Warstein. . Forscher aus Paderborn untersuchen das Schützenwesen im Sauerland. Die Problemlage ist überall ähnlich, die Reaktionen sind unterschiedlich.
- Forscher aus Paderborn untersuchen Schützenvereine auf Zukunftsfähigkeit
- Sorge über hohen Altersdurchschnitt und unbesetzte Vorstandsposten
- Zu wenige aktive Schützen, die die Tradition leben
„Auf jeden Fall.“ Auch in 25 Jahren wird es Schützenfeste geben, davon ist Risikoforscher Peter Becker (44) überzeugt: „Die Schützenvereine wird nicht das Schicksal der Gesangsvereine ereilen“, sagt Becker. Allerdings werden sich die Traditionen wandeln.
Mit welchen Herausforderungen die Vereine derzeit und in Zukunft zu kämpfen haben, hat Peter Becker, übrigens selbst seit 25 Jahren Mitglied im Briloner Schützenverein, mit seinen Kollegen am Center for Risk Management an der Universität Paderborn untersucht. Fünf Vereine öffneten hierfür ihre Bücher und Herzen. Die Ergebnisse wurden am Mittwoch in Warstein vorgestellt.
Vergreisung
Das dringlichste Problem: Der hohe Altersdurchschnitt. Die demografische Entwicklung schlägt sich in allen Vereinen nieder. In einem der untersuchten Vereine sind sogar 61 Prozent der Mitglieder älter als 60 Jahre. Ältere Schützen erzählten den Forschern, wie sehr sie als Jugendlicher dem Eintritt in den Verein entgegengefieberten. „Das ist heute nicht mehr so.“ Ein gutes Beispiel für erfolgreiche Jugendarbeit liefert laut Becker der Verein in Meschede-Calle. Die Jungschützenabteilung umfasst 50 Mitglieder (vor wenigen Jahren waren es nur fünf), im Verein an sich sind 428 Männer. „Der Vorstand hat die Jugendlichen gezielt angesprochen und gleich ganze Freundeskreise überzeugt einzutreten“, sagt Peter Becker. Dieses Engagement hat den Forscher sehr beeindruckt.
Vorstand
Bei den Wahlen bleiben Vorstandsposten häufiger unbesetzt. Becker führt zwei Gründe auf. Zum einen erfordern die Ämter immer häufiger Spezialwissen in Buchführung oder Steuerrecht, und zum anderen sind weniger Menschen bereit, kontinuierlich für eine Sache zu arbeiten. Der Trend gehe eher zu projektbezogenem Engagement. Ein Beispiel seien die Projektchöre. Becker: „Aber im Schützenwesen ist das schwierig. Tradition ist nicht etwas, das man kurz lebt und es dann wieder lässt.“
Finanzen
Die finanzielle Ausstattung der Vereine ist nicht lebensbedrohlich, aber besorgniserregend. Kopfzerbrechen bereiten immer neue Auflagen, die die Schützenvereine umsetzen müssen. Becker: „So wird es für die Vereine schwieriger zu planen.“ Dazu gehören Umbauten in den Hallen für Notausgänge (Sicherheit) oder neue Theken (Hygiene). Hinzukommt, dass der Umsatz bei den Schützenfesten sinkt. Deshalb passen Schützen ihre Feste an.
Feste
Viele Schützenvereine verändern den Festablauf, um mehr Menschen zu erreichen, oder die Bewirtungsform, damit der Umsatz steigt. In Brilon gründeten die Schützen eine GbR und übernahmen die Bewirtung selbst. Das Thekenpersonal arbeitet auf Provision. Es gibt keinen Festwirt. „Ein erfolgreiches Konzept. Der Verein übernimmt aber auch das komplette Risiko.“ Die meisten Vereine organisieren weitere Feiern, um nicht nur vom Schützenfest im Sommer abhängig zu sein. In Calle etablierte sich ein Winterschützenfest.
Frauen
„In keinem Verein wird darüber nachgedacht, Frauen als Mitglieder aufzunehmen“, sagt Becker. Laut seiner Einschätzung wäre der Effekt auch gering. „Der Kuchen wird dadurch nicht größer, die Stücke werden nur kleiner.“ Denn die meisten Frauen seien als Partnerinnen bereits involviert.
Vorfahren
Glaube. Sitte. Heimat. Mit dem Leitsatz der Schützen hat Becker Schwierigkeiten: „Fragen Sie mal jemanden, was er unter Sitte versteht.“ Das sei heute nicht mehr so eindeutig. Man müsste die Bedeutung der Worte neu übersetzen. „Es geht nicht darum, Traditionen über Bord zu werfen. Alte Traditionen zu leben, ist das Schöne am Schützenwesen.“