Witten/Herdecke. . Dr. Ha Vinh Tho ist in Bhutan Leiter des Zentrums für Bruttonationalglück – und gibt in Witten/Herdecke Tipps für ein zufriedenes Leben.

  • Glück ist im Königreich Bhutan Staatsziel und in der Verfassung verankert
  • Glücksexperte des Himalaya-Staates gibt in Witten/Herdecke Tipps
  • Wirtschaftswachstum kein Selbstzweck, sondern nur ein Mittel für mehr Wohlergehen

Es war einmal ein König, der schenkte seinen Untertanen das Recht auf Glück. Was wie ein Märchen klingt, ist Wirklichkeit in der kleinen Monarchie Bhutan. In der Verfassung des Himalayastaates zählt das Wohlergehen des Volkes mehr als wirtschaftliches Wachstum. „Glücksminister“ ist Dr. Ha Vinh Tho, Leiter des Zentrums für das Bruttonationalglück. Wie man das Glück findet, hat er nun an der Universität Witten/Herdecke erklärt.

Wie wird man glücklich?

Die Augen glitzern warm. Das Lächeln wirkt zufrieden. Ha Vinh Tho ist ganz offensichtlich ein Experte: ein glücklicher Mensch. Doch ein Patentrezept dafür hat er nicht. Der „Glücksminister“ vermittelt nicht den Partner fürs Leben, er verteilt keine Lottogewinne, hilft nicht dabei, den Traumjob zu finden. Es geht beim Bruttonationalglück nicht um diese „freudigen Erlebnisse“, nicht um das kurzlebige hedonistische Glück. „Das ist zwar auch wichtig“, betont Ha Vinh Tho. „Es geht aber darum“, sagt der Glücksminister, „Rahmenbedingungen zu schaffen für eine gute, glückliche Existenz“. Also für ein sinnvolles und harmonischen Leben.

Was ist Glück?

Das Bruttonationalglück in Bhutan steht auf vier Grundpfeilern: eine gute Regierung, die das Glück aller Menschen und Lebensformen fördert. Der Schutz der Umwelt. Die Förderung der Kultur, Wissenschaft, Kunst und Spiritualität. Eine sozial gerechte und nachhaltige Entwicklung. Ziele, die auch in Deutschland Verfassungsrang haben. Ziele, von denen auch hierzulande vermutlich nahezu jeder Politiker behaupten würde, sie zu verfolgen. Allerdings: „In der westlichen Welt hat das Wirtschaftswachstum einen höheren Stellenwert als die anderen Ziele“, kritisiert Ha Vinh Tho. Da bleibe für anderes kaum mehr Platz. Wirtschaftswachstum, Profit und Geld aber seien keine Ziele, sondern nur Mittel, um eine zufriedene Gesellschaft zu schaffen.

Wie wird das Bruttonationalglück gemessen?

Gemessen wird des Glücksgefühl des Volkes in Bhutan mittels Umfragen. Seit 2008 interviewen die Glücksforscher alle drei Jahre ein Prozent der Bevölkerung, repräsentativ ausgewählt. Untersucht werden dabei neun Indiktoren, zum Beispiel Gesundheit, Gemeinschaftswesen, Lebensstandard, Wohlergehen, die Zeitverwendung. Die Ergebnisse bisher: Der Lebensstandard wird von den Bürgern zunehmend besser bewertet. Verschlechtert haben sich die Umfragewerte beim Indikator Gemeinschaftswesen. Ein Resultat, das eigentlich der Glücksphilosophie des Landes zu widersprechen scheint. „Das lässt sich aber im Rahmen eines Modernisierungsprozesse nicht ganz verhindern“, sagt Ha Vinh Tho. Es gehe aber darum, für Bhutan den Weg einer vorsichtigeren, nachhaltigere Entwicklung zu finden als manches Nachbarland ihn gegangen sein. Einen Weg in die Moderne, „ohne dass das Land seine Seele verliert“. Einen Weg der sich hoffentlich auf andere Länder, auch auf die entwickelte Welt übertragen lasse, hofft Ha Vinh Tho.

Glücklich – aber arm

Dr. Ha Vinh Tho ist 1951 in Toulouse als Sohn einer Französin und eines vietnamesischen Diplomaten geboren. Von 2005 bis 2011 war er Direktor der Ausbildungssektion beim Internationalen Roten Kreuz. Seit 2012 ist er Leiter des Zentrums für Bruttonationalglück in Bhutan. Er lebt mit seiner Familie in Genf.

Bhutan ist eine konstitutionelle Monarchie. Der Himalayastaat hat in etwa die Größe der Schweiz. Dort leben etwa 1,2 Millionen Einwohner. Mehr als zwei Drittel des Landes sind bewaldet. Die Vereinten Nationen führen Bhutan auf der Liste der am wenigsten entwickelten Länder der Welt.

Lässt sich Glück lernen?

Dass auch Deutschland etwas von Bhutan lernen kann, darauf setzt Ha Vinh Tho. Deshalb wirbt er mit Vorträgen wie an der Universität Witten/Herdecke für das Glücksmodell des Landes. Umsetzen lässt es sich seiner Ansicht nach in dem im Vergleich zu Bhutan so großen Deutschland jedoch zunächst nur in den Städten und Gemeinden auf Quartiersebene. „Das muss hier von unten nach oben wachsen.“

Lernen lässt sich Glück seiner Überzeugung nach auch für den einzelnen: „Glück ist eine Kompetenz.“ Neben den guten Rahmenbedingungen, die der Staat schaffe, brauche es eine innere Veränderung der Haltung. Es brauche Achtsamkeit und Mitgefühl. „Wir müssen Kräfte von innen entwickeln.“ Gerade in einer Zeit, in der die Aufmerksamkeit der Menschen geraubt werde – zum Beispiel durch Smartphones, Internet soziale Medien. Und so werden Achtsamkeit und Mitgefühl für Mensch und Umwelt an Bhutans Schulen gelehrt.

Was macht einen Glücksminister glücklich?

Es ist die Zeit mit der Familie, mit den Kindern und den Enkeln, die den Glücksminister glücklich machen. Dazu Wanderungen in den Bergen. Da hat es Ha Vinh Tho, der in der Schweiz lebt und nun in Bhutan arbeitet, ziemlich glücklich getroffen. Soweit zum hedonistischen Glück des Experten.

Wenn es aber um das tiefe Glück, das sinnvolle Leben geht, „dann bin ich froh, dass ich diesen Posten als Leiter des Zentrums für Bruttonationalglück bekommen habe“, sagt er. Zuvor war er sechs Jahre lang von 2005 bis 2011 für das Internationalen Rote Kreuz tätig, hat die großen Krisen- und Kriegsgebiet der Welt erleben müssen. Eine sehr wichtige Arbeit, wie er betont. Aber doch nur das Behandeln der Symptome. „Jetzt kann ich das Glück in der Welt fördern. Jetzt kann ich den Fluss aufwärts gehen.“