Hagen. . Viel Gesprächsstoff: Der JU-Vorsitzende Paul Ziemiak aus Iserlohn spricht im Interview mit der Westfalenpost über aktuelle Themen und Probleme.

Der Iserlohner Paul Ziemiak (31) ist seit 2014 Bundesvorsitzender der Jungen Union (JU). Auf dem Essener Parteitag der CDU Anfang Dezember brachte die JU den Antrag ein, die Doppelpassregelung für Kinder türkischer Eltern wieder abzuschaffen.

Sie haben die Kanzlerin ordentlich geärgert. War das so geplant?

Paul Ziemiak: Nein. Was die Junge Union beantragt hat, also die Pflicht, sich für einen Pass zu entscheiden, ist gültige Beschlusslage der Union. Die wurde mit knapper Mehrheit bestätigt. Das ist alles.

Hatten Sie angenommen, die Kanzlerin würde sich freuen?

Das war nicht unser Kriterium. Angela Merkel hat ihre erneute Kandidatur erklärt und ein gutes Ergebnis bekommen. Sie hat unsere Unterstützung. Dann gibt es Anträge und Diskussionen, auch kontroverse. Das finde ich wichtig. Wenn es anders wäre, würden Sie uns Wahlverein nennen. Es geht um eine Sachfrage, nicht gegen die Kanzlerin. Aber ich gestehe zu: Die doppelte Staatsbürgerschaft ist nicht unser größtes Problem. Entscheidende Themen sind andere.

Das wie die innere Sicherheit?

Das Thema Sicherheit ist immer wichtig und beschäftigt die Menschen, nach Berlin mehr denn je.

Läuft die Diskussion darüber mit täglich neuen Vorschlägen richtig?

Die Menschen erwarten zu Recht, dass die Politik auf den ersten großen Terroranschlag des IS in Deutschland reagiert. Zumal im Fall eines Attentäters, von dem die Sicherheitsbehörden wussten, wie gefährlich er war. Daher begrüße ich etwa den 15-Punkte-Sicherheitskatalog, den Armin Laschet vorgelegt hat. Er arbeitet die Zusammenhänge zwischen IS-Terror und Flüchtlingskrise heraus, vermischt die beiden Themen aber nicht wild miteinander.

Was heißt das?

Islamistischen Terrorismus und den IS gab es schon vor der Flüchtlingskrise. Der IS-Terror gehört zu den Hauptgründen für die Flucht von Millionen. Und Terroristen versuchen, die Fluchtrouten zu nutzen. Aber die richtige Entscheidung, Menschen in Not aus Gründen der Humanität zu helfen, darf nicht dafür herhalten, dass manche Landesregierungen im Umgang mit terroristischen Gefährdern versagen. Wie etwa Rot-Grün in NRW.

Was sollte man tun?

Wir dürfen Flüchtlinge nicht unter Generalverdacht stellen. Aber wer zu uns kommt, muss unsere Gesetze respektieren. Wer sich strafbar macht, muss zurückgeführt werden. Wer einen Obdachlosen anzündet, muss selbst nach Syrien zurück. Dann muss das Asylverfahren sofort abgebrochen werden. Vor allem aber müssen wir Abschiebungen, die doch das Ergebnis eines rechtsstaatlichen Verfahrens sind, auch durchsetzen.

Das ist oft nicht so leicht...

In anderen Bundesländern offenbar leichter als in NRW. Hier sind immer die anderen schuld. Nach dem Fall Amri reagierte Innenminister Jäger wie nach den Vorfällen in Burbach und an Silvester am Kölner Dom: Erst abstreiten, dann beschönigen, dann so tun, als sei man Vorreiter. Wenn vom NRW-Innenminister nur der Blitzermarathon bleibt, muss er sich fragen, ob er der richtige für dieses Amt ist.

Ist er für den NRW-Wahlkampf der CDU ein Geschenk des Himmels?

Er ist jedenfalls kein Geschenk für die Sicherheit des Landes. In seiner Amtszeit hat sich die Zahl der Salafisten in NRW nahezu versechsfacht. NRW gehört zu den Ländern, in denen die gesetzlichen Möglichkeiten der Sicherheitsbehörden am geringsten ausgestaltet sind. In anderen Bundesländern können Gefährder, denen man zeitnah die Begehung einer Straftat zutraut, bis zu zwei Wochen in Unterbindungsgewahrsam genommen werden, in NRW maximal 48 Stunden. Ähnlich verhält es sich bei der Videoüberwachung, bei Bodycams für Polizisten, bei der Schleierfahndung auch ohne konkreten Verdacht.

Hätte das den Anschlag von Berlin verhindert?

Natürlich lässt sich ein Selbstmordattentäter nicht von einer Videokamera abschrecken. Aber bei entsprechender Gesichtserkennung wäre ihm das Untertauchen vielleicht nicht gelungen. Zudem kann Videoüberwachung die Fahndung erleichtern und die Suche nach den Hintermännern. Alle unsere Forderungen geben keine Garantie für Sicherheit. Aber alle zusammen erhöhen den Schutz. Es muss doch zu denken geben, wenn Amri scheinbar im Ruhrgebiet einen Rückzugsraum hatte.

Das wird ihr Wahlkampfthema?

Wir haben in NRW auch andere Themen: Bildungschaos, Kinderarmut, Verschuldung, schwaches Wirtschaftswachstum, Rückstände bei der Digitalisierung. Oben stehen wir nur beim Stau.

Würden Sie nach Berlin noch einmal den Essener Antrag stellen?

Das hat nichts miteinander zu tun. Aber die Ablösung des NRW-Innenministers ist sicher wichtiger als die doppelte Staatsbürgerschaft.