Hallenberg. . Klaus Dickel (62) betreibt in Hallenberg eine der letzten Wollspinnereien Deutschlands. Zu seiner Spezialität gehört die Wolle der Moschusochsen.
- Klaus Dickel (62) betreibt in Hallenberg eine Wollspinnerei in der fünften Generation
- Zu seinen Spezialitäten gehört die Wolle der Moschusochsen
- Der Hallenberger profitiert auch vom Trend zur Alpakazucht
Vor den trüben Industriefenstern plätschert die Nuhne vorbei. Die Röhren an der Decke tauchen die Fabrik in gelbliches Licht. Ein mechanisches Rattern, ähnlich einer Nähmaschine, erfüllt den Raum. 400 Spindeln drehen in einer langen Reihe vor den Fenstern hauchdünne Fäden auf. Die Zeitung könnte heuer das Jahr 1820 schreiben, doch dann tritt Klaus Dickel (62) in Jeans, Sweatshirt und Arbeitsschuhen vor die Maschine. Er betreibt die Wollspinnerei in der fünften Generation.
Geschichte
Die Textilindustrie steckte einst in allen Tälern. „Überall, wo es Mühlen gab, wurde mit der Wasserkraft auch gesponnen“, erzählt Klaus Dickel. Der Schmallenberger Strumpfhersteller Falke an der Lenne blieb als einer der wenigen. Und eben die Streichfadenspinnerei Dickel am Nuhne-Fluss in Hallenberg. Dickels Ur-Ur-Großvater war einst Förster in Wittgenstein. Doch nachdem er einen Wilderer stellte, wollte er nicht mehr in den Wald. Sein Dienstherr, der Fürst zu Sayn-Wittgenstein, vermachte ihm deshalb eine Mühle in Schwarzenau. Später kaufte die Familie eine Mühle in Hallenberg, weil es Klaus Dickels’ Urgroßmutter ins Sauerland zog. Klaus Dickel übernahm den Betrieb im Jahr 1982, zuvor ließ er sich an der Aachener Fachhochschule zum Textilingenieur ausbilden. Dickel: „Ich bin diplomierter Spinner.“
Produktion
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Dickel wirft ein braun-weißes Knäuel Alpakawolle in den Krempel, so heißt die 2,50 Meter breite Maschine. Der Krempel transportiert die Wolle geräuschvoll über große und kleine Rollen, bis am Ende ein hauchzarter Flies zum Vorschein kommt. Dieses Vlies wird in gleichdünne Partien aufgeteilt, und auf Spulen gewickelt. „Das ist das Vorgarn“, erklärt Dickel. Die automatische Spinnmaschine spinnt das Vorgarn schließlich zu Garn. Über einen mechanischen Wagen werden die Fäden immer wieder langgezogen, gleichzeitig gedreht und auf eine Spule gewickelt. 400 Spindeln erledigen diesen Job gleichzeitig. Für zehn Kilogramm benötigen die Maschinen bis hierhin 45 Minuten. Später werden die Fäden je nach Wunsch mehrfach miteinander verzwirnt und auf versandfertige Spulen gewickelt.
Moschusochse
Moschusochsen stapfen unter anderem durch Grönland. Die Tiere halten eine Temperatur von Minus 50 Grad aus. Weil das Haar ihrer Unterwolle hohl ist, ist es ungewöhnlich leicht und isoliert optimal. „Für einen gewöhnlichen Schal braucht man etwa 200 Gramm Wolle, beim Moschusochsen reichen 70 Gramm“, sagt Klaus Dickel und hebt ein hellbraunes, federleichtes Textil hoch.
Die Wolle der Moschusochsen spinnt Dickel für den Schweizer Unternehmer Walter Notter. Er schickt die Ware von Grönland nach Hallenberg. Später wird das Luxus-Produkt in Nepal weiterverarbeitet. Der Preis für das Moschusochsenhaar hat sich in den vergangenen vier Jahren verdoppelt: 2012 kostete das Kilo zwischen 200 und 250 Euro, heute liegt der Preis bei 400 Euro. „Die Wolle ist selten und wird gleichzeitig immer bekannter.“
Alpaka
Bei Nordwind knistert es. „Das Alpakahaar lädt sich statisch auf“, erklärt Klaus Dickel. Im Winter ist es deshalb schwieriger, Alpaka zu verarbeiten. Vom Trend zur Alpakahaltung profitiert der Sauerländer. Gerade in Ostdeutschland gibt es immer mehr Züchter. Dickel ist der einzige Spinner in Deutschland, der ausschließlich kleine Mengen spinnt. Bei Alpaka beginnt er bei zehn Kilogramm. „Für die große Industrie sei das uninteressant.“
Zukunft
Bis Ende März nimmt Klaus Dickel keine Aufträge mehr an. „Unser Lager ist bis oben voll.“ Das müsse erst abgearbeitet werden. Er könnte gut einen Mitbewerber gebrauchen, der ähnlich kleine Mengen verarbeitet. Oder auch einen Azubi. „Aber hier in Hallenberg und Umgebung herrscht Vollbeschäftigung. Es gibt große Industriebetriebe, wer will da schon Wolle spinnen?“, fragt Dickel. Er ist nun 62 Jahre alt. Die Frage der Nachfolge ist noch ungeklärt. Gut möglich, dass es keine sechste Spinnergeneration geben wird.
Das noch:
- Der Moschusduft stammt nicht von den Moschusochsen aus Grönland, sondern von den hirschähnlichen Moschustieren. Der Duftstoff wurde einst aus einem Sekret gewonnen, das im Moschusbeutel zwischen Nabel und Penis produziert wird. Es wurde als Parfüm und in der Medizin verwendet. Heute wird der Stoff industriell hergestellt.
- „Die Wolle der Moschusochsen riecht eher salzig, nach arktischer Seeluft“, sagt Dickel.
Wie aus Wolle Faden wird