Hagen. Kostenlos-Angebote und die „Sharing Economy“ boomen. Viele Menschen wollen bewusster leben. Aber auch finanzielle Aspekte spielen eine Rolle

Mein Haus, mein Auto, meine Jacht – so fing in den neunziger Jahren ein Werbespot an. Heutzutage sieht das ganz anders aus: Sei es nun, einen Schlafplatz in der eigenen Wohnung zur Verfügung zu stellen oder nicht mehr benötigte Lebensmittel einfach weiterzugeben - Kostenlos- und Sharing-Angebote boomen auch in Südwestfalen.

Schon zehn Repair-Cafés

Ganz vorne mit dabei sind die sogenannten „Repair-Cafés“, bei denen vor allem Elektro- und Elektronikgeräte vor der Mülltonne gerettet werden sollen. Bei den Treffen teilen ehrenamtliche Helfer ihr technisches Know-How mit den Besitzern von defekten Toastern oder spinnenden Handys. Seit das Konzept im Jahr 2009 erstmals in den Niederlanden vorgestellt wurde, haben sich alleine im Sauer- und Siegerland insgesamt zehn feste Treffpunkte etabliert.

„Wir erleben eine positive Entwicklung. Wir sind seit dem Start 2016 mit rund 25 Teilnehmern pro Woche regelmäßig gut besucht. Im Schnitt können unsere Helfer 75 Prozent aller mitgebrachten Geräte tatsächlich wieder reparieren“, sagt Klaus Leskau, Organisator beim Repair-Café Meschede. Noch beliebter sind öffentliche Bücherschränke, die es mittlerweile in vielen Städten und Gemeinden gibt. Insgesamt können mittlerweile an 18 Punkten in Südwestfalen kostenlos Bücher entnommen und abgegeben werden. Hinzu kommen Give-Boxen, bei denen neben Büchern auch noch andere Dinge abgegeben werden können und „Swap“-Partys, Tauschtreffen für Kleidung .

Wunsch nach Nachhaltigkeit

Hintergrund für die steigende Beliebtheit solcher Angebote ist aber nicht unbedingt fehlendes Geld. Es geht vor allem um eine sinnvollere Nutzung von Ressourcen, wie Dr. Julian Dörr, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Siegen erklärt: „Wir beobachten, dass die Menschen nachhaltiger leben wollen und sich verstärkt mit einer besseren Nutzung der vorhandenen Mittel beschäftigen.“ Die Theorie des Forschers bestätigen die Food-Sharer aus Siegen. Die Gruppe rettet regelmäßig noch genießbare Lebensmittel vor der Entsorgung: „Bei uns geht es darum, den respektvollen Umgang mit Lebensmitteln zu fördern“, sagt Malte Niessing, einer der Organisatoren der Gruppe. Die Mitglieder holen regelmäßig in mehreren Restaurants und Cafés der Stadt nicht verwendete oder verkaufte Speisen ab. „Wir bringen die Sachen zu unserem sogenannten Fair-Teiler, einer Art öffentlicher Kühlschrank.“ Anders als etwa bei den Tafeln kämen auch nicht nur ärmere Menschen zur Ausgabe: „Prinzipiell kann bei uns auch ein Manager vorbeikommen“, sagt Niessing.

Immer mehr Angebote

Einen ähnlichen Ursprung hätten auch die wachsenden Angebote der sogenannten „Sharing Economy“. Dazu gehören etwa die private Untervermietung von Wohnraum oder Car-Sharing. Angebote, die auch im Sauer- und Siegerland immer beliebter werden - wie das Angebot auf der Internetplattform AirBnb exemplarisch zeigt: Das Unternehmen vermittelt weltweit Schlafplätze von privaten Anbietern und listet alleine für das Sauerland über 100 Anzeigen.

Leihen statt kaufen

„Auch hier spielt der Wunsch, Ressourcen besser zu nutzen und sich umweltschonender zu verhalten, sicherlich eine zentrale Rolle“, erklärt Dörr, der ergänzt: „Zusätzlich erhoffen sich Menschen, gerade beim Übernachten, ein persönlicheres Erlebnis durch sozialen Anschluss am Übernachtungsort. Anders als es zum Beispiel große Hotelketten bieten können.“ Bei Modellen wie Car-Sharing sei hingegen reizvoll, dass Nutzer nicht die Pflichten übernehmen müssten, die Eigentum mit sich bringe: „Es macht einen Unterschied, ob ich ein Auto nur zeitweise besitze oder mich als Eigentümer um Wartung, TÜV und Versicherung kümmern muss.“ Nicht zuletzt spiele auch der finanzielle Aspekt eine Rolle. So kann man über AirBnb für rund 30 Euro in Arnsberg übernachten, normale Hotelzimmer schlagen mit etwa 80 Euro zu Buche. Im Gegensatz zu Kostenlos-Angeboten müsse man Sharing deshalb klar abgrenzen: „Beim Sharing stehen meist - durchaus legitime - kommerzielle Interessen im Vordergrund“, sagt Dörr.

Kaum Regelungen

Obwohl Teilen auf den ersten Blick eine gute Möglichkeit für Anbieter wie Nutzer sei, berge die vor allem durch das Internet wachsende „Sharing Economy“ aber auch Risiken. „An sich ist auch hier der Wunsch, Ressourcen verstärkt zu teilen, zu begrüßen. Allerdings muss es dafür faire Rahmenbedingungen geben“, sagt Julian Dörr. So gebe es etwa für die Vermittlung von Wohnungen bisher kaum gesetzliche Regeln: „Wenn jemand privat seine Wohnung untervermietet, ist das an sich völlig legitim“, sagt Dörr, der ergänzt: „Wenn sich einige Akteure durch systematische und dauerhafte, aber unregulierte Vermietung große finanzielle Vorteile, etwa gegenüber familiengeführten Hotels, die sich an Auflagen und Gesetze halten müssen, verschaffen, liegt Wettbewerbsverzerrung vor. Die Politik sollte dann gegensteuern.“