts zu tun. Mit einem anderen Betreiber hätten wir vermutlich noch größere Probleme, weil der keinen größeren Fahrzeugbestand in Reserve gehabt hätte. Es hätte auch noch schlimmer ausgehen können.
Pesa ist nicht der erste Hersteller, der Probleme mit der rechtzeitigen Fahrzeuglieferung und Zulassung hat...
Bastisch: Ja, das häuft sich. Die Anforderungen an die Hersteller sind sehr hoch. Und die Deutsche Bahn hat lernen müssen, dass sie sich stärker um die Fertigung der Fahrzeuge kümmern muss. Sie ist mit eigenem Personal im Pesa-Werk in Polen im Fertigungsprozess eingebunden. Wir haben darauf reagiert und schreiben neu zu vergebende Verkehrsleistungen noch früher aus als in der Vergangenheit. Wir kalkulieren mit 48 Monaten Vorlauf. Hinzu kommt: Der Dieselmarkt entwickelt sich rückwärts. Die Zahl der Hersteller sinkt, immer mehr Netze werden elektrifiziert. Wir haben die Befürchtung, dass dadurch die Preise bei der nächsten Ausschreibung steigen werden.
Die Chance auf Elektrifizierung im Sauerland besteht aber nicht?
Bastisch: Nein, da sehe ich keine Chance. Allein schon wegen der Tunnelbauten auf den Strecken.
Ärger gibt es auch mit Ausfällen bei der Hessischen Landesbahn (HLB). und der Eurobahn.
Bastisch: Bei der HLB und der Eurobahn sind die personalbedingten Ausfälle auch ein Problem des Managements. Zwischen Finnentrop und Olpe musste der Verkehr ja zeitweise gänzlich eingestellt werden. Solche personalbedingten Ausfälle sind nicht typisch für die Unternehmen. Die HLB und die Eurobahn ragen hierbei heraus, während anderen Unternehmen wie die DB AG, Abellio, Nordwestbahn und Westfalenbahn diese Probleme praktisch nicht kennen.
Was können Sie tun?
Lückenschluss im Sauerland
Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2017 soll nach Angaben des NWL die letzte Lücke der Schienenstrecke Köln - Gummersbach - Meinerzhagen - Lüdenscheid-Brügge geschlossen werden. Allerdings fährt die Regionalbahn RB25 (bislang stündlich bis Meinerzhagen) zunächst im Zwei-Stunden-Takt bis Lüdenscheid-Brügge; sie hält nicht in Kierspe und Halver-Oberbrügge. Grund: im Bahnhof Kierspe fehlt noch Planrecht für den Lärmschutz. „Mindestens eine Fahrplanperiode, vielleicht bis in das Jahr 2019 hinein“, so Burkhard Bastisch, müssen die Fahrgäste mit dem Provisorium leben. Der Anschluss in Brügge an Volmetalbahn sei aber gegeben. Die Reaktivierung der Strecke war ursprünglich für 2015 geplant.
Bastisch: Es fehlen im Moment die Triebfahrzeugführer. Es gibt zwar eine hohe Bereitschaft, in den Beruf zu gehen; er wird auch vergleichsweise nicht so schlecht bezahlt. Aber die Anforderungen an die Ausbildung sind sehr hoch. Kaum die Hälfte der Personen erhält die Zulassung, der Mangel ist deutschlandweit inzwischen spürbar. Das Überfahren im Testlauf von Rotsignalen kann dann zur Nichtzulassung führen. Diese hohen Anforderungen sind der Sicherheit des Eisenbahnsystem geschuldet. Der Markt führt dazu, dass auch mit Prämien um Lokführer geworben wird. Das entwickelt sich zu einem kleinen Pilotenmarkt.
Können Sie bei Totalausfällen den Verkehrsvertrag kündigen?
Bastisch: Da gibt es es aufgrund der vertraglichen Rahmenbedingungen enorme juristische Hürden. . Was zuletzt bei Keolis passiert ist, reicht nicht aus, um solche Konsequenzen ziehen zu können.
Was können die Fahrgäste tun?
Bastisch: Im NWL wie bei den anderen Aufgabenträgern gibt es keine speziellen Entschädigungsregelungen. Diese bestehen auch nur im direkten Zusammenhang zwischen Fahrgast und Unternehmen. Landesweit gibt es eine Mobilitätsgarantie. Sie wird von den Fahrgästen aber nur in verschwindend geringer Zahl in Anspruch genommen – auch, weil sie nicht sehr nutzerfreundlich gestaltet ist.