Hagen. . Dr. Ralf Geruschkat ist neuer SIHK-Hauptgeschäftsführer. Im WP-Interview spricht der Volkswirt darüber, wo er Schwerpunkte setzen möchte.

  • Neuer SIHK-Hauptgeschäftsführer drängt auf schnelleren Ausbau des Glasfasernetzes
  • Kupfer darf nur Zwischenschritt sein
  • Städte sollen sich bei Breitband stärker engagieren

Zwei Monate hat Dr. Ralf Geruschkat sich umgeschaut, zugehört und sich so weit wie möglich in die Struktur der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer zu Hagen vertieft. Ab heute ist er als Hauptgeschäftsführer für die Geschicke der Kammer und die Betreuung der rund 46 000 Betriebe im Bezirk zwischen Ennepe-Ruhr-Kreis, Hagen und Märkischem Kreis verantwortlich. Die WESTFALENPOST sprach mit dem 43-Jährigen über seine ersten Eindrücke und darüber, wo er Schwerpunkte setzen möchte.

Herr Geruschkat, nach Berlin, Brüssel und zuletzt Frankfurt nun in Hagen – wie gefällt Ihnen unsere Region?

Dr. Ralf Geruschkat: Sehr gut. Hagen ist eine grüne Großstadt mit einer schönen Innenstadt. Und in der Region haben wir wirklich schöne Ecken, schöne Plätze. Und immer wenn man in das nächste Tal fährt, sieht man erfolgreiche Industrieanlagen.

Hört sich an, als seien Sie bereits ordentlich herumgekommen.

Dr. Geruschkat: Seit ich hier bin, habe ich schon 30, 40 Unternehmen aller Branchen besucht. Und ich habe mir das auch für die nächsten drei Monate so vorgenommen.

Nach welchen Kriterien wählen Sie die Besuche aus?

Dr. Geruschkat: Ich besuche zunächst die maßgeblichen Akteure. Diejenigen, die in der Kammer engagiert sind, möchte ich alle kennenlernen. Das mache ich im Moment ganz intensiv, um zuzuhören. Die Region ist stark durch inhabergeführten Mittelstand geprägt. Das ist toll, anders als in Frankfurt und anderen Ballungsräumen wie Düsseldorf oder Köln.

Wo liegen die Herausforderungen in unserer Region?

Dr. Geruschkat: Es gibt zwei Megatrends, glaube ich. Digitalisierung und Demografie, das ist jetzt auch keine Überraschung.

Können Sie das bitte konkretisieren?

Dr. Geruschkat: Es geht um Themen wie den Breitbandausbau. Und Straßen. Was ich hier in NRW an Staus erlebe, ist wirklich einmalig. Unfassbar. Außerdem drängt die Fachkräftefrage.

Viele Unternehmen brauchen händeringend Breitband. Was tun Sie da?

Dr. Geruschkat: Das Gespräch suchen. Die politisch Verantwortlichen in Düsseldorf versprechen, hier alles zu tun, was möglich ist.

Bis 2018 nur 50MBit-Leitungen in Kupfer. Ist das der richtige Weg?

Dr. Geruschkat: Manchen hilft das schon. Aber es reicht nicht. Wir brauchen Glasfaser so schnell wie möglich. Damit müssten wir morgen anfangen. Kupfer kann nur ein Zwischenschritt sein.

Müssten die Kommunen nicht mehr tun?

Dr. Geruschkat: Ich habe Infrastruktur bisher als öffentliche Aufgabe verstanden. Wenn man geistig nicht den Sprung schafft zu verstehen, dass ein Breitbandkabel so wichtig ist wie eine Straße, dann werbe ich dafür, es so zu verstehen.

Breitband kostet Geld, das viele Städte nicht haben. Wie soll das gehen?

Dr. Geruschkat: Mir stellt sich die Frage, ob es hier nicht einen Systemfehler gibt. Wir haben Rekordsteuereinnahmen, aber die Städte sind pleite. Und dennoch: Breitband ist eine Investition in die Zukunft. Vielleicht gerade dort, wo wenig Geld sitzt.

Was kann die SIHK für die Menschen und die Wirtschaft tun?

Dr. Geruschkat: Die Kammer muss die Region mitgestalten. Sie ist Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft und ist hier der Übersetzer. Auch, um Politik darauf hinzuweisen, nicht nur in Wahlperioden zu denken. Die Städte in der Region müssten sich mehr Gedanken über eine andere Willkommenskultur machen.

Was meinen Sie mit Willkommenskultur? Für wen?

Dr. Geruschkat: In diesem Fall meine ich nicht für Geflüchtete, sondern für ganz normale Neubürger wie mich, aber auch Unternehmen. Die Städte müssten kundenorientierter denken. Jede Kommune ist gut beraten, Gewerbesteuer zahlende Betriebe kräftig zu umwerben.

Meinen Sie, Verwaltung hat vergessen, dass sie Dienstleister ist?

Dr. Geruschkat: Vergessen nicht, aber es ist noch Luft nach oben. Ich freue mich sehr, dass ich hier eine Kammer vorgefunden habe, die sehr dienstleistungsorientiert ist.

Wird die Region denn angemessen im Land, in Düsseldorf gehört?

Dr. Geruschkat: Ich höre häufig, dass sich die Wahrnehmung des märkischen Südwestfalens als drittstärkste Industrieregion Deutschlands in der Landesregierung verbessert hat. Dazu hat sicher auch die Regionale beigetragen. Dieses Bewusstsein zu schärfen, daran sollten wir in Zukunft auch als Kammer weiter arbeiten und in der Landeshauptstadt laut und deutlich sagen, wo etwas zu tun ist.

Wie sieht Ihre Analyse der SIHK aus?

Dr. Geruschkat: Wir haben hier eine sehr gut funktionierende Doppelspitze. Wir sind, wie gesagt, kundenorientiert. Was die SIHK von anderen unterscheidet, ist der ausgeprägte Bildungsschwerpunkt.

Andere Kammern sind schlanker aufgestellt. Ist die SIHK zu groß?

Dr. Geruschkat: Die Kammer ist genau so groß, wie es das Ehrenamt vorgibt und für die Aufgaben erforderlich ist. Die Vollversammlung bestimmt die Arbeitsschwerpunkte und das Budget. Ich muss dafür sorgen, dass es wirtschaftlich abläuft.

Wie sehen Sie denn die Notwendigkeit, sich als Kammer an gesellschaftlichen Debatten einzubringen?

Dr. Geruschkat: Ich sehe die SIHK schon in der Rolle, an der Attraktivität der Region zu wirken. Ich glaube, bei Themen wie Verkehr, Bildung und anderen haben wir an vielen Stellschrauben gearbeitet. Das werden wir auch in Zukunft tun. Gerne auch in Kooperation mit anderen Institutionen.


>> ZUR PERSON

Dr. Ralf Geruschkat wurde in Köln geboren. Er ist in Bergisch-Gladbach aufgewachsen. Der 43-Jährige ist verheiratet und hat drei Kinder.

  • Geruschkat absolvierte ein Studium der Betriebswirtschaftslehre in Marburg und der Pennsylvania State University (USA).

  • Seine Promotion in Volkswirtschaft schrieb er über wettbewerbspolitische Herausforderungen des Internets.