Altena. . Ein Feuerwehrmann und ein Komplize stehen vor Gericht, weil sie Feuer in einer Flüchtlingsunterkunft gelegt haben sollen. Was der Anwalt der Nebenklage vom Prozess erwartet.

  • Nur mit Glück sind zwei syrische Familien im vergangenen Oktober dem Anschlag auf ihre Unterkunft in Altena entkommen.
  • Nun beginnt der Prozess gegen die beiden Brandstifter.
  • Mehmet Daimagüler, Anwalt der Opfer, hofft auf eine Verurteilung wegen versuchten Mordes.

Am 31. Mai beginnt vor dem Hagener Landgericht der Prozess um den Brandanschlag auf die Flüchtlingsunterkunft in Altena. Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler vertritt in der Verhandlung eine der beiden Familien, die sich am 3. Oktober 2015 in dem Mehrfamilienhaus in der Altenaer Brandstraße befanden. Seit Mitte Februar befinden sich die beiden mutmaßlichen Brandstifter – ein 25 Jahre alter Berufsfeuerwehrmann und ein zwei Jahre jüngerer Komplize – in Untersuchungshaft: Sie sollen auf dem Dachboden der Unterkunft das Feuer gelegt haben.

Wie geht es Ihren Mandanten?

Mehmet Daimagüler: Der 65 Jahre alte Syrer sowie sein Sohn und seine Tochter leben weiterhin in Altena und fühlen sich dort sehr wohl und aufgehoben. Als Katholiken haben sie einen intensiven Kontakt zur dortigen Kirchengemeinde. Die Familie ist aus ihrer Heimat Aleppo vor den Mörderbanden des sogenannten Islamischen Staates geflohen. Natürlich kann sie nicht verstehen, dass ihr in Deutschland nach dem Leben getrachtet wurde.

Wie knapp war es für Ihre Mandanten und die zweite, vierköpfige Familie aus Syrien am 3. Oktober 2015 in der Altenaer Flüchtlingsunterkunft?

Daimagüler: Es war reines Glück, dass niemand zu Schaden gekommen ist. Einem Gutachten zufolge war das Feuer darauf ausgelegt, unkontrolliert zu brennen. Zudem war der Feuermelder abgeknipst.

Was erwarten Sie von dem Prozess vor dem Hagener Schwurgericht?

Daimagüler: Ich bin mir sicher, dass das Gericht – im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft Hagen – den Vorgang ernst nimmt. Die Anklagebehörde hatte die beiden mutmaßlichen Brandstifter ja nur wegen schwerer Brandstiftung angeklagt. Das Gericht hat zu Recht angekündigt, dass auch eine Verurteilung wegen versuchten Mordes in sieben Fällen in Betracht kommt. Ich muss leider sagen, dass die Staatsanwaltschaft zu Beginn den Ernst der Lage nicht erkannt hatte.

Seit Jahresbeginn gab es bereits 45 Brandanschläge auf Asylbewerberunterkünfte in Deutschland. Im vergangenen Jahr waren es Hunderte. Der Justiz ist mehrfach eine gewisse Milde bei der Verfolgung und Ahndung dieser Taten unterstellt worden. Ist der Vorwurf berechtigt?

Daimagüler: Ich habe manchmal den Eindruck, dass bei Taten gegenüber Flüchtlingen, die sich nicht mit dem deutschen Rechtssystem auskennen und nicht anwaltlich vertreten werden, die Sache buchstäblich auf kleiner Flamme gehalten wird. Bevor das Hagener Schwurgericht im Februar Untersuchungshaft gegen die beiden mutmaßlichen Brandstifter anordnete, blieben sie nach dem Willen der Staatsanwaltschaft auf freiem Fuß. Können Sie sich vorstellen, welcher psychischen Belastung meine Mandanten ausgesetzt waren, wenn ihnen im Supermarkt einer der beiden Männer begegnete?

Die Staatsanwaltschaft hatte die Ablehnung einer Untersuchungshaft damit begründet, dass die Tatverdächtigen nicht der rechtsradikalen Szene angehörten. Sie seien „ganz normale“, nicht vorbestrafte Menschen mit geregelter Arbeit. Es gebe keinen politischen bzw. fremdenfeindlichen Hintergrund.

Daimagüler: Nicht jeder Rassist ist ein Rechtsradikaler. Man kann durchaus ein „normales“ Leben führen und rassistische Gedankengänge haben. Die Staatsanwaltschaft hat diesen Rassismus in ihrer Bewertung ausgeblendet. Ich hoffe, dass das Schwurgericht genauer hinschaut.

Der mutmaßliche Haupttäter soll in einer Vernehmung angegeben haben, aus Angst vor Flüchtlingen in der Nachbarschaft gehandelt zu haben. Können Sie die Erklärung nachvollziehen?

Daimagüler: Täter versuchen, sich auf diese Weise zu Opfer zu stilisieren. Wen sollen Flüchtlinge, die nur ihre Kleidung am Leib besitzen, denn hier bedrohen? Ich habe kein Verständnis dafür, wenn angesichts der Vielzahl an Brandanschlägen auf Asylbewerberunterkünfte immer wieder vorgetragen wird, man habe „aus Sorge um das Vaterland“ gezündelt. Das rechtfertigt niemals, den Tod von Menschen in Kauf zu nehmen.

Glauben Sie, dass sich Ihre Mandanten im Sauerland gut integrieren werden?

Daimagüler: Da bin ich mir ganz sicher. Es sind hochanständige und gut ausgebildete Menschen – die Tochter ist Mathematiklehrerin, der Sohn Bauingenieur. Sie sprechen bereits ordentlich Deutsch. Und in Altena gibt es sehr viele Freiwillige, die in der Flüchtlingshilfe anpacken.