Detmold/Sundern. . Das Landgericht Detmold hat am Montag ein 28 Jahre altes mutmaßliches Mitglied einer litauischen Autoschieber-Bande zu einer Freiheitsstrafe zu drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Bande soll auch in Südwestfalen aktiv gewesen sein.

  • Autoschieber nutzen Sicherheitslücke im Schließsystem von Pkw aus
  • Mutmaßliche Bande auch in Südwestfalen aktiv
  • Landgericht Detmold verurteilt 28-Jährigen

Ein 28 Jahre alter Litauer ist am Montag vom Landgericht Detmold wegen schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte dem mutmaßlichen Mitglied einer osteuropäischen Autoschieber-Bande 21 Diebstähle mit einem Schaden von fast 1,3 Millionen Euro vorgeworfen. Auch in Südwestfalen soll die Gruppe Fahrzeuge der Oberklasse entwendet und dabei Sicherheitslücken in der Technik moderner Autoschlüssel (Keyless-Go-Systeme) ausgenutzt haben. „Zu möglichen Hintermännern und Zielen der gestohlenen Fahrzeuge hat sich der Angeklagte nicht eingelassen“, so Gerichtssprecherin Anneli Neumann.

Wo schlugen die Autoschieber zu?

In Sundern, Soest, Geseke, Oerlinghausen, Bielefeld, Selm, Nordkirchen, Bad Vilbel, Bad Camberg, Braunfels und Solms. Im Februar wurden in Geseke in einer Nacht ein BMW X6 (Wert: 87 000 Euro), ein BMW 535i X (33 000 Euro) sowie ein Porsche Cayenne S (80 000 Euro) entwendet. Im selben Monat traf es in Soest den Besitzer eines BMW X5 (105 000 Euro). In Sundern nahmen die Diebe einen BMW 530d (55 000 Euro) mit.

Wie gehen die Banden vor?

„Ich vergleiche es mit einem 100-Meter-Verlängerungskabel auf einer Rolle, das dafür sorgen soll, dass der Strom aus einer Steckdose in größerer Entfernung genutzt werden kann“, sagt der Sicherheitsberater Udo Hagemann: „Die Steckdose ist der Funkschlüssel, das Auto ist die Stelle, in der der Strom über das Kabel ankommt.“ Die Autohersteller hätten die Funksignale des Schlüssels bei der Keyless-Go-Technik für eine maximale Reichweite von maximal 50 cm programmiert. Beim Diebstahl nun verwendet ein Krimineller ein technisches Gerät, mit dem er die Funkwellen des Schlüssels abgreift. Mit Hilfe dieses Signalverstärkers kann er die Funkwellen bis zu 400 Meter weit zum Empfangsgerät eines Komplizen am Auto übertragen. Das Öffnen und Starten des Fahrzeugs dauert anschließend nur wenige Sekunden. Hagemann: „Die beiden technischen Geräte werden in Südosteuropa für 35 000 Euro angeboten.“

Wie viele Fahrzeuge fahren mit dem Keyless-Go-System?

Hagemann zufolge bereits 40 Prozent aller Fahrzeuge in Deutschland. Und es würden immer mehr. „Einige Hersteller verlangen für diese Unsicherheit auch noch extra Geld: bis zu 800 Euro.“

Warum wird die Technik gerne genutzt?

„Es ist ein komfortables und bequemes System“, so Hagemann. Man muss den Schlüssel nicht aktiv bedienen, nur dabei haben. Er sendet automatisch Signale ans Auto. „Haben Sie zum Beispiel beim Tragen einer Getränkekiste die Hände voll, reicht es, dass Sie einen Fuß unter einem Sensor am Kofferraum bewegen - und die Heck­klappe öffnet sich.“

Was weiß man über die Autoschieber?

Es sind hochprofessionelle Banden der organisierten Kriminalität aus Osteuropa. Nur ein Bruchteil der Täter wird geschnappt - auch, weil die Tat blitzschnell abläuft. In den vergangenen Monaten wurden Hagemann zufolge zwei spektakuläre Diebstahl-Serien bekannt: In Hessen wurden in einer Nacht 200 Fahrzeuge gestohlen, in Mecklenburg-Vorpommern waren es 170 innerhalb weniger Tage. In der Kriminalstatistik werden diese Taten noch nicht gesondert aufgelistet.

Bei welchen Pkw funktioniert die Technik der Kriminellen?

Hagemann: „Kein Fahrzeug mit der Keyless-Technik ist vor einem Diebstahl sicher.“

Was sagt die Automobilindustrie?

Sie spricht nach Meinung von Hagemann, Chef der Firma Bundpol Security Systems, nicht von realen Sicherheitslücken, sondern nur von „angeblichen“: „Fast möchte man ihr das Prinzip ,jedes gestohlene Auto ist ein neues Auto’ unterstellen.“ Teilweise könnten die Keyless-Go-Systeme noch nicht einmal abgeschaltet werden. Statement des Verbandes der Automobilindustrie (VDA):

Wie kann man sich schützen?

Hagemanns Tipps: den Schlüssel in drei Lagen Alufolie einwickeln, in eine Metallbox mit spezieller Ummantelung legen oder Sicherheitssysteme erwerben, die es bereits auf dem Markt gibt.

Wie geht es weiter?

Die Zahl der Keyless-Go-Systeme wird steigen und damit auch die Zahl der Diebstähle, glaubt Hagemann. „Es sehe anders aus, wenn mehr gegen die Sicherheitslücke getan würde.“