Königssee/Winterberg. . Fünf Medaillen, davon drei goldene, bei der WM fachen die Euphorie im deutschen Bob-Lager an. Was Bundestrainer René Spies trotzdem belastet.
- Chef-Bundestrainer der deutschen Bob-Piloten eine Art Vermittler
- Nach dieser Saison soll sich jeder Pilot auf einen Bob festlegen
- Nach dem WM-Triumph am Königssee dämpft Spies die Euphorie
Es war ein Versuch. „Aber kein guter“, sagt René Spies und lacht leise. Am Tag nach dem historischen Triumph im Viererbob bei der Weltmeisterschaft am Königssee wollte der Chef-Bundestrainer schlicht seine Ruhe haben – und schaltete sein Handy bis zum Mittag aus. „Und jetzt arbeite ich doch eine erstaunlich lange Liste ab“, erzählt er im Gespräch mit dieser Zeitung.
Es waren allerdings nicht die Nachwehen der WM-Abschlussparty am Sonntagabend, die in Spies diese Sehnsucht nach Ruhe weckten. Während in Schönau am Königssee zum einen der historische Doppelsieg der beiden zeitgleichen deutschen Piloten Francesco Friedrich und Johannes Lochner inklusive der Bronzemedaille von Nico Walther im Viererbob und der Zweier-Titel von Friedrich sowie Bronze im kleinen Schlitten von Lochner gefeiert wurden, war René Spies bereits auf der rund siebenstündigen Rückfahrt zu seiner Familie nach Winterberg.
Das Duell: FES gegen Wallner
Eine zweiwöchige Heim-WM kostet Kraft – besonders bei dem Mann, der die komplette Verantwortung für das sportliche Abschneiden trägt. Und das ist der Sauerländer seit dieser Saison. Was ihn zusätzlich und vielleicht sogar ein wenig mehr fordert, verrät der Chef-Bundestrainer nach dem herausragenden WM-Ergebnis und vor der Abreise am Mittwoch zur internationalen Testwoche mit abschließendem Weltcup-Finale nach Pyeongchang (Südkorea), Olympia-Stadt im kommenden Jahr, zum ersten Mal in dieser Klarheit: Das von ihm und dem Bob- und Schlittenverband für Deutschland (BSD) initiierte Duell der beiden Bob-Hersteller FES (Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten) und Wallner in der deutschen Mannschaft.
Damit sich bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang nicht die Medaillen-Nullnummer von Sotschi 2014 wiederholt, fahren und testen die deutschen Piloten in dieser vor-olympischen Saison Prototypen beider Hersteller. „Zwei Hersteller in einem Team zu haben, ist wirklich knackig“, sagt René Spies, „das war das Herausfordernste in dieser Saison.“ Weil natürlich jeder versucht, sein Produkt an die Piloten zu bringen, sah sich Spies des Öfteren in der Rolle des Vermittlers, manchmal sogar in der des Streitschlichters, auch wenn er das so nie zugeben würde.
„Eine Saison hältst du das durch, aber über einen längeren Zeitraum nicht“, sagt der 43-jährige Sauerländer lediglich. Er mag zwar auch das Wort Spionage nicht sonderlich, „und es war auch nie so, dass irgendjemand nachts in die Garage des anderen geschlichen ist“, sagt René Spies, „aber es wird immer so sein, dass jeder Hersteller auch woanders schaut“.
Nur Mitfavoriten, keine Favoriten
Doch spätestens der Erfolg bei der WM verdeutlichte, wie wichtig der verschärfte Konkurrenzkampf mit Blick auf die Olympischen Spiele im kommenden Jahr ist. Allerdings dämpft Spies die Doppel-Weltmeister- und Medaillen-Euphorie sofort ein wenig. „Es war eine Heim-WM. Wir fahren als Mitfavoriten zu den Olympischen Spielen, aber nicht als Favoriten“, sagt er.
Aus der Erfahrung weiß der ehemalige Pilot, dass die Konkurrenz nach dieser Saison verschärft an der Materialschraube drehen wird. „Wir wissen, dass es in Pyeongchang richtig eng werden wird“, erklärt er und spricht von acht anderen Mitfavoriten auf Medaillen und olympisches Gold. Deshalb sollen sich seine Piloten vor der kommenden Saison jeweils möglichst auf den Bob eines Herstellers festlegen, damit dieser bis ins allerletzte Material-Detail für die Olympia-Bahn perfektioniert werden kann.
Geht dieser Plan auf, dann war die zu Ende gehende Weltcup-Saison nicht nur ein Versuch, sondern dessen wichtigster Teil.