Hagen. . Jeden Tag mehr als 400 Kilometer Stau in NRW. Besserung auf Jahre nicht in Sicht

  • Jeden Tag mehr als 400 Kilometer Stau in NRW
  • Besserung auf Jahre nicht in Sicht
  • Wissenschaftler kritisiert Versäumnisse der Politik

Täglich grüßt der Stau. Nicht witzig. Seit Montag, seit Ende der Herbstferien steht NRW morgens still. Mehr als 400 Kilometer Stau auf den Autobahnen. Sie wollen Namen? A 1, A 44, A 40, A 46, A 45, um fünf Autobahnen zu nennen. Es heißt nichts Gutes, wenn Staus erst ab zehn Kilometer im Radio gemeldet werden.

Am Mittwochmorgen ist die A 52 neu hinzugekommen. 20 Kilometer Stau nach einem Unfall. Der Weg zum Flughafen Düsseldorf in den Urlaub wird zur Zitterpartie. Tausendfach klicken Autofahrer den Text online der WESTFALENPOST an. Ihr Schicksal ist unser aller Schicksal. Es trifft jeden, der mit dem Auto unterwegs ist.

Infrastruktur vernachlässigt

Michael Groschek, Verkehrsminister des Landes, fällt dazu auf Anfrage der WESTFALENPOST ein: „Es gibt auf unserem Autobahnnetz jede Menge zu reparieren und auszubauen.“ Und der Sozialdemokrat schließt daraus: „Wir haben zu wenig Straßen für zu viele Autos.“

Im neuen Bundesverkehrswegeplan sieht er die Wende, Berlin stelle das nötige Geld zur Verfügung. „Jetzt heißt es Bauen, Bauen, Bauen.“ Das plane der Landesbetrieb Straßen NRW mit einem ausgefeilten Baustellenmanagement, „damit der Verkehr nicht ganz zum Stillstand kommt“.

Wie das gelingt, erleben Tausende jeden Morgen. Stillstand, mit dem Pendler leben müssen. Das jedenfalls versichert Prof. Dr. Stefan Bratzel. Der Direktor des Center of Automotive Management (CAM) der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach ist sich sicher: „Wir werden uns an diesen Zustand gewöhnen müssen“, sagt der 49-Jährige im Gespräch mit der WESTFALENPOST. „Mit den ständigen Staus werden wir noch Jahre leben. In den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren wird das zur Normalität.“

Vom Himmel fällt diese Entwicklung nach Ansicht des Wissenschaftlers nicht: „Die Verkehrsprognosen sind falsch eingeschätzt worden. Das für das Jahr 2030 erwartete Verkehrsaufkommen erreichen wir bereits nächstes Jahr.“

Als Fehlerquelle macht der Wissenschaftlicher vornehmlich die Bewertung des Güterverkehrs aus. „Um nur einen Punkt zu nennen. Die Paketdienste sind mit ihrem Aufkommen unglaublich expandiert.“

Im Zusammenspiel mit der Zunahme des Güterverkehrs fällt buchstäblich der Zustand der Brücken ins Gewicht: „Niemand hatte sie im Blick. Die Infrastruktur ist sträflich vernachlässigt worden und das spielt eine erhebliche Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.“ Bratzel macht sich für intelligente Lösungen bei der Bewältigung des Verkehrsaufkommens stark. „Wir brauchen neue Konzepte, ein neues Denken, um in der Zukunft ohne Stillstand von A nach B zu kommen.“

Bereits heute fehlten an den Verkehrsknotenpunkten Parkplätze für Pendler. Auch sei es eine Illusion, alle Verkehrsprobleme mit dem Ausbau der Autobahnen lösen zu können.

Jahrzehnt der Baustellen

Eine Illusion bleibt es, morgen früh ohne Stau voranzukommen. Gestern Abend hat sich der Stillstand wieder aufgebaut. Um 16.15 Uhr sind es 154 Kilometer Stau, um 16.55 Uhr bereits 187 und um 17.21 Uhr wieder 219 Kilometer. Dirk Krüger, Leiter des Bereichs Verkehr und Umwelt beim ADAC Westfalen, empfiehlt „entspannt zu bleiben und nicht anzufangen, seine E-Mails im Auto zu bearbeiten“. Der 42-Jährige sieht, „dass die richtigen Signale gesetzt sind“. Wie formuliert das Groschek: „Wir stehen am Beginn eines Jahrzehnts der Baustellen.“ Gute Fahrt.