Siegen. . Vierwöchige Gnadenfrist für das einzigartige Auswilderungsprojekt. Hochsauerlandkreis verlangt Betretungsverbot für Herde. Unerfüllbare Forderung

Warum nicht heute? Warum vier Wochen warten? Wäre es nach dem Vertreter der Arnsberger Bezirksregierung gegangen, hätte die Koordinierungsgruppe das weltweit beachtete Auswilderungsprojekt der Wisent-Herde bereits gestern ganz schnell begraben.

Das 40-köpfige Gremium, in dem Vertreter aller am Projekt Beteiligten und Betroffenen sitzen, hat sich nach einer Sitzung im Haus der Siegerländer Wirtschaft einen vierwöchigen Aufschub gegeben. Zeit, in der nach Maßnahmen gesucht werden soll, dass die tonnenschweren Tiere der frei laufenden Herde den Hochsauerlandkreis nicht mehr betreten.

Wanderin von Wisent verletzt

Warum? „Weil wir nicht das Risiko tragen wollen, dass Menschen gefährdet werden. Ich möchte keinen Staatsanwalt im Haus haben“, sagt Karl Schneider (CDU), Landrat des Hochsauerlandkreises. „Wir wollen nicht das Aus des Projektes. Die Ultima Ratio wäre ein Zaun.“

Seit dem 22. Mai ist die virtuelle Grenze zwischen dem Hochsauerlandkreis und dem Kreis Siegen-Wittgenstein ein Stück höher.

Es ist der Tag, an dem eine Wisent­kuh unweit der Rastanlage „Millionenbank“ bei Schmallenberg-Latrop auf eine 47-jährige Wanderin aus Neuss losgeht. Die Frau erleidet Prellungen und Blutergüsse, wird an der Leiste verletzt. Ihrem Ehemann gelingt es brüllend und mit fuchtelnden Händen das Tier zu vertreiben. Schneider: „Uns ist damals erzählt worden, die Wisente seien scheu, suchten bei der Begegnung mit Menschen das Weite. Unser Vertrauen ist erschüttert.“

Er erinnert außerdem daran, dass der Hochsauerlandkreis nicht zum 4300 Hektar großen Projektareal gehört. „Wir haben die Wisente nicht geholt.“ Dass die Urviecher nicht über Nacht in einem Gehege verschwinden, dafür macht sich der Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein, Andreas Müller, stark: „Ich würde das Aus bedauern.“ Vom Vorschlag, einen Zaun zu errichten, hält er nichts. „Wer seine sieben Sinne beisammen hat, weiß, was dieser Vorschlag bedeutet. Ziel ist die Freisetzung. In einem eingezäunten Gebiet setzt man kein Tier frei.“ Für ihn kommt diese Forderung des Hochsauerlandkreises der Aufforderung gleich, „das Projekt abzubrechen“.

Vor einer vorschnellen Entscheidung warnt er. „Bei einem Projekt dieser Größenordnung sollten wir die bundesweite Auswirkung auch für andere Auswilderungsprojekte, bedenken.“

Vorschläge abgelehnt

Verwundert zeigt sich Müller darüber, dass die Stadt Schmallenberg keine ordnungsbehördliche Maßnahmen ergriffen hätte, um Menschen vor der Gefahr der Wisente zu informieren. „Sie könnten doch Warnschilder aufstellen oder Betretungsverbote aussprechen.“

Die vom Trägerverein Wisent-Welt vorgeschlagenen Maßnahmen, um die Gefahr einer Begegnungen mit Menschen zu verhindern, seien von Landrat Schneider „als nicht ausreichend“ bezeichnet worden. Dazu gehört die Veröffentlichung der GPS-Daten über den Aufenthalt der Herde, die Installation eines Meldesystems über Begegnungen mit Wisenten und Aufklärung über das Verhalten bei einem Aufeinandertreffen.