Hagen. . Abfallwirtschaftskonzept legt Regionen fest. Nachteile für die Kreise Olpe und Siegen-Wittgenstein.
Die Idee ist nachvollziehbar: Um Mülltourismus zu vermeiden setzt NRW auf regionale Entsorgung. Im Abfallwirtschaftsplan, der seit Ende April in Kraft ist, wird das Land in drei Entsorgungsregionen aufgeteilt. In der Praxis führt das allerdings teilweise zu wenig wünschenswerten Ergebnissen: Die Kreis Olpe und Siegen-Wittgenstein dürften nicht mehr in Köln verbrennen lassen, wohl aber im wesentlich weiter entfernten Bielefeld.
Die Annahmen
Das Aufkommen von Haus- und Sperrmüll ist in NRW seit 1990 um fast 40 Prozent zurückgegangen. Im Umweltministerium geht man davon aus, dass dieser Trend so weitergeht. Für 2025 erwartet man 4,42 Millionen Tonnen Restmüll – die 16 Müllverbrennungsanlagen haben eine Kapazität von mehr als sechs Millionen Tonnen. Deshalb ist immer von Überkapazitäten die Rede.
Die wirkliche Lage
Aber gibt es die wirklich? „Ich halte die Überkapazitäten für einen Mythos“, sagt Jacqueline Jagusch von den Hagener Entsorgungsbetrieben (HEB). „Unsere Müllverbrennungsanlage ist ausgelastet.“ Und das sieht im Rest des Landes nicht viel anders aus, erklärt Reiner Deppe, Sprecher der CDU-Fraktion für Klimaschutz, Umwelt und Naturschutz im Landtag. „Das hat sich alles eingespielt.“ Die Anlagen im Westen des Landes nähmen Stoffe aus den Niederlanden und Großbritannien auf. Und Deppe erwartet auch insgesamt keinen weiteren Rückgang bei den Müllmengen: „Das stagniert eher.“ Das legen auch die neuesten Zahlen des Statistischen Landesamtes IT NRW nahe: 2014 wurden 8,45 Millionen Tonnen Siedlungsabfälle eingesammelt, darunter 3,81 Millionen Tonnen Haus- und Sperrmüll. Auf jeden Einwohner entfielen 216 Kilogramm. Das waren 2,6 Kilogramm mehr als 2013. Ein Ausreißer? Eine Trendumkehr? Das Umweltministerium hat dafür keine Erklärung anzubieten.
Die Folgen des Plans
Die Konsequenzen der Neuregelung fallen für die einzelnen Kreise und Städte sehr unterschiedlich aus: Hagen verbrennt in der eigenen Anlage in Hagen, der Märkische Kreis in der eigenen in Iserlohn – da ändert sich also nichts. Der HSK nutzt eine private Anlage zur thermischen Vorbehandlung in Meschede-Enste. Der Vertrag läuft bis Ende 2022. Und danach? Unsicherheit. Der Ennepe-Ruhr-Kreis gehört einer anderen Zone an und darf wie bislang in Herten und Wuppertal verbrennen lassen. Auch für den Kreis Soest ändert sich nichts: „Wir haben eine Kooperation mit der MVA Hamm bis 2017, die wird erneuert“, sagt Alfons Matusczyk, Leiter der Abteilung Umwelt. Sein Urteil deshalb: „Wir können mit der Regelung leben, auch wenn wir die Regionalaufteilung für überflüssig halten.“ Anders sieht es in Siegen-Wittgenstein aus: Bisher werden Köln, Wuppertal und Herten genutzt – der günstigen Preise wegen. Künftig wären nur noch Iserlohn, Hagen, Hamm oder Bielefeld erlaubt. Das wird nicht unbedingt näher, aber wahrscheinlich teurer, wenn 2020 die Verträge auslaufen.
Die Reaktion
In Olpe laufen die Verträge, die eine Verbrennung in Köln vorsehen, bis 31. Mai 2020, aber Kreisdirektor Theo Melcher sieht schon wesentlich früher Handlungsbedarf: „Das Vergabeverfahren muss spätestens Anfang 2019 starten, wir müssen also in der ersten Hälfte 2018 eine klare Position beziehen.“ Und seine wäre momentan: „Wir halten uns nicht an den Plan. Es gibt erhebliche Zweifel daran, ob er rechtlich zulässig ist. Aber wir setzen auch darauf, dass auf der Ebene des Ministeriums noch Vernunft einzieht.“
Die Analyse
Der Olper Kreisdirektor sieht im neuen Abfallwirtschaftsplan „eine Politik zugunsten der Betreiber von Müllverbrennungsanlagen“. Es gehe darum, deren Kapazitäten auszulasten. „Als wir früher ganz ähnliche Probleme mit unseren Deponien hatten, wurden wir im Stich gelassen.“ Auf der anderen Seite stehen die Städte, die vor mehr als 20 Jahren in teure Öfen investiert haben. Ihre Bürger müssen hohe Müllgebühren bezahlen, andere Kommunen können wegen der Konkurrenz günstig entsorgen. „Es gibt immer Ungerechtigkeiten“, betont der CDU-Abgeordnete Deppe. Er ist froh, dass die ursprünglich geplanten fünf Regionen auf drei größere reduziert wurden, hielte aber eine Regelung, die nur die Entfernung berücksichtigt, für sinnvoller.