Schmallenberg. . Zwischen Heimat, Familie und moderner Forstwirtschaft: Lucas von Fürstenberg (32) studierte BWL in Berlin und steigt in den Betrieb in Schmallenberg ein.

  • Lucas von Fürstenberg (32) steht für natürliche und moderne Forstwirtschaft im Sauerland
  • Er studierte BWL in Berlin und steigt in Familienbetrieb ein
  • Der 32-Jährige ist jemand, der eine Grundentspanntheit ausstrahlt, auch wenn er deutliche Worte spricht

Kniebundhosen, Lodenmantel, Filzhut mit Gamsbart. Die wenigsten Menschen, die im Wald arbeiten, entsprechen diesem Klischee und doch hält es sich hartnäckig. Ebenso wie: Wald wächst von allein. Und ein schöner Wald muss ordentlich sein. Das einzige Vorurteil, das Lucas von Fürstenberg (32) erfüllt, sitzt mit wackelnden Ohren und feuchter Nase im Kofferraum. Otto, ein schwarzer Labrador, ein Jahr alt, verspielt. Ein Waldbauer ohne Hund? Das gibt es wirklich nicht.

Lucas von Fürstenberg steigt nach dem BWL-Studium in Berlin und einigen Jahren im Online-Marketing in den Forstbetrieb der Familie ein. 700 Hektar sind es rund um Schmallenberg-Brabecke, ein Ort mit knapp 200 Einwohnern. Brabecke ist im Sauerland vor allem deshalb bekannt, weil auf der Landstraße 776 regelmäßig geblitzt wird. Beim Schützenfest wird der Vogel mit einer Armbrust von der Stange geschossen, Straßennamen gibt’s nicht, die Häuser sind durchnummeriert – nach Baujahr. Dass mag zunächst verwirrend sein, aber das „Schloss“, so nennen die Leute im Ort das Anwesen der Fürstenbergs, liegt exponiert auf einer Anhöhe, direkt am Waldrand.

Kofferraum auf, Otto raus. Ihn verschlägt’s gleich ins Unterholz. Lucas von Fürstenberg steigt auf den Hochsitz. Vom Stromberg, dort oben auf 700 Metern, kann man bei klarer Sicht die Schornsteine des Kraftwerks in Hamm sehen, heute reicht’s nur bis Meschede. Kyrill hat hier im Januar 2007 immensen Schaden angerichtet. „Wir verloren 100 000 Festmeter, das schlagen wir sonst in elf Jahren“, sagt Lucas von Fürstenberg. Der Wald war danach vollkommen verändert.

Vater und Sohn ticken gleich

„Wenn mein Vater damals nicht schon auf Naturverjüngung gesetzt hätte, hätten wir noch mehr verloren. Diese Wälder sind stabiler.“ Das Prinzip ist simpel: Die Bäume säen ihren Nachwuchs selbst, fitte Bäume setzen sich durch, der Mensch greift nur korrigierend ein. Wenn sich zum Beispiel die Buchen mit ihrem üppigen Blattwerk zu breit machen. Den Rest regelt die Waldgesellschaft unter sich.

Ein durchmischter Wald hält Stürme besser aus, besser als die Fichtenmonokultur. „Dieser Ansicht war mein Vater schon vor 20 Jahren“, sagt der 32-Jährige. Sein Vater und er ticken in dieser Hinsicht gleich. Natürlicher Waldbau, keine Kahlschläge.

Wisente schälen 200 Buchen

Deshalb sieht der Wald der Fürstenberg’schen Verwaltung auch anders aus als andere Wälder im Sauerland. In den Beständen wachsen Ebereschen, Eichen, Buchen, Fichten, Ahorn, Birken... neuerdings auch Douglasien. Bis zu zehn Baumarten wachsen in einem Bestand. „Touristen finden das bestimmt nicht schön. Weil man nicht so weit gucken kann.“ Die verklärte Sicht der Städter und der Politik auf den Wald stören ihn. „Viele verstehen nicht, dass der Wald auch zum Geldverdienen da ist. Wir leben davon.“ Glücklicherweise ruft das Geräusch einer Motorsäge im Sauerland keine Empörung hervor. Dass die Wisentherde gerade im zweiten Betrieb in Kirchhundem 200 Buchen geschält hat, aber leider auch nicht.

Der 32-Jährige ist jemand, der eine Grundentspanntheit ausstrahlt, auch wenn er deutliche Worte spricht. Ein schlaksiger Typ, Jeans, Karohemd, derbe Lederboots. Bodenständig, trotz oder gerade wegen des Namens: Lucas Johannes Kaspar, Freiherr von Fürstenberg. In der Schule verzichtete er immer auf das „von“. Er wollte nichts Besonderes sein.

„Eigentlich bin ich eher ungeduldig“, sagt er über sich. Aber im Wald geschieht alles sehr langsam. Das musste er lernen. Langfristig, generationenübergreifend. „Wenn ich jetzt etwas plane, werden erst meine Kinder etwas davon haben“, erklärt er. Das gleiche gilt auch für ihn. Sein Opa pflanzte damals Fichten, die er jetzt erntet. Mit Wald hat Tochter Carlotta noch nicht so viel am Hut. Die Freiherrin ist acht Monate alt.