Siegen/Hamburg. . Vor 25 Jahren ist der erste homosexuelle Fußballprofi der Bundesliga ermordet worden: Heinz Bonn aus Siegen. Tat bis heute nicht aufgeklärt.
- Heinz Bonn war Fußballprofi beim Hamburger Sportverein
- Er gilt als der erste homosexuelle Profi in der Bundesliga; seine Neigung wurde jedoch erst nach seinem Tod bekannt.
- Vor 25 Jahren wurde Heinz Bonn bestialisch ermordet; ein Täter aber nie gefunden.
Sie blättert das Album durch. Bilder aus einer anderen Zeit. Mit Uwe Seeler und Klaus Zaczyk auf dem Weg zum Training, mit dem Eisbeutel auf dem Kopf in der Klinik, beim Angeln auf Helgoland. Immer ein Lächeln im Gesicht. „Ja, so war er.“
Der 78-Jährigen Ruth fällt es schwer, über die Ermordung ihres Bruders zu reden. In der Öffentlichkeit will sie nicht erscheinen. „Wenn ich diese Fotos sehe, steigt es wieder in mir hoch.“ Sie ringt mit sich. Auch 25 Jahre danach. Am 5. Dezember 1991 wird Heinz Bonn in seiner Ein-Zimmer-Wohnung in Hannover-Linden tot aufgefunden. Der ehemalige Fußballprofi vom Hamburger Sportverein (HSV) ist mit 50 Messerstichen umgebracht worden. Bestialisch. Er stammt aus Siegen-Niederschelden und wird 44 Jahre alt.
Bis heute ist der Mord nicht aufgeklärt. Schwester Ruth gibt die Hoffnung nicht auf, dass der Täter ermittelt wird: „Es gibt ja immer modernerer Untersuchungsmethoden“. Von Kripo und Staatsanwaltschaft hat sie seit einer Ewigkeit nichts gehört. Auf Nachfrage der WESTFALENPOST sagt Mirco Nowak von der Polizeidirektion Hannover: „Das Verfahren ist mehrfach neu aufgerollt worden. Aktuell gibt es keine neuen Ermittlungsansätze.“ Es ist ein besonderer Fall. Heinz Bonn ist der erste Fußballer in der Fußball-Bundesliga, dessen Homosexualität bekannt wird.
Als Frohnatur bekannt
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Niemand wusste davon, auch nicht seine engste Umgebung. „Er war irgendwie eine Frohnatur, ein lustiger Mensch, ein Marschierer, der manchmal überehrgeizig war, aber das ist ja nicht verkehrt“, sagt Uwe Seeler, Ehrenspielführer der Nationalmannschaft und Mannschaftskollege, dem NDR-Sportclub. „Dass er schwul war, davon haben wir nichts mitbekommen.“ Auch HSV-Nationalspieler Willi Schulz beschreibt den Siegerländer als „ehrgeizig und zuverlässig, aber welche Neigungen er sonst noch hatte, davon wussten wird nichts“.
Seine Homosexualität verbirgt Bonn. Privat schottet er sich hermetisch ab. Es bleibt beim unverbindlichen Miteinander nach den Spielen. Fußball und Homosexualität gelten als unvereinbare Gegensätze. In einer Zeit, in der Schiedsrichter und gegnerische Spieler von den Fans als „schwule Sau“ beschimpft werden, bleibt ihm nichts anderes übrig, als seine eigentliche Sexualität zu verleugnen und zu verdrängen. Erst die Ermittlungen nach seiner Ermordung bringen diese Erkenntnisse an den Tag. Von einer Liebesbeziehung mit einem Minderjährigen ist die Rede, von Kontakten mit dem Stricher-Milieu in Hamburg und Hannover. In dieser Szene vermutet die Polizei auch den Täter. Klaus Nebeling, Nachbar und Mitglied im Vorstand von SuS Niederschelden – hier hat Bonn Fußballspielen gelernt – hat das Outing posthum überrascht. „Dass Heinz Bonn homosexuell war, hat keiner geahnt. Das Thema war tabu. Wir haben uns keine Gedanken darüber gemacht.“
Der 67-Jährige Rentner erinnert sich an einen jungen Kerl, „der immer zu einem Spaß aufgelegt war und vor Ehrgeiz gebrannt hat“. Nach seinen Verletzungen habe er kaum die Geduld aufgebracht, sie auszukurieren. „Er wollte auf den Platz. Immer. Mit dem Ball konnte er alles.“ Drei, vier Jahre vor der Ermordung hatte Nebeling zuletzt Kontakt mit Bonn. „Es ist der einzige Spieler aus unserem Verein, der es bis in die Bundesliga geschafft hat.“
Schwester hatte kein gutes Gefühl
Das führt wieder zu Uwe Seeler. Der 80-Jährige kann nicht glauben, dass der Täter bis heute auf freiem Fuß ist: „Unglaublich. Es gibt also doch den perfekten Mord.“ Dass vor einem Vierteljahrhundert irgendetwas nicht gestimmt hat, hatte seine Schwester befürchtet: „Meine Mutter hatte am 2. Dezember Geburtstag. Heinz hat immer angerufen oder ist gekommen. An diesem Tag haben wir nichts von ihm gehört.“ Vermutlich ist ihr Bruder bereits tot. Die Spurensuche endet auf dem Friedhof von Niederschelden. Sein Grab gibt es nicht mehr. Es ist nach 21 Jahren aufgehoben worden.