Siegen. . Mit dem Hauberg entwickeln die Siegerländer das früheste Genossenschaftsprinzip. Er soll Weltkulturerbe werden. Wir erklären, wie es funktioniert

Es gibt keine Römer, keinen Kölner Dom und keine Loreley. Südwestfalen wird von außen, aber auch in der Selbstwahrnehmung, als geschichtslose Region angesehen. Dies ist ein Irrtum, das belegen drei Initiativen zum Weltkulturerbe. Diese drei Monumente und Kulturtechniken stellen wir in einer Serie vor und erläutern den jeweiligen Stand des Verfahrens. Den Start macht der Siegerländer Hauberg.

Der Siegerländer Hauberg

Zwei Umweltkatastrophen haben dazu geführt, dass die weltweit erste genossenschaftliche und nachhaltige Wirtschaftsordnung im Siegerland erfunden worden ist. Der Siegerländer Hauberg gilt als einzigartiges Beispiel ressourcenschonender Bewirtschaftung. Volkmar Klein, CDU-Bundestagsabgeordneter für den Kreis Siegen-Wittgenstein, sieht ihn als Teil des weltweiten immateriellen Kulturerbes. Klein ist zusammen mit dem Burbacher Bürgermeister und Forstexperten Christoph Ewers ein Motor der Initiative, den Hauberg auf die Welterbeliste zu bringen. „Der Hauberg ist etwas Besonderes, wird aber bei uns gar nicht so gewürdigt. Ähnliche und abgewandelte Konzepte könnten an anderen Stellen und anderen Orten der Welt helfen“, so seine Begründung.

Am Anfang steht Raubbau

Topographisch gesehen, ist das Siegerland für die menschliche Besiedlung nicht gut geeignet. Zu den steilen Hängen kommen saure Böden. Allerdings haben die reichen Bodenschätze schon in der Steinzeit zu Expeditionen an die Sieg geführt. Die Kelten betreiben den Bergbau in größerem Stil. Dafür brauchen sie viel Holzkohle. Um 500 vor Christus ist das Siegerland kahl geschlagen. 700 Jahre später haben sich die Wälder wieder erholt. Dann kommen die Franken und starten eine gezielte Siedlungspolitik mit dem Ziel, das begehrte Eisen für die fränkischen Könige zu beschaffen. Wieder wird zuviel abgeholzt, im frühen Mittelalter ist der Wald übernutzt. 1562 erscheint die erste Forstordnung, die einen Raubbau verhindern soll. Das Ziel: Es wird nicht mehr Holz geschlagen als nachwächst.

Überlebenswichtiger Wald

„Zur damaligen Zeit war das Holz lebenswichtig“, analysiert Ulrich Gießelmann aus Kreuztal- Fellinghausen. Der pensionierte Förster ist Vorsitzender des Fördervereins Historischer Hauberg Fellinghausen. „Das Siegerland war arm, weil keine Landwirtschaft möglich war.“ Der Wald liefert nicht nur Brennholz und Holzkohle, er dient zudem der landwirtschaftlichen Nutzung.

Nachhaltigkeit geht vor

Die Hauberg-Ordnung regelt das bis ins kleinste Detail. Vereinfacht gesprochen, werden 20 Hektar Wald in Parzellen eingeteilt und diese Parzellen wieder in Eigentumsanteile. Ein Hektar wird jeweils abgetrieben, dann wird er 20 Jahre lang in Ruhe gelassen, damit er sich wieder erholen kann. Im Jahreskreislauf verkommt keine Eichel, kein Ast und kein Stück Eichenrinde, die an die Gerbereien verkauft wird. Alle Arbeiten sind festgelegt: wann das Vieh durchgetrieben wird und wann Roggen oder Buchweizen ausgesät werden. Selbst das Laub verwertet man als Einstreu. Nach 20 Jahren sind die Waldgenossen wieder beim ersten Hektar angekommen. „Dieses Wirtschaftsprinzip ist praktizierte Nachhaltigkeit“, erläutert Gießelmann. „Es beruht auf dem Wechsel von sehr intensiver Wald-Landwirtschaftsbewirtschaftung und Ruheperioden. Das sicherte das Überleben der Dörfer.“

Bis heute praktiziert

Der Nachhaltigkeitsgedanke und das genossenschaftliche Bewirtschaften sind also im Siegerland erfunden worden. Bis heute wird in der Region nach dieser Methode gearbeitet. „Die Fläche des Waldes hat sich nicht viel verringert“, so Gießelmann, „der überwiegende Waldanteil sind im Siegerland Hauberggenossenschaften. Nur dass der typische Eichen-Birken-Niederwald jetzt vielerorts der Fichte gewichen ist.“

Projektgruppe erarbeitet Antrag

Der Kreis Siegen-Wittgenstein koordiniert derzeit die Aktivitäten, die notwendig sind, um den Hauberg-Antrag bei der deutschen Unesco-Kommission für das immaterielle Kulturerbe einzureichen. Darum kümmern sich eine Projektgruppe mit vier Arbeitskreisen und zwei externe Beraterinnen.

Zuerst muss das NRW-Kulturministerium überzeugt werden. Bis zum 31. Oktober soll die Begründung dort vorliegen. Auch zu den benachbarten Regionen in Hessen und Rheinland-Pfalz sowie dem Kreis Olpe sollen Kontakte aufgebaut werden, denn dort wird der Wald teilweise ebenfalls nach dem Haubergprinzip bewirtschaftet.

Die Erstellung eines Verzeichnisses des immateriellen Kulturerbes ist ein mehrstufiges Verfahren, an dem die Länder, die Beauftragte der Bundesregierung, das Auswärtige Amt und die Deutsche Unesco-Kommission beteiligt sind. Jedes Bundesland trifft eine Vorauswahl und kann bis zu vier Vorschläge an die Kultusministerkonferenz übermitteln. Die Vorschlagsliste wird an das Expertenkomitee ­Immaterielles Kulturerbe weitergeleitet.