Dortmund. . Experten halten die Telemedizin für die Versorgung im ländlichen Raum für unverzichtbar, doch noch können neue Möglichkeiten wenig genutzt werden.

  • Experten halten die Telemedizin für die Versorgung im ländlichen Raum für unverzichtbar.
  • Doch noch können die neuen Möglichkeiten nur wenig genutzt werden.
  • Die Videosprechstunde soll im Sommer 2017 kommen.

Ärzte gibt es auf dem Land immer weniger, Patienten aber genug. Vor allem ältere, mit mehreren Erkrankungen zugleich, denen es schwer fällt, weite Wege durch Südwestfalen zurückzulegen. Telemedizin könnte die Lösung sein. „Für die ärztliche Versorgung im ländlichen Südwestfalen sind diese neuen technischen Möglichkeiten enorm wichtig“, sagt Reimund Siebers, Unternehmens- und Projektentwickler am Krankenhaus Maria-Hilf in Brilon. Zugleich ist er Vorstandsmitlied der deutschen Gesellschaft für Telemedizin.

Die Bedeutung der Telemedizin und der Digitalisierung ist offenbar erkannt. Gleich zwei Konferenz widmen sich gestern in Dortmund den Chancen und Herausforderungen: der AOK-Tag 2016 und das Forum E-Health des Zentrums für Telematik und Telemedizin (ZTG). Deutlich wird dabei: Mit der Umsetzung geht es zwar voran, aber nur langsam.

Die Krankenhäuser

Telemedizin gebe es bisher eigentlich nur in Krankenhäusern, erklärt auf dem AOK-Tag Wolfgang Loos, ebenfalls Vorstandsmitlied der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin. Zum Beispiel am Briloner Maria-Hilf-Krankenhaus, wenn ein Patient mit den Symptomen eines Schlaganfalls kommt. „Dann zählt jede Minute, erklärt Reimund Siebers. Zu den Spezialisten der nächsten „Stroke Unit“ in Paderborn oder Hamm ist der Weg zu weit. Eine solche Stroke Unit in der ländlichen Region vorzuhalten, ist nicht möglich. Also arbeiten die Briloner Ärzte mit der Universitätsklinik in Jena zusammen, mehr als 300 Kilometer vom Hochsauerland entfernt.

Per Videokonferenz werden die Thüringer Spezialisten zugeschaltet. So können sich die Experten aus Jena per Telekooperation nicht nur mit ihren südwestfälischen Kollegen absprechen, sondern auch die Untersuchungskamera zur Pupillendiagnostik fernsteuern. Daten von Computertomographie, MRT und EEG werden übermittelt.

In der Schlaganfallversorgung der Kliniken hat sich die Telemedizin etabliert, sie sei die einzige Anwendung in der Regelversorgung, erklärt Wolfgang Loos. Darüber hinaus aber gebe es bisher nur Selektivverträge mit Krankenkassen, „Insellösungen“. Davon bundesweit immerhin 200, in Nordrhein-Westfalen etwa 50, so die Zahlen des Zentrums für Telematik und Telemedizin in Bochum. 50 Millionen Euro wolle das Land bis Ende des Jahres 2020 in die Entwicklung der digital gestützten medizinischen und pflegerischen Versorgung investieren. Damit liegt bei der Anzahl von Telemedizinprojekten auf Platz zwei hinter Bayern, erklärt Wolfgang Loos.

Die Arztpraxen

Doch im ambulanten Bereich, also in den Praxen von Haus- und Fachärzten, ist es mit Telemedizin noch nicht weit her, klagt Wolfgang Loos. Der Grund ist ein ganz einfacher. Im ambulanten Sektor gelte – anders als im stationären – nach wie vor der „Erlaubnisvorbehalt“, sagt Loos. Der Arzt darf also nur tun, was ihm ausdrücklich erlaubt ist. Ab Sommer 2017 soll immerhin laut E-Health-Gesetz die Online-Videosprechstunde Bestandteil der Regelversorgung werden, heißt es beim Zentrum für Telemedizi. Für eine Kontrolle müssten sich Patienten dann nicht mehr auf den für ältere Menschen beschwerlichen Weg in die Praxis machen. Jeder zweite Patient, so eine Umfrage des ZTG, wünscht sich eine solche Online-Sprechstunde.

Die chronisch Kranken

Kritik äußert Loos vor allem an der Umsetzung des Telemonitorings: Dabei werden Werten wie Blutdruck, Blutzucker chronisch Kranker zu Hause erfasst und automatisch dem Arzt übermittelt. „So kann der Arzt frühzeitig eingreifen, den Patienten zu sich in die Sprechstunde bestellen“, erklärt Reimund Siebers. Doch die telemedizinische Betreuung chronisch Kranker sei nach wie vor noch die große Ausnahme, liege bei unter 1 Prozent, heißt es beim Zentrum für Telemedizin.