London/Siegen. . Was zieht man an im altehrwürdigen Londoner Auktionshaus Christie's? Und wie läuft die Versteigerung ab? Wir waren dabei und verraten es.
- 13 Hauptwerke der privaten Kunstsammlung von Barbara Lambrecht-Schadeberg sind für 18,6 Millionen Euro versteigert worden
- Die Krombacher-Gesellschafterin verkauft bei der Frühjahrsauktion bei Christie’s in London insgesamt 43 Bilder
- Mit dem Erlös kann das Museum für Gegenwartskunst in Siegen neue Kunst erwerben
Um die Gunst einer Dame zu erlangen, überschlagen sich die Herrschaften im Saal. Der Auktionator spricht immer schneller, um alle Gebote zu erfassen. Sein Körper schwingt von links nach rechts und wieder zurück. Der Hammer klopft bei 4,8 Millionen Euro. Ein unfassbarer Preis. Das Gemälde „Femme et enfant au balcon“ von Berthe Morisot steht symbolisch für einen Abend im Auktionshaus Christie’s, an dem Frauen die Hauptrolle spielen werden. Kern der Versteigerung sind die 13 Hauptwerke der Privatsammlung der Krombacher-Gesellschafterin Barbara Lambrecht-Schadeberg.
Gepflegter Empfang
„Good evening my Lady.“ Ein Herr im schwarzen Anzug schwingt lächelnd die schwere Tür auf. Er führt den Gast aus der nassen Londoner Abendkälte ins Innere des Auktionshauses Christie’s. Das Foyer wirkt. Ein dicker, brauner Teppich dämmt die Schritte hoher Absätze, führt den Weg über eine Holztreppe hinauf ins Herz des Hauses: den Auktionssaal. Es duftet nach Maiglöckchen, rote Gladiolen in armlangen Vasen rahmen das gediegene Ambiente. Gepflegte Herren mit gepflegten Umgangsformen. Die Damen tragen Kleider in gedeckten Farben und kleine Handtaschen im Wert eines Monatsgehaltes. Doch Chanel und Louis Vuitton drängen sich nicht auf. Das Ambiente ist elegant zurückhaltend, nicht protzig. Aufdringlich riecht lediglich die Handcreme auf der Toilette.
Endlich im Saal
Nach und nach nehmen die Gäste mit ihren roten Bieterkellen die Plätze in der Mitte des Saals ein. Manche werden das kleine Schild mit ihrer Nummer tatsächlich heben, andere sind nur aus Neugier da. Händler, die den Markt beobachten, Kunstfreunde, die es genießen, innerhalb weniger Minuten viele Klassiker zu sehen. Speeddating mit Impressionisten und Moderner Kunst. 500 Menschen passen in den Raum. Links und rechts neben dem hölzernen Auktionspult vorn stehen in zwei Reihen Christie’s-Mitarbeiter, die ihre Telefonbieter auf dem Stand halten. An den königsblauen Wänden hängen knapp 50 Millionen Euro. Gauguin, Magritte, Le Corbusier - weitere wertvolle Auktionsstücke des Abends, die jedoch nicht zur Lambrecht-Sammlung gehören. Die Presse steht rechts neben dem Eingang hinter einer schwarzen Kordel. Ob Frau Lambrecht-Schadeberg wohl auch anwesend ist, fragt eine Kulturjournalistin. Sie soll wohl sehr deutsch aussehen, raunt eine andere.
Der Bilder-Träger tritt auf
Den Anfang der Lambrecht-Sammlung macht ein Picasso-Portrait, gemalt von Lluis Alemany, unterzeichnet von Picasso selbst. Also quasi mit Echtheitszertifikat. Ein junger Mann in einer grauen Schürze und mit Krawatte trägt das 47x31 Zentimeter große Bild in den Saal und stellt es vorsichtig auf die Staffelei. Ein verantwortungsvoller Job, der hoffentlich gut versichert ist. Die Experten von Christie’s schätzen das Gemälde auf 300.000 bis 500.000 Pfund. Der erfahrene Auktionator Jussi Pylkkänen, seit fast 30 Jahren bei Christie’s, eröffnet die Auktion. Er wiegt sich hin und her, folgt mit dem Oberkörper den Geboten, einen Kugelschreiber in der Linken, den kleinen Hammer aus Metall in der Rechten. Auf der Wand hinter ihm ist das Bild noch einmal in groß zu sehen. Rechts daneben wird das aktuelle Gebot angezeigt. In Pfund, Franken, Dollar, Euro, Rubel, Yen, Yuan und Hongkong Dollar.
Das schwache Pfund lockt viele Bieter aus Asien. Sie sind per Telefon zugeschaltet. Pylkkänen flirtet, reizt, bringt das Publikum immer wieder zum Lachen. „400 000? Nicht von dem Herren an der Tür. Ok.“ Plötzlich erstarrt sein Oberkörper - ein Zeichen dafür, dass der Preis am oberen Ende angekommen ist - und zack, klopft er mit einer kleinen Bewegung aus dem Handgelenk den Hammer auf sein Pult. Verkauft für 640.000 Pfund.
Unter dem Hammer
Im Minutentakt kommen so die Bilder unter den Hammer. Dann trägt der beschürzte Helfer das Gemälde mit der Dame auf dem Balkon hinein. Die Aufregung im Publikum ist spürbar. Das Bild der Impressionistin Berthe Morisot ist bekannt. Es wurde bereits in den großen Museen der Welt gezeigt. Doch bis vor wenigen Wochen war unbekannt, wem das Bild tatsächlich gehört. Seit 1976 befindet es sich in der Lambrecht-Sammlung. Eine Rarität also. Die Künstlerin schuf das Werk in den 1870ern, behauptete sich damals in einer Männerdomäne. Ihr Leben weist so auch eine Parallele zu Barbara Lambrecht-Schadeberg auf. Sie wuchs in der Schadeberg-Dynastie der Krombacher-Brauerei auf. Auch dieses Geschäft liegt weitgehend in Männerhand. Da auch ihr Mann nach wenigen Ehejahren starb, entwickelte sich Barbara Lambrecht-Schadeberg früh zu einer willensstarken, mutigen Frau.
Das Wettrennen der Bieter
Zurück zur Auktion. Die Dame erregt weiter das Publikum. Eine Frau mit einer runden Brille, spitzem Kragen und Yoko-Ono-Frisur hält immer wieder die Hand vor den Mund. Die anderen Bieter sollen nichts von dem Preis mitbekommen, den sie gerade mit ihrem Kunden abspricht. Immer wieder signalisiert sie: I’m in. Ich biete weiter. Sie liefert sich einen Schlagabtausch mit einem Telefonbieter auf der anderen Seite des Saals. Sie bleibt hartnäckig. Und Zack. Die kleine Handbewegung mit dem Hammer. Pylkkänen erteilt ihr den Zuschlag. Wer das Bild erhält, bleibt anonym. Auch Barbara Lambrecht-Schadeberg erfährt nicht, wer ihre Dame gekauft hat. Wahrscheinlich reist sie nun an einen Kunden in Asien. Vielleicht auch zu einer starken Frau.
Die Versteigerung der 13 Hauptwerke aus der Privatsammlung der Siegerländer Kunstmäzenin Barbara Lambrecht-Schadeberg (81) hat am Dienstagabend die Erwartungen bei Christie’s übertroffen. Insgesamt kamen 18,6 Millionen Euro zusammen. Alle Werke - darunter Gemälde von Renoir, Monet und Max Ernst - wurden über dem Schätzwert verkauft. Für die Überraschung des Abends sorgte das Bild „Femme et enfant au balcon“ der Impressionistin Berthe Morisot. Es verdoppelte seinen Schätzwert fast und ging für 4,8 Millionen Euro unter den Hammer. „Wir sind wahnsinnig zufrieden“, sagt Kurator Prof. Dr. Christian Spies. Er hatte die Auktion gemeinsam mit Barbara Lambrecht-Schadeberg in einem Nebenzimmer verfolgt. Lambrecht-Schadeberg sei glücklich über den erzielten Preis und freue sich darüber, dass die Gemälde ein neues Zuhause gefunden haben. Insgesamt werden 43 Werke verkauft.
Der Erlös der Versteigerung kommt dem Siegener Museum für Gegenwartskunst zugute. Damit wird gesichert, dass in Zukunft Arbeiten der Rubenspreisträger der Stadt Siegen angekauft werden können. Lambrecht-Schadeberg war maßgeblich an der Eröffnung des Hauses im Jahr 2001 beteiligt.