Düsseldorf. . NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin hat heute mit Unterstützung von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und dem ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder Leitlinien zur besseren wirtschaftlichen Entwicklung Nordrhein-Westfalens vorgestellt und beim Koalitionspartner für Verärgerung gesorgt.

  • Minister Duin stellt „Industrie-Fahrplan“ für NRW vor
  • Braunkohleabbau mindestens bis 2045
  • Klimaschutz nicht allein entscheidend

NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) ist sechs Monate vor der Landtagswahl erneut auf Distanz zum grünen Koalitionspartner gegangen. Bei der Vorstellung von „industriepolitischen Leitlinien“ in einem vornehmen Düsseldorfer Flughafen-Hotel bekannte sich Duin am Montag ausdrücklich zu noch langen Laufzeiten der 46 NRW-Kohlekraftwerke. Im Rheinischen Revier werde der Braunkohle-Abbau „bis 2045 auf jeden Fall weitergehen“, sagte der SPD-Politiker. „Ein verfrühter Kohleausstieg ist für die Landesregierung nicht die richtige Option“, stellte der Wirtschaftsminister klar. Anderes könne da ruhig auf Parteitagen diskutiert werden, spottete Duin Richtung Grüne.

Die NRW-Grünen hatten sich am Wochenende beim Parteitag in Oberhausen auf einen Kohleausstieg bis 2036 festgelegt. Damit milderten sie das als unrealistisch geltende Ausstiegsdatum 2025 der eigenen Bundespartei bereits ab.

Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der ebenso wie Altkanzler Gerhard Schröder (beide SPD) beim Kongress zu den „industriepolitischen Leitlinien“ in Düsseldorf sprach, warnte davor, die Perspektive der Mitarbeiter im Rheinischen Revier aus den Augen zu verlieren: „Es darf nicht alles mit Klimaschutz mal eben so weggewischt werden.“ Schröder betonte, dass nicht zuletzt die Deindustrialisierung in den USA mit ihren sozialen Folgewirkungen die Wahl von Donald Trump erst ermöglicht habe.

Auch in den „industriepolitischen Leitlinien“ selbst, die Duin mit Wirtschaft und Gewerkschaften erarbeitet hatte, finden sich Spitzen gegen den Koalitionspartner. So wird gefordert, sich „bei der Umsetzung von EU-Normen und nationalem Recht auf eine strikte 1:1-Umsetzung zu beschränken“ und keine verschärften NRW-Grenzwerte draufzusatteln. Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) wird seit 2010 für häufig nachgeschärfte Öko-Standards kritisiert.

Gabriel brachte sogar ein neues Instrument ins Gespräch, um Widerstände etwa von Umweltinitiativen und Anwohnern bei Infrastrukturprojekten auszuhebeln: Man benötige ein Beschleunigungsgesetz wie unmittelbar nach der deutschen Wende. Es sei absurd, dass das Prozedere für die Ersatz-Autobahnbrücke in Leverkusen, die direkt neben dem maroden Bauwerk entstehen soll, genauso umfassend sei wie das Planungsverfahren für eine komplett neue Brücke. „Kein Mensch versteht das“, so der Vizekanzler. Er werbe für ein Beschleunigungsgesetz noch vor der Bundestagswahl 2017.

CDU-Chef Laschet spricht von Prosa

Bei den Grünen wird die Profilierungssuche der NRW-SPD bei den Themen Wirtschaft und Infrastruktur mit Großveranstaltungen der zuständigen Ministerien kritisch gesehen. Die „industriepolitischen Leitlinien“ seien bis heute überhaupt kein Thema im Kabinett gewesen und deshalb bloß als eine Art persönliche Selbstvergewisserung Duins zu werten, heißt es.

Veranstaltungen wie der mit 500 Gästen besetzte Flughafen-Kongress werden von den Grünen hinter vorgehaltener Hand als reine Steuergeld-Verschwendung bezeichnet. Auch CDU-Oppositionsführer Armin Laschet sprach von einer „Wahlkampfveranstaltung“, bei der mit „zustimmungsfähiger Prosa“ die wirtschaftspolitischen Versäumnisse der vergangenen Jahre übertüncht werden sollten. Duin hingegen verwies darauf, dass Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) bereits klargestellt habe, seine Leitlinien seien ab sofort als „Pflichtenheft“ für die Landesregierung zu betrachten: „Das gilt.“ Arndt G. Kirchhoff, Präsident der Unternehmerverbände NRW, betonte, „dass sich das SPD-Wahlprogramm an den Industriepolitischen Leitlinien messen lassen müsse.“

Info:
Knapp 40 Seiten stark sind die „Leitlinien“, die das Wirtschaftsministerium aufgelistet hat.

Elf Zukunftsthemen werden hier benannt, an erster Stelle die Digitalisierung, an letzter Akzeptanz. www.mweimh.nrw.de/_teaser_Startseite/Industriepolitische-Leitlinien/Leitlinien.pdf