Hagen. . BMG-Chef Hartwig Masuch ist gebürtiger Hagener und hat einst mit Nena in einer Taxizentrale gejobbt. Im Interview spricht der Manager jetzt über die Zukunft der Musikindustrie.

  • BMG-Chef Hartwig Masuch ist gebürtiger Hagener.
  • Einst hat er mit Nena in einer Taxizentrale gejobbt
  • Im Interview spricht der Manager jetzt über die Zukunft der Musikindustrie.

Die im Oktober 2008 neugegründete Bertelsmann-Musikfirma BMG hat es mittlerweile zum weltweit viertgrößten Musikverlag geschafft. Geschäftsführer Hartwig Masuch (61) war einst selbstständiger Musikproduzent und Eigentümer eines eigenen Musikverlags. Der 61-Jährige stammt aus Hagen.

Wie ist der BMG-Erfolg zu erklären?

Hartmut Masuch: Die Digitalisierung greift so gravierend in die Interaktion zwischen Künstler und Musikfirma ein, dass sie zu einer vollständigen Umkehrung der Machtverhältnisse führt. Die Idee mit einem Geschäftsmodell ­durchzustarten, in welchem der Künstler im Vordergrund steht, war mutig. Aber der Erfolg bestätigt uns.

Viele Jahre hat das klassische Geschäftsmodell - der Schallplatten- bzw. CD-Verkauf - funktioniert. Hat der Einstieg ins Digitalzeitalter dem Musikbusiness gut getan?

Jede Revolution und jeder technologische Fortschritt bringt einen Umbruch mit sich – der aber Umdenken und Innovation fördert. Die Zeit vor dem digitalen Umbruch war nicht unbedingt besser. In der alten CD-Welt gab es wenig Transparenz und unglaublich hohe Margen. Man kann heute nicht mehr erwarten, dass die Künstler 85 Prozent ihrer Einnahmen für Dienstleistungen abgeben.

Kann eine „Plattenfirma“ noch einen Star machen, oder gelten im Internetzeitalter andere Gesetze?

Die Gesetze sind heute vollkommen anders. Die Möglichkeiten, sich als Künstler selbst zu vermarkten sind durch das Internet enorm gestiegen. Social-Media-Kanäle schaffen eine unmittelbare Nähe zu den Fans und beinhalten einen immensen Streueffekt. Eine Musikfirma bringt die Expertise in den Bereichen Vermarktung, Lizenzierung und Lizenzabrechnung mit, die ein Künstler allein nicht bewältigen kann.

Streaming – das Musikhören im Internet auf Abruf – wächst. Wie sieht die Zukunft der Branche aus?

Die Aussichten sind sehr gut, die Wachstumsraten enorm. Streaming hat eine glänzende Zukunft vor sich, und das ist positiv für die Musikindustrie. Wir können zum ersten Mal einen Großteil der globalen Bevölkerung mit unserer Musik erreichen. Die bezahlte Nutzung von Musik steigt dramatisch. Ob Streaming so schnell zur Haupteinnahmequelle werden wird, muss sich noch zeigen.

Bereitet Ihnen das illegale Downloaden noch Kopfzerbrechen?

Piraterie war schon immer und bleibt ein Problem, damit müssen wir leben. Allerdings steigt bei den Verbrauchern der Anspruch für hochqualitativen Sound, der bei illegalen Downloads oft nicht gewährleistet wird. Die heutige Herausforderung stellen allerdings Video-Plattformen wie Youtube dar, die Musik kostenfrei zur Verfügung stellen. Das fügt Künstlern und Industrie Schaden zu.

Ist die Renaissance der Schallplatte nur ein „Strohfeuer“?

Ich glaube, dass dieses große Format künftig wieder wichtiger werden könnte. Das Interessante am Vinyl ist die Verknüpfung der ­visuellen und auditiven Kunst, viele Vinyl-Cover sind Kunstwerke ­zugleich. Viele Künstler möchten dass Ihre Songs auch auf ­Schallplatten gedruckt werden. Vinyl hat noch glänzende Tage vor sich.

Am Anfang Ihrer Karriere stand die Band „The Ramblers“, die Sie 1978 in Hagen gründeten. Welchen Stellenwert hat Hagen in Ihrem Leben?

Meine Jugend in Hagen hat mich nachhaltig geprägt. Die Stadt sowie meine Freunde haben mich inspiriert, Musik zu meinem Lebensmittelpunkt zu machen. Mit Hagen identifiziere ich mich bis heute noch, ich bin drei bis vier Mal im Jahr dort zu Besuch.

Sie fuhren Taxi in Hagen, Nena jobbte in der Taxizentrale. Ist über Funk die Neue Deutsche Welle entstanden?

Das ist etwas übertrieben (lacht), aber es stimmt, dass, wenn eine Gruppe Menschen zusammen arbeitet und eine ­Leidenschaft teilt, – in unserem Fall die Musik – motiviert man sich gegenseitig. Da ­waren noch mehr Künstler – wie Extrabreit-Sänger Kai Havaii und Nenas Schlagzeuger Rolf Brendel – , die auch dort beschäftigt waren. Nena und ich arbeiteten in der Funkmietwagenzentrale.

Was würden Sie heute Künstlern am Anfang ihrer Karriere raten?

Mein wichtigster Rat ist, Musik aus den richtigen Gründen zu machen. Große Künstler machen es nicht des Ruhms oder des Geldes wegen.

Ist die Musikbranche ein Hai­fischbecken oder eine Wohlfühl­oase?

Die Musikindustrie ist weit von den alten Klischees entfernt. Das Wertesystem ist zwar noch verbesserungsbedürftig, aber wir sind auf dem Weg zu einer verantwortungsvolleren Branche.

Welche Musik hören Sie privat am liebsten?

Meine Vorliebe gilt dem Rock und den späten 1960ern, wie zum ­Beispiel Pink Floyd, Led Zeppelin, The Rolling Stones oder Donovan.