Hamm/Bad Berleburg. . Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes Hamm gab in der Berufungsverhandlung um die Wisente in Südwestfalen den Hinweis, dass eine Duldung der Wisente auf den Grundstücken der klagenden Schmallenberger Waldbauern denkbar ist. Grund: das Naturschutzgesetz.
- Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Hamm
- Wisent-Projekt: Noch kein Urteil
- Senat: Denkbar, dass nach dem Naturschutzgesetz Waldbauern die Tiere dulden müssen
Der Volksmund rät bei Gewittern, Eichen zu weichen und Buchen zu suchen. Die Tiere im Wittgensteiner Wisent-Projekt allerdings suchen seit ihrer Auswilderung auch ohne Blitz und Donner Buchen und verspeisen deren Rinde. Das schmeckt den Waldbauern ganz und gar nicht, und so hat sich in den vergangenen Monaten einiges über dem Wisent-Verein zusammengebraut. Seit gestern sieht die Großwetterlage für die Verantwortlichen des in Westeuropa einzigartiges Artenschutzprojekts wieder besser aus.
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat – auch wenn es noch kein Urteil gesprochen hat – durchblicken lassen, dass man die Wisente als „wild“ und „herrenlos“ einstufen könnte - so dass die beiden klagenden Waldbauern aus Schmallenberg-Oberkirchen unter Aspekten des Naturschutzes und des Jagdrechts das Betreten ihrer Waldgrundstücke dulden müssten.
Überfüllter Gerichtssaal
Die Berufungsverhandlung vor dem 5. Zivilsenat ist mit Spannung erwartet worden. Das weiß auch Senatsvorsitzender Hermann Greving, als er den überfüllten Saal B 207 betritt und in zahlreiche Gesichter schaut. „Ob wir die Patentlösung anbieten können, ist fraglich.“ Die Vorinstanz, das Landgericht Arnsberg, hatte den Trägerverein im Oktober 2015 dazu verdonnert, „geeignete Maßnahmen“ zu treffen, damit die 2013 in die freie Wildbahn entlassene Herde nicht die betroffenen Waldgrundstücke im Schmallenberger Sauerland betritt. Doch kann man – das ist die entscheidende Frage – wilde und herrenlose Tiere auf ihrer Wanderschaft davon abhalten?
Für Bernd Fuhrmann, Bürgermeister von Bad Berleburg und Vorsitzender des Wisent-Vereins, ist die Sache klar: „Die Wisente verhalten sich wie herrenlose Tiere.“ Sie orientierten sich daher nicht an Grenzverläufen und seien nicht mehr vom Menschen gesteuert. Für Hans-Jürgen Thies, Anwalt eines der beiden Waldbauern, sieht das anders aus: „Wenn die Wisente rund um den Winter durch Fütterung in einem engen Raum gehalten werden, werden sie doch von Menschen gelenkt, oder?“
Richter Greving zufolge spricht einiges dafür, dass die auf 22 Wisente angestiegene Population inzwischen in natürlicher Freiheit lebt, als wild lebende Tierart einzustufen ist und als heimisches Tier nach dem Jagdrecht besonderen Schutz genießt. Effektive Maßnahmen zur Vermeidung des Betretens der Oberkirchener Wälder wie das Nachstellen und den Transfer an einen anderen Ort seien nach dem Naturschutzgesetz verboten. Die Kläger müssten belegen, dass hier eine Ausnahmegenehmigung möglich ist. Zu klären sei vom Gericht die Haftung für künftige Schäden.
Enttäuschte Waldbauern
Waldbauer Georg Feldmann-Schütte zeigt sich nach viereinhalb Stunden Verhandlung enttäuscht: „Meine Situation hat sich verschlechtert.“ Mitkläger Hubertus Dohle berichtet von hohen Schäden auch bei anderen Waldbauern. „Und die Wisente suchen mittlerweile auch Nahrung in Mischbeständen und in Fichtenwäldern.“ Richter Greving: „Die Tiere machen, was sie wollen. Deshalb sitzen wir hier.“