Wilnsdorf. . Neun Auszeichnungen oder Nominierungen hat die Autobahnkirche Wilnsdorf bisher erhalten. Dabei ist sie erst im Jahr 2013 fertig geworden. Was macht sie so besonders?

  • Neun Preise oder Nominierungen in nur drei Jahren
  • Bauwerk findet auch international Beachtung
  • Rund 3000 Besucher pro Monat

Nun also auch ein großes Lob von der anderen Seite des Atlantiks: Der American Architecture Prize in Gold 2016, den die Autobahnkirche Siegerland gerade erhielt (wir berichteten), ist bereits die neunte Auszeichnung oder Nominierung für den 2013 fertiggestellten Bau nach den Plänen des Frankfurter Architekturbüros schneider+schumacher.

Das ist ein riesiger Erfolg für das Projekt, das einem rein privaten Engagement entspringt, und entsprechend stolz ist der 120 Mitglieder zählende Trägerverein. Deutlich wichtiger ist für dessen Vorsitzende Ute Pohl aber noch der direkte Zuspruch für die an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden geöffnete Kirche auf einem Autohof an der A-45-Ausfahrt Wilnsdorf: „Im ersten Jahr hatten wir zwischen 4000 und 6000 Besucher pro Monat, inzwischen haben wir uns bei 3000 eingependelt. Das geht weit über das hinaus, was wir uns erhofft haben.“

Oase der Ruhe im Alltag

Bedingt der eine Erfolg den anderen? Braucht es also spektakuläre Architektur, um überhaupt noch Kirchen zu füllen? Ute Pohl glaubt das nicht: „Was die Menschen suchen und genießen ist eine Oase der Ruhe im Alltag. Die finden sie hier.“ Dass die Aufmerksamkeit, die das Äußere erzeugt, hilfreich ist, gesteht sie allerdings gerne zu.

Womit wir wieder bei den Architektur-Auszeichnungen wären. Was die Spezialisten-Jurys der diversen Preise mit großen Worten loben, ist nichts anderes als das, was jeder Amateur erlebt: Wie eine klassische Dorfkirchen-Silhouette, das Piktogramm auf dem Hinweisschild an der Autobahn, ins Dreidimensionale gewendet zu einem futuristisch-abstrakten Bauwerk in strahlendem Weiß mutiert. Wie sich das Bild im Inneren komplett umkehrt, wo eine runde, wabenartige Holzkonstruktion Wärme und Geborgenheit vermittelt. Während zugleich diese Kirche ihre Fremdheit zwischen Tankstelle und Spielhalle, Fleischklops-Braterei und Lkw-Waschanlage betont, um bestehen zu können.

„Zu uns kommen auch viele Fernfahrer“, betont Ute Pohl. Deshalb liegen sogar spezielle Trucker-Bibeln in vielen Sprachen aus. Woher weiß sie denn überhaupt, wer kommt und wie viele? „Wir sehen, wie viele Lichter angezündet werden und gehen von zwei bis drei Besuchern pro Licht aus.“ Details ergeben sich aus den „Anliegenbüchern“. Das siebte liegt derzeit aus. Auf mehr als 2500 Seiten haben sich seit Mai 2013 Besucher bei Gott oder Jesus bedankt, haben um Hilfe in schwierigen Lebenssituationen gebeten oder ihre Eindrücke aufgeschrieben: „Diese Kirche ist wie ein Märchen.“ „Die coolste Kirche, die ich je gesehen habe.“ „Sehr geil gemachte Location.“

Jeden Freitag ökumenische Andacht

Es kommen also auch junge Leute. Das, was so vielen Kirchen fehlt. Was macht die konfessionsunabhängige Autobahnkirche also richtig? „Wir haben da auch kein Geheimrezept oder eine Patentlösung“, sagt Ute Pohl. Die Menschen müssten sich angenommen fühlen. Neben den Reisenden geht dies an der A45 auch der Bevölkerung aus dem näheren Umkreis so. Zu den ökumenischen Andachten an jedem Freitag um 18 Uhr kommen 30 bis 90 Besucher. Auch Konfirmanden oder Nachtwanderer haben die Kirche genutzt. Gruppen können eine Führung buchen (unter 02736 / 67 16 oder über die Homepage www.autobahnkirche-siegerland.de).

Die meisten der inzwischen mehr als 100 000 Besucher haben eine Pause gebraucht, eine innere Einkehr im Rasthaus der Seele. Und wenn die Autobahnkirche nebenbei zeigen kann, dass es für ein Erlebnis der Schönheit keinen Marmor und kein Gold braucht, sondern dass auch Polyurethan und Pressspanholz genügen, ist das um so erfreulicher. Ansonsten sind die Assoziationen frei: Manche sehen in den beiden Türmen Katzenohren, andere fühlen sich an Origami-Faltkunst erinnert. Schauspieler Christian Bale schickte eine Mail, weil er eine Ähnlichkeit mit seiner Figur Batman erkannte.