Hagen. . Die Geburtenzahlen steigen, Flüchtlinge kommen: Das wirft die Kindergartenplanung von Gemeinden und Kreisen über den Haufen.
- Die Geburtenzahlen steigen, Flüchtlinge kommen.
- Das wirft die Planungen der Gemeinden und Kreise in Südwestfalen über den Haufen.
- Statt Gruppen zu schließen, müssen sie neu bauen.
„Mach nur einen klugen Plan, sei nur ein kluges Licht, mach dann noch ‘nen zweiten Plan, geh’n tun sie beide nicht.“ Was Berthold Brecht schon wusste, wird derzeit für die Jugendämter in Südwestfalen Wirklichkeit. „Vieles ist über einen längeren Zeitraum planbar, aber nicht alles.“ So steht es im Bedarfsplan des Kreises Siegen-Wittgenstein für das aktuelle Kindergartenjahr.
Die Wirklichkeit
Die Kinderlein kommen wieder? Die Geburtenzahlen steigen in Südwestfalen: im vergangenen Jahr um 8,4 Prozent in der Stadt Hagen. Das sind 137 Kinder mehr als im Vorjahr – macht in naher Zukunft fünf bis sechs Kindergartengruppen zusätzlich. Um 7,7 Prozent ist die Geburtenzahl im Kreis Olpe gestiegen, 91 Kinder mehr oder etwa vier Gruppen. Flüchtlingskinder kommen noch dazu. Als man im Oktober 2015 die Kinderzahlen ermittelte, waren es in Siegen-Wittgenstein 218 Flüchtlinge unter sechs Jahren. Drei Monate später schon 315.
Der Plan
Der Plan aber war ein anderer. Vor fünf Jahren noch, blickt Kai Maibaum, Leiter des Jugendamtes Iserlohn, zurück, lautete die Prognose, dass die Geburtenzahlen drei bis vier weitere Jahre auf gleichbleibend niedrigem Stand bleiben und dann „nach unten abknicken“ sollten. Damals sei man davon ausgegangen, dass 2016 die ersten Gruppen schließen würden.
Die Lösungen
Stattdessen wird neu gebaut: ein Kindergarten mit vier Gruppen in der Iserlohner Innenstadt. In Brilon soll im Sommer eine neu gebaute Kita mit vier Gruppen eröffnen. Gleich drei Kindergärten sind in Hagen errichtet worden.
Doch bauen braucht seine Zeit. So müssen sich Gemeinden und Kreise vorerst anders behelfen. Indem Gruppen überbelegt werden – in Absprache mit dem Landesjugendamt. Indem Teilgruppen in den „Mehrzweckräumen“ von Kindergärten eingerichtet werden. „Kinder haben aber nicht nur einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz, sondern auch einen Anspruch auf eine qualitativ gute Betreuung und Förderung“, heißt es zum Beispiel in der Bedarfsplanung des Hochsauerlandkreises. Deshalb wolle man Überbelegungen und provisorische Lösungen künftig vermeiden. Im Kreis Olpe hat man eine 20-köpfige Projektgruppe eingerichtet, die bis Februar kommenden Jahres Ideen unterbreiten soll.
Die Probleme
Weil es mehr Kinder gibt, kann eine Stadt wie Hagen nicht mehr die angepeilte Betreuungsquote von 38 Prozent bei den Kindern unter drei Jahren erfüllen. Und im Kreis Siegen-Wittgenstein ist die Quote gegenüber dem Vorjahr von 36,7 Prozent auf 35,9 Prozent gesunken. Ein Problem für die Kommunen und Kreise: Rufen sie jetzt Investitionsgelder von Bund und Land ab, um weitere Plätze für U3-Kinder zu schaffen, sind diese Mittel auf 20 Jahre gebunden. 20 Jahre lang also dürfen sie diese Plätze für die kleineren Kinder nicht in Plätze für Kinder über drei Jahren umwandeln. Das macht Investitionsmittel unattraktiv.
Immerhin: Bislang scheint es zu gelingen, Träger für neue Kitas zu finden. Es gebe aber Wohlfahrtsverbände, die „sehr zurückhaltend“ auf Anfragen reagierten, bestätigt Kai Maibaum. Der Grund: die Finanzierung durch das Land NRW. Ebenso problematisch: Erzieher zu gewinnen. Noch finde man Fachkräfte, heißt es aus Siegen-Wittgenstein. „Aber“, so eine Kreissprecherin, „wenn wir weitere Angebote schaffen müssen, wird es schwieriger.“
Das könnte passieren. In der Stadt Siegen werden im kommenden Jahr 65 Plätze mehr benötigt.